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    Er­geb­nis­se der Steu­er­schät­zung vom 25. bis 27. Ok­to­ber 2022

    • Vor dem Hintergrund der kräftigen Aufkommensentwicklung in den ersten drei Quartalen dieses Jahres fallen die erwarteten Steuereinnahmen besser aus als noch im Mai angenommen. Im Vergleich zum Ergebnis vom Mai 2022 wurden die Schätzansätze für das gesamtstaatliche Steueraufkommen für die Jahre 2022 bis 2026 durchschnittlich um rund 25 Mrd. Euro p. a. erhöht.
    • Die fiskalischen Auswirkungen der angesichts der deutlich gestiegenen Energiepreise beschlossenen umfangreichen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen sind allerdings teilweise noch nicht in den Schätzergebnissen enthalten, da die Steuerschätzung vom zum Schätzzeitpunkt geltenden Steuerrecht ausgeht. Insbesondere der mit dem Inflationsausgleichsgesetz geplante Ausgleich der kalten Progression ist noch nicht enthalten.
    • Der Staat ist kein „Inflationsgewinner“. Die durch die kalte Progression verursachten Mehreinnahmen bei Lohn- und Einkommensteuer werden den Bürgerinnen und Bürgern mit dem Inflationsausgleichsgesetz zurückgegeben. Hohe Einnahmezuwächse bei der Umsatzsteuer im 1. Halbjahr 2022 stehen nicht im Zusammenhang mit der Inflation.

    Vom 25. bis 27. Oktober 2022 fand die 163. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ statt. Vorausgeschätzt wurden die Steuereinnahmen für die Jahre 2022 bis 2027.

    Der unabhängige Arbeitskreis „Steuerschätzungen“
    erstellt in Deutschland die Vorausschätzung für die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden. Dem seit 1955 bestehenden Gremium gehören Expertinnen und Experten der 16 Länder, von fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstituten (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ifo Institut, Institut für Weltwirtschaft, RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung, Institut für Wirtschaftsforschung Halle), des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Deutschen Bundesbank, des Statistischen Bundesamts, des Deutschen Städtetags, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des BMF, welches den Vorsitz führt, an. In der Regel finden zwei Sitzungen im Jahr statt: im Frühjahr und im Herbst. Auf der Grundlage der Schätzvorschläge verschiedener im Arbeitskreis vertretener Institutionen werden einvernehmlich Vorausschätzungen für jede einzelne Steuerart erstellt.

    Berücksichtigte Steuerrechtsänderungen

    Die Steuerschätzung geht vom geltenden Steuerrecht aus. In Tabelle 1 sind die finanziellen Auswirkungen von Gesetzen und sonstigen Regelungen enthalten, die gegenüber der vorangegangenen Schätzung vom Mai 2022 neu einzubeziehen waren.

    Auswirkungen der neu in die Steuerschätzung einbezogenen Rechtsänderungen

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    Tabelle 1

    Die neu einbezogenen Rechtsänderungen sind im Einzelnen in der Anlage 2 zur Pressemitteilung des BMF Nr. 25/2022 vom 27. Oktober 2022 aufgeführt.1

    Umfangreiche – angesichts der deutlich gestiegenen Energiepreise – vom Bundeskabinett beschlossene steuerliche Entlastungsmaßnahmen befanden sich zum Zeitpunkt der Schätzung noch im Gesetzgebungsverfahren. Deren fiskalische Auswirkungen wurden daher nicht in die Steuerschätzung einbezogen (s. a. Tabelle 2).

    Auswirkungen von nicht in die Steuerschätzung einbezogenen, zum Zeitpunkt der Schätzung noch laufenden Gesetzgebungsvorhaben

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    Tabelle 2

    Gesamtwirtschaftliche Annahmen

    Der Steuerschätzung wurden die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion 2022 der Bundesregierung zugrunde gelegt.

    Aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, vor allem des Stopps russischer Gaslieferungen nach Deutschland und der in der Folge noch einmal massiv gestiegenen Energiepreise, haben sich die gesamtwirtschaftlichen Aussichten gegenüber den Annahmen in der Frühjahrsprojektion 2022, die der Steuerschätzung im Mai zugrunde lag, deutlich eingetrübt. Insbesondere der private Konsum wird in preisbereinigter Rechnung durch die mit den Preisanstiegen verbundenen Kaufkraftverluste deutlich gedämpft, auch die Industrieproduktion ist negativ betroffen. Im Winterhalbjahr 2022/23 wird daher von einem leicht rückläufigen realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und damit einer technischen Rezession ausgegangen, sodass im Jahr 2023 insgesamt ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Aktivität erwartet wird.

