- Weltweit arbeiten zahlreiche Zentralbanken an Projekten zu digitalem Zentralbankgeld.
- Die Europäische Zentralbank (EZB) führt noch bis Herbst 2023 eine Untersuchungsphase für einen digitalen Euro durch. Sie entscheidet dann über den Eintritt in eine voraussichtlich dreijährige Implementierungsphase.
- Eine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro ist noch nicht gefallen und auch nicht mit der Implementierungsphase verbunden. Die Europäische Kommission hat für das 2. Quartal 2023 einen Legislativvorschlag für einen digitalen Euro angekündigt. Eine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro kann erst getroffen werden, wenn das europäische Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist.
- Ein digitaler Euro soll aus Sicht des Eurosystems die Rolle von Zentralbankgeld als Anker des Geldsystems in einer zunehmend digitalen Welt langfristig sichern, die europäische Souveränität stärken und ein Motor für Innovationen sein.
- Ein digitaler Euro würde das Bargeld nicht ersetzen, sondern ergänzen. Bargeld bleibt weiterhin gesetzliches Zahlungsmittel.
- Die EZB hat erste Optionen für die Ausgestaltung eines digitalen Euro vorgestellt. Für das BMF ist der Schutz der finanziellen Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger zentral.
Einleitung
Weltweit arbeiten aktuell 114 Staaten, die über 95 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts repräsentieren, zum Teil innerhalb ihrer Währungsräume, an der Entwicklung des sogenannten digitalen Zentralbankgelds (Central Bank Digital Currencies – CBDC).1 Einige dieser Staaten befinden sich in fortgeschrittenen Pilotierungsphasen für ihre CBDC-Projekte. Der chinesische digitale Renminbi (e-CNY) etwa verzeichnete schon Ende des Jahres 2021 über 260 Millionen Nutzerinnen und Nutzer.2 Elf Staaten hatten im März 2023 digitales Zentralbankgeld bereits breit im Markt eingeführt, darunter Nigeria und Jamaika.3
Auch der Rat der EZB hat im Juli 2021 beschlossen, die Arbeiten an möglichen Konzepten für digitales Zentralbankgeld – konkret: einen digitalen Euro – zu intensivieren. Im Rahmen einer zweijährigen Untersuchungsphase sollen die mögliche Ausgestaltung und die Auswirkungen eines digitalen Euro genauer untersucht werden. An den Analysen beteiligen sich auch die Deutsche Bundesbank und die anderen Zentralbanken des Eurosystems.4
Mit Fortschreiten der Zentralbankarbeiten im Eurosystem beschäftigen sich zunehmend auch die Finanzministerinnen und Finanzminister des Euroraums mit den Ideen für einen möglichen digitalen Euro. In ihrem Statement vom 16. Januar 2023 haben sie bekräftigt, dass es für die Einführung und Ausgestaltung eines digitalen Euro politischer Entscheidungen bedürfe, die auf politischer Ebene zu diskutieren und zu treffen seien.5 Das BMF begrüßt daher die Ankündigung der Europäischen Kommission, im 2. Quartal 2023 einen Legislativvorschlag zu unterbreiten, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen digitalen Euro festlegen würde. Das Gesetzgebungsverfahren würde zugleich den Raum bieten, wichtige Ausgestaltungsfragen zwischen den europäischen Co-Gesetzgebern (Rat und Europäisches Parlament) in einem demokratisch etablierten Verfahren zu erörtern.
Eine Entscheidung darüber, ob ein digitaler Euro eingeführt werden soll, ist bislang noch nicht gefallen und würde auch erst deutlich später im Prozess erfolgen (s. a. Ausblick am Ende des Artikels). Der Artikel gibt einen Überblick über die weltweit geführte Diskussion über digitales Zentralbankgeld und die bisherigen Arbeiten des Eurosystems zum digitalen Euro.
Was ist digitales Zentralbankgeld?
