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  • Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage

    Eu­ro­päi­sche Wirt­schafts- und Fi­nanz­po­li­tik

    Rückblick auf die Sitzungen der Eurogruppe am 13. Februar 2023 und des ECOFIN-Rats am 14. Februar 2023

    Eurogruppe

    Beim ersten Tagesordnungspunkt der Eurogruppe wurden die jüngsten Entwicklungen auf den Energiemärkten und ihre Auswirkungen auf die finanzpolitische Reaktion im Euroraum behandelt. Die Entwicklung der Energiepreise ist für die Haushalte und Unternehmen, die Inflation, das Wachstum, die Geldpolitik und die Staatshaushalte von großer Bedeutung und hat daher die Eurogruppe seit dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs in der Ukraine beschäftigt.

    Einführend berichtete Christian Zinglersen, der Direktor der EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, zu der aktuellen Entwicklung der Energiemärkte. Im Vergleich zum vorangegangenen Sommer seien die Energiepreise deutlich gesunken und die pessimistischsten Prognosen hätten sich nicht bewahrheitet. Dennoch seien die Preise weiterhin auf hohem Niveau. Weiterhin gebe es Risiken, die sehr genau beobachtet werden müssten. Die Entwicklungen bei der Nachfrage nach und der Speicherung von Gas seien ermutigend, aber die Anstrengungen zur Diversifizierung der Energiequellen und zur Reduzierung des Energieverbrauchs müssten fortgesetzt werden. Auch gelte es, möglicherweise die Unterstützungsmaßnahmen anzupassen (falls diese aufrechterhalten würden), um die gewonnenen Erfahrungswerte beispielsweise zur Zielgenauigkeit und Anreizwirkung zu berücksichtigen. Von einer weiterhin erhöhten Preisvolatilität sei auszugehen.

    Die Ministerinnen und Minister tauschten sich über die jüngsten Entwicklungen am Arbeitsmarkt und künftige Herausforderungen aus. Der Arbeitsmarkt des Euroraums habe sich durch die jüngsten Krisen hinweg als resilient erwiesen und stabilisierend auf die Wirtschaft ausgewirkt.

    Auch die jüngsten Daten der Winterprognose der Europäischen Kommission deuten auf eine anhaltend starke Leistung des Arbeitsmarkts hin. Im Dezember 2022 lag die Arbeitslosenquote im Euroraum bei 6,6 Prozent und damit auf einem historischen Tiefstand.

    Auch sprachen die Finanzministerinnen und Finanzminister über die makroökonomischen und finanziellen Entwicklungen und die politische Koordinierung im Euroraum. Geprägt wurde dieser Tagesordnungspunkt von der Präsentation der Winterprognose der Europäischen Kommission. Diese wurde am Tag der Eurogruppe veröffentlicht. Die gute Nachricht sei, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten für das Jahr 2023 dank der hohen Resilienz der europäischen Volkswirtschaften im Angesicht des russischen Angriffskriegs und insbesondere der Energiekrise verbessert hätten und die Wirtschaft besser in das Jahr 2023 gestartet sei als erwartet. Eine Rezession der europäischen Wirtschaft im Winter 2022/23 könne voraussichtlich vermieden werden. Die Prognose für das diesjährige Wirtschaftswachstum im Euroraum würde auf 0,9 Prozent angehoben. Die Wachstumserwartung für 2024 bleibe für den Euroraum bei 1,5 Prozent. Der Höhepunkt der Inflation sei erreicht, es werde ein Rückgang der Inflationsrate auf 5,6 Prozent für den Euroraum in diesem Jahr erwartet. Die Unsicherheit sei weiterhin hoch. Chancen und Risiken für Wirtschafts- und Inflationsentwicklung seien aber ausgewogen. Mit Blick auf die Fiskalpolitik und Energieentlastungsmaßnahmen bedürfe es einer zielgenaueren Ausrichtung, um Inflationsdruck zu vermeiden.

    ECOFIN-Rat

    Die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren erneut Gegenstand des ECOFIN. Im Zentrum der Befassung standen die Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft und deren Umsetzungsstand.

    Die Europäische Kommission berichtete vom Gipfeltreffen der Europäischen Union (EU) und der Ukraine in Kiew am 3. Februar 2023 und fasste die Schwerpunkte der gemeinsamen Erklärung zusammen. Der Finanzierungsbedarf der Ukraine in diesem Jahr sei weiter hoch. Unter anderem wurden die weitere Unterstützung durch die EU sowie die Reformanstrengungen der Ukraine mit Blick auf einen EU-Beitritt besprochen. Es gab ein klares Plädoyer seitens aller Beteiligten für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit.

    Zum Stand der Umsetzung und der Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft (und auch auf Belarus) betonte die Europäische Kommission, dass die bis jetzt angenommenen Sanktionspakete beispiellos seien. Auch wenn der Rückgang der russischen Wirtschaftsleistung geringer als erwartet ausgefallen sei, könne man die Auswirkungen wie eine weitere Abwertung des Rubels, den Einbruch der Unternehmensgewinne oder auch einen Rückgang der privaten Investitionen und Exporte beobachten. Die hohen Energiepreise hätten zunächst abmildernd gewirkt, dieser Effekt würde nun jedoch schwächer. Man gehe davon aus, dass die russische Wirtschaft im Jahr 2023 weiter schrumpfen und der wirtschaftliche Gegenwind für viele Jahre bestehen bleiben würde.