    Im Gegensatz zu den deutlich ungünstigeren Erwartungen bezüglich der Entwicklung des preisbereinigten BIP dürften sich allerdings die für die Steuerschätzung maßgeblichen nominalen Bezugsgrößen, wie das nominale BIP, die Bruttolöhne und -gehälter und die Unternehmens- und Vermögenseinkommen besser entwickeln als noch im Frühjahr projiziert. So dürften die Preissteigerungen insgesamt infolge der durch den russischen Gaslieferstopp bedingten weiteren Energiepreisanstiege noch einmal stärker ausfallen als in der Frühjahrsprojektion angenommen. Zudem hat das Statistische Bundesamt bei der turnusmäßigen Überarbeitung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im August das Niveau der einschlägigen Bezugsgrößen, wie das BIP, für die vergangenen Jahre nach oben revidiert, sodass auf einem höheren Ausgangsniveau als im Frühjahr aufgesetzt wird. Für das Jahr 2024 wird in der Herbstprojektion davon ausgegangen, dass sich die Wirtschaft wieder erholt und auf den Wachstumspfad zurückkehrt. In den Jahren 2025 und 2026 wird von einer ähnlichen Dynamik ausgegangen wie in der Frühjahrsprojektion angenommen (2027 wird erstmals vorausgeschätzt).

    Insgesamt ergibt sich so für den gesamten Schätzzeitraum ein Niveau der für die Steuerschätzung relevanten gesamtwirtschaftlichen nominalen Bemessungsgrundlagen und Fortschreibungsgrößen etwas oberhalb der Annahmen aus der Mai-Steuerschätzung (außer den Unternehmens- und Vermögenseinkommen, die in den Jahren 2023 und 2024 leicht niedriger liegen).

    Gesamtwirtschaftliche Vorgaben für die Steuerschätzung November 2022 im Vergleich zur vorangegangenen Steuerschätzung

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    Tabelle 3

    Schätzergebnisse

    Entwicklung der Einnahmen im Schätzzeitraum

    Die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen steigen im Schätzzeitraum bis zum Jahr 2027 nach dem Ergebnis der Schätzung auf 1.114,8 Mrd. Euro an (s. a. Tabelle 4).2 Ausgehend vom vergangenen Ist-Jahr 2021 mit einem Aufkommen von 833,2 Mrd. Euro bedeutet dies einen Zuwachs im Schätzzeitraum um durchschnittlich 5,0 Prozent pro Jahr.

    Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Gebietskörperschaften

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    Tabelle 4

    Entwicklung der Steuereinnahmen nach Gebietskörperschaften

    Die Gebietskörperschaften partizipieren in unterschiedlichem Ausmaß am erwarteten Anstieg der Steuereinnahmen. In den Jahren 2022 und 2023 werden die Steuereinnahmen des Bundes im Verhältnis zu den Steuereinnahmen insgesamt gemäß Schätzergebnis stärker zunehmen (s. a. Abbildung 1). Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Steuereinnahmen des Bundes aufgrund der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020 sowie der zeitweiligen Übertragung von Anteilen vom Umsatzsteueraufkommen (sogenannte Festbeträge) an Länder und Gemeinden im Rahmen der steuerlichen Maßnahmen zur Dämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 erheblich schwächer entwickelt hatten als die Steuereinnahmen insgesamt und die Anteile von Ländern und Gemeinden. Weiterhin profitiert der Bund aufgrund des höheren Anteils am Umsatzsteueraufkommen in stärkerem Ausmaß von dem im Jahr 2022 erwarteten kräftigen Wachstum der Einnahmen aus den Steuern vom Umsatz. Dagegen legen die Steuereinnahmen der Länder und insbesondere der Gemeinden in den Jahren 2022 und 2023 voraussichtlich etwas schwächer zu als die Steuereinnahmen insgesamt.