Der Unterschied zwischen Zentralbank- und Giralgeld
Zentralbankgeld ist Geld, das von Zentralbanken als Verbindlichkeiten ihrer jeweiligen Zentralbankbilanz herausgegeben wird. Zentralbankgeld ist im Regelfall die Recheneinheit in einem Währungsraum, d. h. Preise und Werte von Gütern und Dienstleistungen sowie von Vermögenstiteln werden in Einheiten des Zentralbankgelds angegeben (beispielsweise in Euro). Daraus folgt, dass Zentralbankgeld selbst keinen Nominalwertrisiken unterliegt: Anders als der Wert aller anderen Verbindlichkeiten im privaten und öffentlichen Sektor ist der Nominalwert von Zentralbankverbindlichkeiten nicht durch Angebot und Nachfrage bestimmt und unterliegt insoweit keinen marktbedingten Schwankungen. Zentralbanken stehen zudem mit ihrem geldpolitischen Instrumentarium für die Wertstabilität des von ihnen herausgegebenen Gelds ein (Minimierung des Kaufkraftrisikos). Die bekannteste Form von Zentralbankgeld ist das Bargeld – in Deutschland die Euro-Banknoten und -Münzen, die von den Zentralbanken des Eurosystems herausgegeben werden. Daneben halten insbesondere lizenzierte Geschäftsbanken Einlagen auf Konten bei der Zentralbank. Auch diese Einlagen – oft als „Reserven“ bezeichnet – sind Zentralbankgeld.
Die neben dem Zentralbankgeld geläufigste Form des Gelds ist das sogenannte Buch- oder Giralgeld. Dies ist das Geld, das Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen als Guthaben auf dem Konto bei ihrer Bank halten. Giralgeld wird nicht von einer Zentralbank herausgegeben, sondern von den Geschäftsbanken unmittelbar selbst geschöpft. Es stellt einen Anspruch der Kontoinhaberinnen und -inhaber gegen die kontoführende Bank dar. Aufgrund dieses Anspruchs können Kontoinhaberinnen und -inhaber die Auszahlung ihres Guthabens jederzeit in bar verlangen, z. B. wenn sie am Geldautomaten Geld abheben. Giralgeld ist also eins zu eins in Zentralbankgeld konvertierbar. Im Alltag verwenden viele Menschen gleichermaßen Bargeld und Giralgeld, ohne über die konzeptionellen Unterschiede nachzudenken.
Zwei Arten von digitalem Zentralbankgeld
Digitales Zentralbankgeld wäre neben dem Bargeld und den Einlagen von Geschäftsbanken auf Zentralbankkonten eine weitere Geldform, die direkt von einer Zentralbank ausgegeben würde. Diskutiert werden weltweit im Wesentlichen zwei Grundformen digitalen Zentralbankgelds: In der sogenannten Wholesale-Variante würde digitales Zentralbankgeld nur denjenigen Unternehmen zur Verfügung stehen, die schon heute über Zentralbankkonten verfügen, also vor allem Geschäftsbanken. Da diese Konten digital geführt werden, verfügen diese Unternehmen schon heute über eine Form von digitalem Zentralbankgeld. Ein Wholesale-CBDC könnte gegenüber den bestehenden Zentralbankkonten neue Funktionalitäten bereitstellen und die Zahlungsabwicklung bei Wertpapiergeschäften effizienter machen, wenn diese zukünftig z. B. mit Hilfe der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) abgewickelt werden sollten. Ein sogenannter Retail-CBDC könnte demgegenüber von allen Bürgerinnen und Bürgern und je nach Ausgestaltung auch von Unternehmen der Realwirtschaft genutzt werden.
Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT)
ist eine Technologie zur Aufzeichnung von Informationen über eine auf mehrere Computersysteme verteilte, d. h. dezentrale Datenbank. Regelmäßig beruht DLT auf der Public-Key-Kryptografie, einem kryptografischen System, das Schlüsselpaare verwendet: zum einen öffentliche Schlüssel, die öffentlich bekannt sind und der Identifizierung dienen, und zum anderen private Schlüssel, die geheim gehalten und zur Authentifizierung und Verschlüsselung verwendet werden.
Blockchain ist ein Unterfall der DLT, bei dem mehrere Informationen zu einem Block zusammengefasst und Blöcke in chronologischer Reihenfolge miteinander unter Einsatz kryptografischer Verfahren verkettet in verteilten Datenbanken gespeichert werden.