    Auch erläuterte die Europäische Kommission weitere Details zum Stand der Sanktionen und hob folgende Punkte hervor: Erstens müssten der Informationsaustausch und die Berichterstattung verbessert werden. Zweitens müsse die Umgehung von Sanktionen effektiv verhindert werden. Drittens müsse der Umgang mit eingefrorenen russischen Vermögenswerten erörtert werden.

    In der sich anschließenden Aussprache betonten die wortnehmenden Mitgliedstaaten die Wirkung der Sanktionen. Einige Mitgliedstaaten hoben hervor, dass man Umgehungsmöglichkeiten minimieren müsse. Ferner betonte eine Gruppe von Mitgliedstaaten, dass das 10. Sanktionspaket zügig verabschiedet werden solle. Man müsse den Druck weiter erhöhen. Auch erklärten einige Mitgliedstaaten, es sei eine Frage der Gerechtigkeit, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zum Wiederaufbau und für Entschädigungszahlungen an die Ukraine zu nutzen.

    Nach einem ersten Gedankenaustausch zur Mitteilung der Kommission zum Economic Governance Review im Dezember 2022 wurde die Diskussion auf politischer Ebene fortgesetzt. Ziel der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft war es, erste mögliche Konvergenzlinien zu einzelnen Elementen des Reformvorschlags herauszuarbeiten.

    Die Europäische Kommission sprach sich für eine zeitige Einigung aus, da die allgemeine Ausweichklausel voraussichtlich für 2024 deaktiviert werde. Hinsichtlich des Makroökonomischen Ungleichgewichteverfahrens erläuterte sie, dass sich die Kommissionsüberlegungen innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens bewegten.

    Bundesfinanzminister Christian Lindner verwies darauf, dass einige Teile der Reformideen der Kommission noch vage seien und daher weiterer Informationsbedarf bestehe. Die Bundesregierung sei zu einer konstruktiven Diskussion bereit, um einen Kompromiss für ein geeignetes fiskalisches Rahmenwerk zu finden. Die Kommissionsüberlegungen enthielten einige gute Elemente, er habe aber auch einige schwere Bedenken bezüglich einiger anderer Aspekte. Es bedürfe glaubwürdiger Fiskalregeln zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung sowie Investitionen, insbesondere in die grüne Transformation. Gleichzeitig müsse die Schuldentragfähigkeit durch eine effektive Überwachung in einem gemeinsamen, transparenten Rahmen gewährleistet werden. Schuldenstands- und Defizitquoten seien in mehreren Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, erhöht.

    Die gemeinsamen Fiskalregeln müssten einen realistischen und ausreichenden schrittweisen Abbau von Defiziten über die gesamte Anpassungsphase hinweg gewährleisten, dabei aber gleichzeitig notwendige Investitionen erlauben. Es würden finanzielle Puffer in allen Mitgliedstaaten benötigt, auch mit Blick auf die Reaktion der Finanzmärkte.

    Zur Sicherung solider öffentlicher Finanzen in den Mitgliedstaaten und einer weiterhin stabilen Union seien folgende Aspekte unerlässlich:

    Das Verfahren bei übermäßigen Defiziten sei ein zentraler Bestandteil des Fiskalregelwerks. Entsprechend den Kommissionsvorschlägen müssten die Abläufe für die Eröffnung von Defizitverfahren bei Überschreitung der Defizitquote von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unverändert bleiben. Wenn Mitgliedstaaten diesen Wert zu Beginn der Anpassungsphase überschritten, müsse sofort die Eröffnung des Defizitverfahrens erfolgen, ohne Berücksichtigung sogenannter relevanter Faktoren.

    Es müsse sichergestellt werden, dass ein aussagekräftiger multilateraler Austausch möglich bleibe, auch um die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Damit die fiskalischen Anforderungen klar seien, bevor Mitgliedstaaten ihren Plan erstellten, seien für alle gleichermaßen geltende numerische Bezugsgrößen erforderlich. Bei notwendigen fiskalischen Anpassungen müsse ein ausreichender Abbau der Defizitquoten von Beginn der Anpassungsperiode an sichergestellt werden, um ein Backloading, also stark verzögerte Anpassungen, zu vermeiden und eine ausreichende Reduzierung der Schuldenstandsquoten zu erreichen. Das Ziel gemeinsamer Bezugsgrößen diene auch der besseren Glaubwürdigkeit und Durchsetzbarkeit des Rahmenwerks. Mit Blick auf numerische Bezugsgrößen könne man sich auf einen stärkeren Fokus auf die Ausgabenregel einigen, aber mit einem klar definierten Anker. Deutschland halte den strukturellen Saldo für weiterhin gut geeignet, alternativ sei auch die Schuldenstandsquote denkbar. Die Umsetzbarkeit für föderale Staaten müsse dadurch gesichert werden, dass alle fiskalischen Anforderungen in Zielwerte für die strukturellen Salden übersetzt würden.

