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20.04.2022

Fiskalvertrag

Der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion („Fiskalvertrag“) wurde am 2. März 2012 von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) außer dem Vereinigten Königreich und Tschechien unterzeichnet. Mittlerweile haben alle EU-Mitgliedstaaten den Fiskalvertrag unterzeichnet. Der Fiskalvertrag enthält die Verpflichtung, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haushaltsregeln in ihre nationalen Rechtsordnungen, vorzugsweise auf Verfassungsebene, aufzunehmen.

Der Fiskalvertrag enthält strengere Regeln gegenüber dem unionsrechtlichen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Hierdurch soll eine relativ zur Wirtschaftsleistung zu hohe Staatsverschuldung schnellstmöglich zurückgeführt, künftige übermäßige Staatsverschuldung nachhaltig vermieden, die Haushaltsdisziplin verbessert, gesunde öffentliche Finanzen erreicht und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung ermöglicht werden. Dies stärkt die Wirtschafts- und Währungsunion.

Kernpunkte des Fiskalvertrags

Im Wesentlichen enthält der Vertrag folgende Ergänzungen im Vergleich zum Stabilitäts- und Wachstumspakt:

  • Der Vertrag sieht ehrgeizigere Vorgaben für nationale Schuldenregeln vor. Er sieht vor, dass das mittelfristige Haushaltsziel der Vertragsparteien ein gesamtstaatliches strukturelles Defizit von 0,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigt, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 Prozent liegt. Der präventive Arm des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sieht lediglich eine Obergrenze für das gesamtstaatliche strukturelle Defizit von 1 Prozent des nominalen BIP vor.
  • Die Umsetzung der Schuldenbremse in nationales Recht muss durch Bestimmungen verbindlicher und dauerhafter Art, vorzugsweise mit Verfassungsrang, erfolgen, d. h. die Einhaltung und Befolgung der nationalen Schuldenregeln muss gewährleistet sein.
  • Die Umsetzung der Schuldenbremse in nationales Recht kann durch eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durchgesetzt werden. Bei Nichtumsetzung einer Entscheidung des EuGH können dem betreffenden Mitgliedstaat Sanktionen auferlegt werden.
  • Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auflegen, das vom Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission genehmigt und überwacht wird.
  • Die Eröffnung und alle weiteren Beschlüsse im Rahmen eines Defizitverfahrens hinsichtlich der Nichteinhaltung des Defizitkriteriums erfolgt quasi-automatisch (umgekehrte qualifizierte Mehrheitsentscheidung). Quasi-automatische Beschlüsse mit umgekehrter qualifizierter Mehrheit, die nach den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts erst bei Sanktionen zum Tragen kommen, werden damit auf die Einleitung des Defizitverfahrens ausgeweitet.
  • Die Vertragsparteien verpflichten sich zu einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung.
  • Der Vertrag regelt ein Verfahren zu einer besseren politischen Steuerung des Euro-Währungsgebiets in Gestalt von regelmäßigen, mindestens zwei Mal im Jahr stattfindenden Tagungen des Euro-Gipfels.
  • Es wird die Möglichkeit einer Konferenz von Vertreterinnen und Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zu Fragen der Haushaltspolitik und anderer von diesem Vertrag erfasster Angelegenheiten vorgesehen.

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Verbindung mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)

Solidarität und Solidität sind zwei Seiten einer Medaille. Die Gewährung von Finanzhilfen durch den ESM ist daher von der Ratifizierung und Umsetzung des Fiskalvertrags abhängig. Dieser Grundsatz ist spiegelbildlich gleichermaßen im ESM-Vertrag wie auch im Fiskalvertrag verankert.

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Umsetzung des Fiskalvertrags in Deutschland

Die deutsche Umsetzung des Fiskalvertrags – die in wesentlichen Teilen im Haushaltsgrundsätzegesetz erfolgt – trat neben bereits bestehende umfassende institutionelle und rechtliche Regelungen, die die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleisten. Hierzu zählt insbesondere die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse, die auf im Grundsatz ausgeglichene Haushalte verpflichtet.

Zudem wurde der Stabilitätsrat damit beauftragt, die Einhaltung der Obergrenze des strukturellen gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits von 0,5 Prozent des BIP zu überwachen, und im Stabilitätsratsgesetz wurde zugleich rechtlich verankert, dass der Stabilitätsrat hierbei durch einen unabhängigen Beirat unterstützt wird. Der unabhängige Beirat hat sich am 5. Dezember 2013 konstituiert.