Gemein wäre allen Varianten des digitalen Zentralbankgelds, dass es – anders als Bargeld – digital wäre, sodass die Nutzerinnen und Nutzer damit z. B. elektronisch bezahlen könnten. In der technischen Umsetzung sind dabei unterschiedliche Lösungen denkbar. Weltweit wird digitales Zentralbankgeld sowohl unter Einsatz von DLT als auch mit konventioneller Technologie erprobt, die auf zentral geführten Datenbanken beziehungsweise Transaktionsbüchern beruht.
Warum denkt das Eurosystem über einen digitalen Euro nach?
Im Zentrum der Arbeiten des Eurosystems steht derzeit eine Retail-Variante für einen digitalen Euro. Auch die folgenden Ausführungen konzentrieren sich daher – soweit nicht anders vermerkt – auf eine solche Retail-Variante. Die Zentralbanken des Eurosystems verfolgen damit mehrere Zwecke.
Zentralbankgeld als Anker des Geldsystems
Ausgangspunkt der Überlegungen der EZB ist die Rolle des Zentralbankgelds als Anker des Geldsystems. Damit meinen Zentralbanken das Vertrauen der Menschen, ihre bei einer Geschäftsbank gehaltenen Guthaben jederzeit eins zu eins in Zentralbankgeld umtauschen zu können.6 Diese Umwandelbarkeit sichert das Vertrauen in privates (Giralgeld) wie öffentliches Geld (Zentralbankgeld) und schützt die Rolle des Euros als einheitliche Rechnungseinheit im Zahlungsverkehr.7
Die Funktion als Anker des Geldsystems soll auch in Zukunft vor allem das Bargeld ausfüllen. Studien zeigen, dass es vielen Bürgerinnen und Bürgern wichtig ist, Bargeld als Zahlungsoption zu erhalten.8 Die Bundesregierung misst der generellen Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Bargeld große Bedeutung bei und bekennt sich zum Fortbestand des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel. Auch die Zentralbanken des Eurosystems haben wiederholt deutlich gemacht, dass es im Euroraum auch in Zukunft Bargeld geben wird.9
Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Bargeldnutzung im Euroraum zurückgeht, weil immer mehr Bürgerinnen und Bürger elektronische Zahlungsmittel nutzen.10 Während in Deutschland noch deutlich über die Hälfte der Vor-Ort-Zahlungen (z. B. im Ladengeschäft) in bar getätigt werden, sind es in den Niederlanden oder Finnland nur noch ein Fünftel.11 Dieser Änderung der Zahlungsgewohnheiten möchten die Zentralbanken dadurch begegnen, dass sie dem Bargeld mit dem digitalen Euro ergänzend eine digitale Form des Zentralbankgelds zur Seite stellen, um die Rolle des Zentralbankgelds als Anker des Geldsystems in einer zunehmend digitalen Welt langfristig zu sichern.
Europäische Souveränität und Wettbewerb stärken
Einen weiteren Grund für die Beschäftigung des Eurosystems mit einem digitalen Euro bilden geopolitische Überlegungen. Die Deutsche Bundesbank verweist darauf, dass es bislang in Europa nicht gelungen sei, eine einheitliche, europaweite Bezahllösung für die Ladenkasse, für den Onlinehandel sowie für Bezahllösungen zwischen Privatpersonen zu etablieren. Nutzerinnen und Nutzer seien insbesondere bei Zahlungen im Ausland (einschließlich innerhalb des Euroraums) und häufig auch im Internet auf internationale Kartensysteme oder Zahlungslösungen von großen außereuropäischen Technologieunternehmen (BigTechs) angewiesen.12
Vor diesem Hintergrund unterstützt das BMF schon länger private Initiativen für ein europaweites Zahlverfahren. Ein digitaler Euro könnte entscheidend dazu beitragen, eine pan-europäische Zahlungsinfrastruktur zu etablieren. Er könnte neben bestehende private Zahlverfahren treten und in Zeiten wachsender geopolitischer Unsicherheiten die Autonomie und Resilienz des europäischen Zahlungsverkehrs stärken und zugleich zur wirtschaftlichen Effizienz im Euroraum beitragen. Insbesondere mit Blick auf Bereiche des Zahlungsverkehrs, die heute stark von wenigen außereuropäischen Anbietern dominiert werden, verspricht sich die EZB von einem digitalen Euro zudem eine Stärkung des Wettbewerbs in diesem Bereich.13
