- Gemäß § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung von Art. 115 des Grundgesetzes (GG) wurde turnusgemäß zum 1. September 2023 die Einhaltung der Schuldenregel des Bundes (Schuldenbremse) im Haushaltsvollzug 2022 abschließend geprüft. Grundlage hierfür bilden die gesamtwirtschaftlichen Daten des Statistischen Bundesamts vom 25. August 2023.
- Die strukturelle Nettokreditaufnahme (NKA) belief sich im Jahr 2022 auf 8,09 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Regelobergrenze für die strukturelle NKA (0,35 Prozent des BIP = 12,5 Mrd. Euro) wurde nach abschließendem Ergebnis um 276,4 Mrd. Euro überschritten. Davon entfielen 97,0 Mrd. Euro auf den Bundeshaushalt und 179,4 Mrd. Euro auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Energie (WSF-Energie).
- Der Deutsche Bundestag hatte für die Haushaltsjahre 2020, 2021 und 2022 eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staats entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, festgestellt und beschlossen, von der Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 GG Gebrauch zu machen. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wurde vom Deutschen Bundestag aufgrund der durch die seit dem Jahr 2020 anhaltenden pandemiebedingten und seit 2022 durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verschärften Notsituation beschlossen.
Nach Art. 115 Abs. 2 Satz 1 bis 3 GG sind Einnahmen und Ausgaben des Bundes grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Dem wird entsprochen, wenn die strukturelle NKA 0,35 Prozent des BIP nicht überschreitet. In Art. 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 GG ist geregelt, dass im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staats entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, diese Kreditobergrenze auf Grundlage eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestags überschritten werden darf und ein Tilgungsplan zu beschließen ist.1
Die abschließende Berechnung, aus der sich die endgültige Höhe der Tilgungsverpflichtung beziehungsweise die Buchung auf dem Kontrollkonto ergibt, orientiert sich an den Vorschriften über die jährliche Abrechnung für die Buchung auf dem Kontrollkonto (§ 7 Abs. 1 Art. 115-Gesetz und § 3 Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Art. 115-Gesetzes – Art. 115-Verordnung). Demnach wird der endgültige Rückführungsbetrag beziehungsweise – allgemein formuliert – die endgültige Abweichung der tatsächlichen NKA von der Obergrenze jeweils zum 1. September des Folgejahres festgestellt.
Der Deutsche Bundestag hatte für die Haushaltsjahre 2020, 2021 und 2022 eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, festgestellt und beschlossen, von der Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 GG Gebrauch zu machen. Die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung wurde vom Deutschen Bundestag aufgrund der durch die seit dem Jahr 2020 anhaltenden pandemiebedingten und seit 2022 durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verschärften Notsituation beschlossen.
Zur Unterstützung der Unternehmen und privaten Haushalte wurde aufgrund der gestiegenen Energiepreise infolge der Auswirkungen des russischen Angriffskriegs der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) auf der Grundlage § 26b Abs. 1 Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) neu ausgerichtet und einmalig mit einer Kreditermächtigung in Höhe von 200 Mrd. Euro, unter Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 GG, ausgestattet.
Um die Einhaltung der Schuldenbremse im Haushaltsvollzug zu überprüfen, wird die tatsächliche strukturelle NKA mit der maximal zulässigen strukturellen NKA (beziehungsweise die tatsächliche NKA mit der zulässigen NKA) verglichen.
Zum 1. September 2023 wurde für den Bund die Abweichung der tatsächlichen NKA von der Obergrenze der NKA ermittelt. In die Berechnung der für die Schuldenregel relevanten NKA einzubeziehen sind neben der NKA des Bundeshaushalts auch die NKA der gemäß Art. 143d Abs. 1 nach dem 31. Dezember 2010 neu eingerichteten Sondervermögen mit eigenen Kreditermächtigungen.
Die NKA des Bundes betrug im Jahr 2022 insgesamt rund 315,4 Mrd. Euro (vergleiche Tabelle Position 8, Ist). Davon gehen 115,4 Mrd. Euro auf den Bundeshaushalt und 200,0 Mrd. Euro auf den neu ausgerichteten WSF-Energie zurück. Ausgehend von der NKA insgesamt zuzüglich des Saldos finanzieller Transaktionen in Höhe von -4,1 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt und -20,6 Mrd. Euro für den WSF-Energie (insgesamt -24,7 Mrd. Euro, vergleiche Tabelle Position 6, Ist) und zuzüglich der an die tatsächliche Entwicklung angepassten Konjunkturkomponente von -1,8 Mrd. Euro (vergleiche Tabelle Position 5, Ist) belief sich die strukturelle NKA des Bundes auf 288,9 Mrd. Euro beziehungsweise 8,09 Prozent des BIP (vergleiche Tabelle Position 9, Ist). Damit wurde die Obergrenze für die strukturelle NKA (0,35 Prozent des BIP des Vorjahres, 2021: rund 12,5 Mrd. Euro) um rund 276,448 Mrd. Euro überschritten (vergleiche Tabelle Position 10, Ist).
