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14.09.2023

Entwicklung der öffentlichen Finanzen

Hier finden Sie Zahlen und weitere Informationen zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen.

Strukturelle Neuverschuldung des Bundes

Seit dem Jahr 2011 ist die strukturelle Neuverschuldung der Maßstab für die Einhaltung der Schuldenregel [pdf, 584KB] gemäß Artikel 115 des Grundgesetzes. Nach Artikel 115 Abs. 2 Grundgesetz sind Einnahmen und Ausgaben des Bundes grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Dem wird entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 Prozent des nominalen BIP nicht überschreiten (Obergrenze für die strukturelle Nettokreditaufnahme).

Der Deutsche Bundestag hatte für die Haushaltsjahre 2020, 2021 und 2022 eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, festgestellt und beschlossen, von der Ausnahmeregelung des Artikels 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 Grundgesetz Gebrauch zu machen. Die Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation beruhte auf den erheblichen Auswirkungen der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Im Jahr 2022 kamen die erheblichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, die sich der Kontrolle des Staates entzogen und die Finanzlage des Staates erheblich beeinträchtigten, hinzu. Im Jahr 2023 sowie im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt des Jahres 2024 und im Finanzplan bis 2027 hält der Bund die reguläre Obergrenze für die strukturelle Nettokreditaufnahme gemäß Artikel 115 Abs. 2 Grundgesetz wieder ein.

Entwicklung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes BildVergroessern

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Maastricht-Finanzierungssaldo und mittelfristiges Haushaltsziel

Die erste Hälfte der 90er-Jahre war durch hohe gesamtstaatliche Defizite (Maastricht-Abgrenzung) in einer Größenordnung von rund 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) gekennzeichnet. Dabei waren die strukturellen Defizite – insbesondere durch die Folgen der deutschen Wiedervereinigung – noch deutlich höher als die nominalen. Die konjunkturell gute Lage verdeckte also einen Teil der strukturellen Defizite (Abstand zwischen nominalem und strukturellem Finanzierungssaldo). In der sich anschließenden Phase der Konsolidierung verschlechterte sich bis Mitte der 90er-Jahre gleichzeitig die konjunkturelle Situation, so dass zwar das strukturelle, jedoch nicht das nominale Defizit zurückging. Erst in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre kam es zu einem Rückgang sowohl des nominalen als auch des strukturellen Defizits.

Das Jahr 2000 markierte eine Trendwende: Trotz eines deutlich über Potenzialwachstum liegenden BIP-Zuwachses konnte das nominale Defizit nur geringfügig vermindert werden, das strukturelle Defizit stieg sogar wieder an. Die folgenden Jahre waren durch eine zum Teil sehr schwache konjunkturelle Entwicklung gekennzeichnet, die zu einem Anstieg der nominalen und strukturellen Defizite führte.

Mit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 2005 wurde neben dem Maastricht-Defizit das mittelfristige Haushaltsziel (MTO) als strukturelle Kenngröße eingeführt. Deutschland hat sein MTO seitdem auf 0,5 Prozent des BIP als Obergrenze für das strukturelle Defizit festgelegt. Zwar konnte Deutschland sein Maastricht-Defizit in den Jahren 2006 bis 2008 wieder unter den Referenzwert von 3 Prozent des BIP zurückführen. Der nahezu ausgeglichene tatsächliche gesamtstaatliche Finanzierungssaldo in den Jahren 2007 und 2008 ging aber wesentlich auf die damals gute konjunkturelle Situation zurück. Der strukturelle Saldo wies insbesondere im Jahr 2007 noch ein Defizit deutlich über der Obergrenze von 0,5 Prozent aus.

Im Jahr 2009 hat die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem drastischen Wiederanstieg des Maastricht-Defizits geführt, auf 4,4 Prozent, auch das strukturelle Defizit stieg wieder. Deutschland befand sich daher in den Jahren 2009 und 2010 erneut im Defizitverfahren.

Mit dem Jahr 2011, unterstützt von der deutlichen konjunkturellen Erholung, machte sich die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte positiv in einer spürbaren Verringerung sowohl des nominalen als auch des strukturellen Defizits bemerkbar. Deutschland wurde daher bereits 2012 aus dem Defizitverfahren entlassen. In den Jahren 2012 bis 2019 erzielte der deutsche Staat nominal und strukturell annähernd ausgeglichene Haushalte oder Finanzierungsüberschüsse.