Fragen des geldpolitischen Handlungsspielraums würden sich für die Zentralbanken ebenfalls stellen, wenn sich neuartige digitale Zahlungsmittel auch im Euroraum stark verbreiten würden. Das Eurosystem hat hier zum einen denkbare Projekte von BigTechs, z. B. für global einsetzbare sogenannte Stablecoins, vor Augen. Zum anderen bereitet es sich mit den Arbeiten zu einem digitalen Euro auch darauf vor, dass zahlreiche andere Staaten weltweit über zum Teil weit fortgeschrittene Projekte für digitales Zentralbankgeld verfügen (s. o.), die sich auf die Bedeutung unterschiedlicher Währungen etwa im internationalen Zahlungsverkehr auswirken könnten.14
Stablecoins
sind wertstabilisierte Kryptowerte, die z. B. auf Währungen oder Währungskörbe referenzieren und häufig zu Zahlungszwecken eingesetzt werden.15
Motor für Innovation
Schließlich könnte ein digitaler Euro Innovationen einen Schub verleihen und zu Effizienzgewinnen im Zahlungsverkehr führen.16 Aus Sicht des BMF sollte ein digitaler Euro dabei eine technologische Basis bieten, auf der aufbauend private Zahlungsdienstleister innovative Produkte entwickeln können.
Für die Akzeptanz eines digitalen Euro ist zentral, dass er seinen Nutzerinnen und Nutzern einen Mehrwert bietet. Für Verbraucherinnen und Verbraucher dürften eine breite Akzeptanz, einfache Nutzbarkeit, niedrige Kosten, hohe Geschwindigkeit der Zahlungsabwicklung, Sicherheit und Schutz der persönlichen Daten entscheidende Gesichtspunkte sein. Für den Handel spielen die Kosten der Zahlungsabwicklung und die Kompatibilität mit bestehenden Systemen eine Rolle.17 Die weiteren Arbeiten zu einem digitalen Euro werden noch zeigen müssen, wie gut er diese Bedürfnisse erfüllen kann.
Wie könnte ein digitaler Euro aussehen?
Die EZB hat im Rahmen der Untersuchungsphase für einen digitalen Euro bislang zwei Fortschrittsberichte veröffentlicht, in denen sie anhand einiger Designoptionen skizziert, wie ein digitaler Euro ausgestaltet werden könnte.18 Für das noch bevorstehende europäische Gesetzgebungsverfahren ist dies hilfreich, denn die Beschäftigung mit einem konkreten Modell erleichtert es, Fragen zu identifizieren, mit denen ein Gesetzgeber sich auseinandersetzen muss. Zugleich werden wichtige Ausgestaltungsmerkmale für einen digitalen Euro im Gesetzgebungsverfahren noch intensiv zwischen den Co-Gesetzgebern, dem Rat und dem Europäischen Parlament, zu diskutieren sein. Vieles ist daher noch offen und endgültige Entscheidungen für eine bestimmte Ausgestaltung wurden bislang nicht getroffen.
Überblick
Grundannahme der Überlegungen des Eurosystems ist, dass ein digitaler Euro von den Zentralbanken des Eurosystems ausgegeben würde und jederzeit zum Nennwert in andere Geldformen (z. B. Bargeld oder versichertes Giralgeld) umtauschbar wäre. Im Gesetzgebungsverfahren wird zudem zu diskutieren sein, wie einem digitalen Euro neben dem Bargeld gegebenenfalls der Status als gesetzliches Zahlungsmittel eingeräumt werden könnte. Über die technische Basis für einen digitalen Euro hat das Eurosystem noch nicht entschieden. Untersucht werden sowohl konventionelle als auch DLT-basierte Systeme.
Anwendungsfälle
Der Fokus der Arbeiten im Eurosystem liegt zunächst auf Anwendungsfällen für Verbraucherinnen und Verbraucher, also etwa auf elektronischen Zahlungen im Ladengeschäft und im E-Commerce, direkten Zahlungen zwischen privaten und Zahlungen zwischen privaten und staatlichen Stellen. Diskutiert wird dabei neben einer Online- auch eine Offline-Funktion. Letztere würde Zahlungen ohne Internetverbindung bei gleichzeitiger Anwesenheit von Zahlendem und Zahlungsempfangendem z. B. über Schnittstellen im Smartphone ermöglichen. So wären Zahlungen unter Anwesenden auch bei einem Ausfall der Internetverbindung möglich.