Der Überschreitungsbetrag der Obergrenze setzt sich zusammen aus 179,438 Mrd. Euro für den WSF-Energie (NKA WSF-Energie 200,0 Mrd. Euro zuzüglich -20,6 Mrd. Euro Saldo der finanziellen Transaktionen des WSF-Energie) und rund 97,010 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt (NKA Bundeshaushalt 115,4 Mrd. Euro zuzüglich -4,1 Mrd. Euro Saldo der finanziellen Transaktionen zuzüglich -1,8 Mrd. Euro Konjunkturkomponente abzüglich 12,5 Mrd. Euro reguläre Obergrenze von 0,35 Prozent des BIP). Der genannte Betrag von 200,0 Mrd. Euro für den WSF-Energie, der bei der Abrechnung der Schuldenbremse zu berücksichtigen ist, entspricht nicht den tatsächlich in Anspruch genommenen Mitteln für das Jahr 2022 (30,2 Mrd. Euro), die in den gesamtstaatlichen Maastricht-Finanzierungssaldo des abgelaufenen Jahres eingeflossen sind. Die Überschreitung der regulären Obergrenze nur für den Bundeshaushalt fiel geringer aus als im Haushaltsgesetz 2022 mit 115,7 Mrd. Euro geplant.
Der Überschreitungsbetrag ist im Rahmen eines vom Deutschen Bundestag beschlossenen Tilgungsplans zurückzuführen. Der vom Deutschen Bundestag am 3. Juni 2022 gemäß Art. 115 Abs. 2 Satz 7 GG beschlossene Tilgungsplan sieht vor, dass die in den Jahren 2020 bis 2022 die Regelgrenze nach Art. 115 Abs. 2 GG übersteigenden Kredite ab dem Jahr 2028 innerhalb von 31 Jahren in Höhe von jährlich 1/31 des Rückführungsbetrags zurückgeführt werden. Gemäß Beschluss des Deutschen Bundestags vom 21. Oktober 2022 wurde abweichend von dem am 3. Juni 2022 verabschiedeten Tilgungsplan beschlossen, dass die im Jahr 2022 vom WSF-Energie aufgrund der Ausnahmeregelung gemäß Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG aufgenommenen Kredite unter Berücksichtigung der hiervon im Jahr 2022 getätigten finanziellen Transaktionen ab dem Jahr 2031 in Höhe von jährlich 1/31 des Rückführungsbetrags zurückgeführt werden.
Von dem Rückführungsbetrag für den WSF-Energie in Höhe von 179,438 Mrd. Euro sind jährlich 1/31 zurückzuführen, somit rund 5,788 Mrd. Euro pro Jahr. Höhere Rückführungen sind möglich. Dadurch verringert sich der Tilgungszeitraum entsprechend. 1/31 des Rückführungsbetrags für den Bundeshaushalt 2022 in Höhe von 97,010 Mrd. Euro entspricht rund 3,129 Mrd. Euro pro Jahr. Dieser Betrag tritt zu den bereits bestehenden Rückführungsverpflichtungen für die Jahre 2020 (2,245 Mrd. Euro pro Jahr) und 2021 (6,194 Mrd. Euro pro Jahr) hinzu. Damit sind im Zeitraum 2028 bis 2030 insgesamt 11,568 Mrd. Euro pro Jahr zurückzuführen. Zusammen mit dem WSF-Energie belaufen sich die Rückführungsverpflichtungen in den Jahren 2031 bis 2058 insgesamt auf rund 17,357 Mrd. Euro pro Jahr und im Zeitraum 2059 bis 2061 auf rund 5,788 Mrd. Euro pro Jahr.
Zu diesen Rückführungsverpflichtungen kommen die Tilgungsverpflichtungen des Sondervermögens Bundeswehr hinzu. Dessen Kredite sind gemäß § 8 Bundeswehrfinanzierungs- und -sondervermögensgesetz nach vollständiger Inanspruchnahme der Kreditermächtigung (100 Mrd. Euro), spätestens ab 1. Januar 2031, innerhalb eines angemessenen Zeitraums zurückzuführen.
Bei der Abrechnung der Schuldenbremse ist auch bei Inanspruchnahme der Ausnahmeklausel eine Buchung auf dem Kontrollkonto zu prüfen. In § 7 Abs. 1 Art. 115-Gesetz ist dazu festgelegt, dass, soweit von der Ausnahmeregelung des Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG Gebrauch gemacht worden ist, der auf dem Kontrollkonto zu verbuchende Betrag um die aufgrund des entsprechenden Beschlusses des Deutschen Bundestags erhöhte NKA zu bereinigen ist. Da im Jahr 2022 der die zulässige NKA übersteigende Betrag unter dem für den Bundeshaushalt beschlossenen Überschreitungsbetrag geblieben ist, wird das Kontrollkonto weder be- noch entlastet. Der Saldo auf dem Kontrollkonto verbleibt daher auf dem Stand der letzten Buchung zum 1. September 2022 und beläuft sich auf 47,7 Mrd. Euro.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die endgültige Feststellung der Abweichung der zulässigen NKA von der tatsächlichen NKA i. S. der Schuldenbremse des Bundes für das Jahr 2022.
Aufstellung und Abrechnung des Haushalts des Bundes gemäß Art. 115 GG für das Jahr 2022
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- 1
- Siehe auch Kompendium zur Schuldenbremse