Infolge der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie verzeichnete der Staat in den Jahren 2020 und 2021 wieder ein deutliches Defizit (-4,3 Prozent des BIP in 2020 und -3,6 Prozent in 2021). Mehr als die Hälfte des Defizits entfiel auf den Bundeshaushalt, der die Hauptlast bei der Bewältigung der Corona-Pandemie trug. Im Jahr 2022 lag der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes bei -2,5 Prozent des BIP. Somit ist das gesamtstaatliche Defizit das erste Mal seit 2020 wieder unter die europäische 3 Prozent Obergrenze gefallen. Der Rückgang gegenüber den Vorjahren ist insbesondere auf rückläufige Ausgaben im Kontext der Pandemie zurückzuführen. Im Jahr 2023 würde die Defizitquote gemäß aktueller Projektion des BMF auf rund -4 ¼ Prozent des BIP ansteigen. Hierin ist der Wirtschaftliche Abwehrschirm (WSF Energie) mit rund -3 Prozent des BIP enthalten, ohne diesen läge die Defizitquote 2023 in der Projektion bei rund -1 ¼ Prozent des BIP. Im Jahr 2024 würde die Defizitquote auf -1 ¾ Prozent des BIP sinken, und dann 2025 und 2026 auf dem Niveau von rund -¾ Prozent des BIP verbleiben. Der Bund kann die Schuldenbremse 2023 trotz des Maastricht-Saldos von -4 ¼ Prozent des BIP einhalten, da die Entnahme aus Rücklagen beim Kernhaushalt und bei den Sondervermögen die strukturelle Nettokreditaufnahme im Sinne der Schuldenbremse mindert, den Maastricht-Saldo aber nicht verändert.

Liniendiagramm: Entwicklung des Finanzierungssaldos von 1991 bis 2026 BildVergroessern

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Maastricht-Schuldenstandsquote

Die Entwicklung der Schuldenstandsquote spiegelt im Wesentlichen die Entwicklung des Maastricht-Defizits wider. Seit der Wiedervereinigung war ein trendmäßiger Anstieg von damals noch 40 Prozent des BIP – und damit deutlich weniger als dem Maastricht-Referenzwert von 60 Prozent – auf deutlich über 60 Prozent im Jahr 2005 zu beobachten.

Der ab dann einsetzende Rückgang wurde mit der Finanzmarktkrise abrupt beendet. Die Stabilisierungsmaßnahmen seit 2008 führten zu einem rapiden Anstieg der Maastricht-Schuldenstandsquote. Im Gegensatz zum Maastricht-Defizit, in dem nur vermögensmindernde Maßnahmen im Rahmen der Bankenkrise zu Buche schlugen, weist die Schuldenstandsquote als Bruttogröße den gesamten Anstieg der staatlichen Verbindlichkeiten aus. Dies waren zunächst unter anderem die Maßnahmen des Finanzmarktstabilisierungsfonds, aber auch die Errichtung der Abwicklungsanstalten, die statistisch einen Transfer von Verbindlichkeiten des Bankensektors in den Staatssektor darstellen. Seit 2010 kamen Stützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der europäischen Staatsschuldenkrise hinzu, die den Schuldenstand weiter erhöhten. Dazu zählen die bilateralen Kredite an Griechenland sowie die Kredite der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) an Griechenland, Irland und Portugal. Letztere werden anteilig den Mitgliedstaaten zugerechnet, welche die EFSF mit Garantien absichern. Seit 2013 ging die Schuldenstandsquote sukzessiv zurück, auf 59,6 Prozent im Jahr 2019. Im Jahr 2021 ist sie – infolge der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie – auf 69,0 Prozent gestiegen. Für 2022 hat die Bundesbank die Maastricht-Schuldenstandsquote bei 66,1 Prozent des BIP ermittelt.

Die Infografik illustriert die Entwicklung der Maastricht-Schuldenstandsquote von 1991 bis 2026 BildVergroessern