Eine Arbeitsgruppe von BMF und Deutscher Bundesbank gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft aus dem Jahr 2020 hat gezeigt, dass in der Wirtschaft eine Nachfrage nach Geld besteht, das in programmierbaren Anwendungen eingesetzt werden kann, und dass digitales Zentralbankgeld (sowohl in der Retail- als auch in der Wholesale-Variante) eine Rolle dabei spielen könnte, diese Nachfrage zu adressieren.19 Das BMF setzt sich gegenüber dem Eurosystem dafür ein, auch solche industriellen Anwendungsfälle für einen digitalen Euro weiter zu untersuchen.
Als programmierbare Zahlungen
werden Überträge von Geld bezeichnet, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Übertrags durch vorher vorgegebene Bedingungen bestimmt werden (also nicht ad hoc beim Zahlungsvorgang). Sie können die geldseitige Abwicklung von komplizierten Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der Erfüllung vorgegebener Bedingungen ermöglichen. Auslöser der Zahlung kann jedes messbare Ereignis (z. B. Güter kommen am Zielort an, Dienstleistung wurde erbracht, Erfüllungszeit ist abgelaufen) sein.20
Davon abzugrenzen ist die Idee von programmierbarem Geld, bei dem z. B. eine Bedingung direkt in einem „digitalen Geldstück“ hinterlegt würde. Das Eurosystem und die Mitgliedstaaten des Euroraums lehnen diese Form von Programmierbarkeit für den digitalen Euro strikt ab, denn es wäre sonst nicht mehr sichergestellt, dass das „digitale Geldstück“ zum Nennwert (also eins zu eins) in andere Formen des Euro (z. B. Bargeld) umtauschbar wäre. Die freie Konvertibilität ist aber eine Grundanforderung an den digitalen Euro.
Rolle des Privatsektors
Nach den Vorstellungen des Eurosystems würde der digitale Euro zwar von den Zentralbanken des Eurosystems ausgegeben, aber über Banken und Zahlungsdienstleister an die Bevölkerung verteilt. Wie auch heute im elektronischen Zahlungsverkehr würden Banken- und Zahlungsdienstleister die Kundenbeziehungen managen, Transaktionen validieren und gesetzliche Pflichten zur Geldwäschebekämpfung erfüllen.
Das Eurosystem hat sich zudem dafür ausgesprochen, den digitalen Euro nicht nur als Zahlungsmittel, sondern als Zahlverfahren (sogenanntes Payment Scheme) auszugestalten, um seine europaweite Einsetzbarkeit sicherzustellen. Dem BMF ist wichtig, dass der Privatsektor bei der Gestaltung eines solchen Zahlverfahrens eng einbezogen wird und seine Erfahrung und Innovationskraft einbringen kann.
Ein Payment Scheme
ist ein Regelwerk, das je nach Ausgestaltung technische, rechtliche und kommerzielle Standards für die Durchführung von Zahlungen mit einem bestimmten Zahlungsinstrument enthält. Es stellt die einheitliche Abwicklung von Zahlungen mit dem jeweiligen Zahlungsinstrument durch eine Vielzahl unterschiedlicher Teilnehmer sicher. Den meisten heute weit verbreiteten elektronischen Zahlverfahren liegen solche spezifischen Regelwerke zugrunde, etwa bei SEPA-Überweisungen, SEPA-Lastschriften oder Kreditkartenzahlungen.
Banken und Zahlungsdienstleister sollen schließlich eigene Produkte basierend auf dem digitalen Euro entwickeln können. Der digitale Euro könnte z. B. in die Wallet-Apps von Banken integriert werden.
Schutz der Finanzmarktstabilität
Würden viele Menschen in großem Umfang ihre bei Geschäftsbanken gehaltenen Einlagen in den digitalen Euro umtauschen, könnte es zu einem erheblichen Abfluss von Bankeinlagen in digitales Zentralbankgeld kommen. Im Extremfall könnte ein solcher Abfluss von Einlagen die Stabilität der betroffenen Banken und des Finanzsystems insgesamt gefährden. Zentralbanken diskutieren daher weltweit über Wege, den übermäßigen Abfluss von Bankeinlagen in digitales Zentralbankgeld z. B. durch die Einführung von Halteobergrenzen zu begrenzen. Für das BMF ist zentral, dass der digitale Euro so ausgestaltet ist, dass von ihm keine Risiken für die Finanzmarktstabilität ausgehen.