    Deutschland habe ernste Bedenken gegenüber einer starken Rolle der Schuldentragfähigkeitsanalyse (DSA). Diese könne ein hilfreiches Instrument bei der Bewertung von Tragfähigkeitsrisiken sein, aber man müsse sich dessen bewusst sein, dass diese Methode stark von den Annahmen über künftige Entwicklungen abhänge. Daher sei der Versuch politischer Einflussnahme zu befürchten, sobald die DSA für die tatsächliche Finanzpolitik relevant werde. Es sei im Vornherein unklar, wie die Fiskalziele nach der Einführung der neuen Regeln aussähen, wenn diese auf Basis von DSA-Ergebnissen ermittelt würden. Dies stehe im Widerspruch zu einem transparenten und regelbasierten Verfahren. Aus deutscher Sicht sollten DSA daher nur eine ergänzende Rolle zu einheitlichen Bezugsgrößen spielen.

    Das fiskalische Regelwerk solle ein regelbasiertes System mit begrenztem diskretionärem Spielraum bei den Regeln und Methoden sein. Weitere Elemente zur Verbesserung der Anreize für die Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Regeln und weniger Diskretion für die Kommission seien erforderlich. Der Bundesfinanzminister stellte fest, dass die Reform auch den Fiskalvertrag angemessen berücksichtigen müsse.

    Zum Verhältnis von länderspezifischen fiskalischen Anpassungen und einer multilateralen Überwachung anhand einheitlicher EU-Fiskalregeln und Bezugsgrößen betonte eine Gruppe von Mitgliedstaaten die Bedeutung stärkerer nationaler Verantwortung aufgrund der individuell formulierten Fiskalpläne. Einige von ihnen forderten eine Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten, andere hielten die Vorgaben für Länder mit niedrigen Schuldentragfähigkeitsrisiken für zu gering. Einige Mitgliedstaaten stimmten Deutschland zu, dass der Ermessensspielraum beschränkt sein müsse, auch für die Kommission. Neben Deutschland forderten weitere Mitgliedstaaten, am bestehenden Defizitverfahren festzuhalten.

    Die Mitgliedstaaten unterstützten grundsätzlich den Fokus auf mehrjährige fiskalische Pläne. Viele von ihnen ergänzten, dass dabei eine Verschiebung der fiskalischen Anpassungen an das Ende des Planungszeitraums verhindert werden müsse. Außerdem forderten einige Mitgliedstaaten, dass es trotz der mehrjährigen Pläne eine jährliche Überwachung geben müsse. Viele von ihnen sprachen sich für die Möglichkeit von Anpassungen der Pläne aus, insbesondere aufgrund von nationalen Wahlen beziehungsweise neuen Regierungen.

    Neben Deutschland äußerten sich weitere Mitgliedstaaten skeptisch gegenüber der DSA – insbesondere aufgrund ihrer Sensibilität gegenüber bestimmten ökonomischen Annahmen. Außerdem sprachen sich neben Deutschland auch andere Mitgliedstaaten für gemeinsame Bezugsgrößen aus. Viele von ihnen unterstützten die Unterscheidung von Risikokategorien (überwiegend mit expliziter Unterstützung für die DSA).

    Die schwedische Präsidentschaft schlussfolgerte, dass man in der Lage sei, gemeinsam voranzuschreiten. Es gebe aber noch viel zu tun. Die geltenden Referenzwerte von 3 Prozent für das Defizit und 60 Prozent für den Schuldenstand, jeweils im Verhältnis zum BIP, sollten bestehen bleiben. Die schwedische Präsidentschaft strebe an, beim ECOFIN am 14. März 2023 Ratsschlussfolgerungen zu den grundlegenden Prinzipien zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu verabschieden. Deutschland sowie mehrere andere Mitgliedstaaten wiesen auf weiteren Klärungs- und Diskussionsbedarf hin.

    Auch nahm der ECOFIN den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung des Durchführungsbeschlusses für den deutschen Aufbau- und Resilienzplan ohne Aussprache an. Die Europäische Kommission führte aus, dass Deutschland diese Änderungen beantragt habe, da drei Meilensteine aufgrund objektiver Umstände nicht länger erreichbar seien. Die Änderungen beträfen zwei Maßnahmen: zum einen die Digitalisierung der Schiene und zum anderen die Corona-Impfstoffforschung und -entwicklung. Der deutsche Sitzungsvertreter bedankte sich bei der Europäischen Kommission für die positive Bewertung.

    Zur Vorbereitung des ersten G20-Treffens der Finanzministerinnen und Finanzminister und Zentralbankgouverneurinnen und Zentralbankgouverneure am 24. und 25. Februar 2023 unter indischem Vorsitz in Bengaluru, Indien, wurde das EU-Verhandlungsmandat gebilligt. Die schwedische Ratspräsidentschaft hob die hohe Verschuldung einiger Volkswirtschaften sowie deren Unterstützung als besondere Herausforderung hervor.

    Die Schlussfolgerungen zur Überarbeitung der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke wurden gebilligt.

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