Nach den Überlegungen des Eurosystems könnten Halteobergrenzen von einem sogenannten Wasserfall-Mechanismus begleitet werden, bei dem bei einer Zahlung fehlendes oder beim Zahlungsempfang überschüssiges digitales Zentralbankgeld automatisch in Giralgeld auf einem verbundenen Bankkonto getauscht werden würde (und umgekehrt). Dies würde eine einfache Handhabung auch bei der Einführung von Halteobergrenzen sicherstellen.
Schutz der Privatsphäre
Der Schutz der finanziellen Privatsphäre ist für das Vertrauen der Bevölkerung in einen digitalen Euro und dessen breite Akzeptanz in der Gesellschaft wesentlich. Für das BMF ist es zentral, dass die finanzielle Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger bei Nutzung eines digitalen Euro geschützt ist. Das BMF unterstützt Überlegungen des Eurosystems, wonach die EZB und andere Zentralbanken des Eurosystems keinen Zugriff auf die persönlichen Daten von Bürgerinnen und Bürgern erhalten würden.21 Mit Blick auf die von privaten Banken und Zahlungsdienstleistern einzuhaltenden Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung setzt das BMF sich für einen risikobasierten Ansatz ein, der insbesondere für weniger riskante, alltägliche Transaktionen ein Höchstmaß an Privatsphäreschutz ermöglicht.
Fazit und Ausblick
Mit ihren Überlegungen zur Einführung von digitalem Zentralbankgeld betreten viele Zentralbanken weltweit Neuland. Die damit verbundenen Fragen sind häufig komplex und betreffen Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes. Das BMF setzt sich daher für einen breiten politischen und gesellschaftlichen Dialog ein, der angemessenen Raum für Diskurs und die Sichtweisen und Anliegen der betroffenen Stakeholdergruppen bietet.
Das BMF wird die Arbeiten des Eurosystems an einem digitalen Euro auch weiterhin konstruktiv begleiten. Die EZB hat angekündigt, die gegenwärtige Untersuchungsphase im Herbst 2023 abzuschließen und über den Eintritt in eine Implementierungsphase zu entscheiden, die voraussichtlich weitere drei Jahre dauern würde. Damit wäre aber noch keine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euros getroffen. Eine solche könnte vielmehr erst dann getroffen werden, wenn die europäischen Co-Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen für die Einführung geschaffen hätten.22 Den Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren wird die Europäische Kommission mit dem für das 2. Quartal 2023 angekündigten Legislativvorschlag geben, dem das BMF entgegensieht.
Fußnoten
- 1
- Atlantic Council, Central Bank Digital Currency Tracker, abrufbar unter https://www.atlanticcouncil.org/cbdctracker/ (Stand: 29. März 2023). Laut einer Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich unter 81 Zentralbanken arbeiteten im Herbst 2021 neun von zehn der befragten Banken an CBDC-Projekten, abrufbar unter https://www.bis.org/publ/bppdf/bispap125.htm (Stand 29. März 2023).
- 2
- Ashutosh Pandey für Deutsche Welle, 9. Februar 2022, abrufbar unter https://www.dw.com/en/china-heats-up-digital-currency-race-with-e-cny-debut-at-olympics/a-60701261 (Stand: 29. März 2023).
- 3
- Atlantic Council, Central Bank Digital Currency Tracker, abrufbar unter https://www.atlanticcouncil.org/cbdctracker/ (Stand: 29. März 2023).
- 4
- Vgl. Burkhard Balz, Digitales Zentralbankgeld: Währungen zukunftsgerecht gestalten, Gastbeitrag im BaFinJournal 03/2022, abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/presse/gastbeitraege/digitales-zentralbankgeld-waehrungen-zukunftsgerecht-gestalten-889912 (Stand: 29. März 2023).
- 5
- Erklärung der Euro-Gruppe zum digitalen Euro-Projekt, 16. Januar 2023, abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/01/16/eurogroup-statement-on-the-digital-euro-project-16-january-2023/ (Stand: 29. März 2023).
- 6
- Burkhard Balz, Das Projekt „Digitaler Euro“, Impulsvortrag im Rahmen der Veranstaltung „Digitaler €uro für eine digitale Wirtschaft?“, 25. Januar 2023, Stuttgart, abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/presse/reden/das-projekt-digitaler-euro--753288#tar-2 (Stand: 29. März 2023).
- 7
- EZB, The case for a digital euro: key objectives and design considerations, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/key_objectives_digital_euro~f11592d6fb.en.pdf (Stand: 29. März 2023).
- 8
-
EZB, Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (SPACE) – 2022, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/stats/ecb_surveys/space/html/index.en.html (Stand: 29. März 2023);
Deutsche Bundesbank, Zahlungsverhalten in Deutschland 2021, Juli 2022; abrufbar unter www.bundesbank.de/zahlungsverhalten (Stand: 29. März 2023). - 9
- EZB, The case for a digital euro: key objectives and design considerations, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/key_objectives_digital_euro~f11592d6fb.en.pdf (Stand: 29. März 2023).
- 10
-
EZB, Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (SPACE) – 2022, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/stats/ecb_surveys/space/html/index.en.html (Stand: 29. März 2023);
Deutsche Bundesbank, Zahlungsverhalten in Deutschland 2021, Juli 2022; abrufbar unter www.bundesbank.de/zahlungsverhalten (Stand: 29. März 2023). - 11
- EZB, Study on the payment attitudes of consumers in the euro area (SPACE) – 2022, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/stats/ecb_surveys/space/html/index.en.html (Stand: 29. März 2023).
- 12
- Burkhard Balz, Das Projekt „Digitaler Euro“, Impulsvortrag im Rahmen der Veranstaltung „Digitaler €uro für eine digitale Wirtschaft?“, 25. Januar 2023, Stuttgart, abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/presse/reden/das-projekt-digitaler-euro--753288#tar-2 (Stand: 29. März 2023).
- 13
- Fabio Panetta, Public money for the digital era: towards a digital euro, Keynote Speech in Dublin, 16. Mai 2022, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2022/html/ecb.sp220516~454821f0e3.en.html (Stand: 29. März 2023).
- 14
- EZB, The case for a digital euro: key objectives and design considerations, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/key_objectives_digital_euro~f11592d6fb.en.pdf (Stand: 29. März 2023).
- 15
- Ausführliche Informationen zu Kryptowerten finden sich im BMF-Monatsbericht September 2022, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2022/09/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-krypto-vermoegenswerte.html (Stand 29. März 2023).
- 16
- EZB, The case for a digital euro: key objectives and design considerations, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/key_objectives_digital_euro~f11592d6fb.en.pdf (Stand: 29. März 2023).
- 17
- EZB, The case for a digital euro: key objectives and design considerations, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/key_objectives_digital_euro~f11592d6fb.en.pdf (Stand: 29. März 2023).
- 18
- Der erste Fortschrittsbericht vom 29. September 2022 ist abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/paym/digital_euro/investigation/governance/shared/files/ecb.degov220929.en.pdf (Stand: 29. März 2023). Der zweite Fortschrittsbericht vom 21. Dezember 2022 ist abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/paym/intro/news/html/ecb.mipnews221221.en.html (Stand: 29. März 2023).
- 19
- Der Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe ist abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/12/2020-12-21-geld-in-programmierbaren-anwendungen.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [pdf, 268KB] (Stand: 29. März 2023).
- 20
- Vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2020/12/2020-12-21-geld-in-programmierbaren-anwendungen.pdf?__blob=publicationFile&v=1 [pdf, 268KB] (Stand: 29. März 2023).
- 21
- Fabio Panetta, Interview mit dem Handelsblatt, 24. Januar 2023, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/press/inter/date/2023/html/ecb.in230124~f50d72e488.en.html (Stand: 29. März 2023).
- 22
- Christine Lagarde, Rede bei der Plenarsitzung des Europaparlaments am 15. Februar 2023, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2023/html/ecb.sp230215~a512d68d9f.en.html (Stand: 29. März 2023).