    Diese Unterschiede in der erwarteten Einnahmeentwicklung werden vor allem durch Veränderungen in der Aufteilung des Aufkommens der Steuern vom Umsatz verursacht. In diesen Jahren verringern sich die vom Bund im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs an Länder und Gemeinden zu übertragenden Festbeträge gegenüber den Vorjahren, nachdem diese infolge der oben genannten steuerlichen Maßnahmen in Verbindung mit der Corona-Pandemie stark erhöht gewesen waren. Allerdings kann der Bund – ausgehend vom Vorpandemiejahr 2019 – die günstige Einnahmeentwicklung bei Ländern und Gemeinden seitdem nicht mehr aufholen und bleibt bis zum Ende des Schätzzeitraums unterhalb des Zuwachses von Ländern und Gemeinden.

    In den Jahren 2024 bis 2027 wird für Bund und Länder - ausgehend von den im Jahr 2023 erreichten unterschiedlichen Niveaus – eine weitgehend ähnliche Wachstumsdynamik wie für die Steuereinnahmen insgesamt erwartet. Die Steuereinnahmen der Gemeinden werden voraussichtlich vor allem aufgrund der erwarteten kräftigen Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens im gleichen Zeitraum etwas dynamischer als die Steuereinnahmen insgesamt wachsen.

    Der Anteil der Einnahmen des Bundes an den gesamten Steuereinnahmen liegt im Durchschnitt der Schätzjahre 2022 bis 2027 bei rund 39 Prozent (Länder rund 42 Prozent; Gemeinden rund 15 Prozent; EU rund 4 Prozent) und bleibt damit unter dem Anteil im letzten Jahr vor der Corona-Krise 2019 (rund 41 Prozent).

    An den Mehreinnahmen im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung im Zeitraum 2022 bis 2026 partizipieren der Bund mit rund 38 Prozent, die Länder mit rund 34 Prozent und die Gemeinden mit rund 32 Prozent, während die Abführungen an die Europäische Union zurückgehen (um rund 3 Prozent bezogen auf die Mehreinnahmen). Die noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungen (s. a. Tabelle 2) haben erhebliche Mindereinnahmen zur Folge, die den Bund mit einem Anteil von rund 49 Prozent (Länder rund 36 Prozent; Gemeinden rund 14 Prozent) überproportional belasten.

    Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden seit 2019

    Index, Basis 2019 = 100

    Das Diagramm zeigt anhand von vier Linien die Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Schätzzeitraum von 2020 bis 2027.
    Es werden Indexwerte angegeben. Das Jahr 2019 stellt den Basiswert von 100 dar.Datenwerte:2020: Steuereinnahmen insgesamt: 92,5; Bund: 86,0; Länder: 97,5; Gemeinden: 93,6
    2021: Steuereinnahmen insgesamt: 104,2; Bund: 95,3; Länder: 109,4; Gemeinden: 109,9
    2022: Steuereinnahmen insgesamt: 111,1; Bund: 102,7; Länder: 116,5; Gemeinden: 115,3
    2023: Steuereinnahmen insgesamt: 117,3; Bund: 112,4; Länder: 119,4; Gemeinden: 121,8
    2024: Steuereinnahmen insgesamt: 124,2; Bund: 118,6; Länder: 126,9; Gemeinden: 128,7
    2025: Steuereinnahmen insgesamt: 130,3; Bund: 124,6; Länder: 132,8; Gemeinden: 136,1
    2026: Steuereinnahmen insgesamt: 134,9; Bund: 128,9; Länder: 137,5; Gemeinden: 141,6
    2027: Steuereinnahmen insgesamt: 139,5; Bund: 133,2; Länder: 142,3; Gemeinden: 146,7Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“
    Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“
    nullSteuereinnahmen insgesamtBundLänderGemeinden
    2019100100100100
    202092,586,097,593,6
    2021104,295,3109,4109,9
    2022111,1102,7116,5115,3
    2023117,3112,4119,4121,8
    2024124,2118,6126,9128,7
    2025130,3124,6132,8136,1
    2026134,9128,9137,5141,6
    2027139,5133,2142,3146,7
    Abbildung 1

    Entwicklung der Steuerquote

    Die Steuereinnahmen insgesamt stiegen im Jahr 2021 mit 12,6 Prozent sehr kräftig – auch kräftiger als das nominale BIP (+5,8 Prozent). Damit stieg die Steuerquote wieder deutlich an, nachdem sie im Jahr 2020 aufgrund der wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie und der in der Folge ergriffenen steuerlichen Maßnahmen merklich zurückgegangen war. Mit 23,13 Prozent lag sie im Jahr 2021 leicht höher als vor der Pandemie im Jahr 2019 (23,01 Prozent). Für 2022 wird – ohne Berücksichtigung der noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungen (s. o.) – ein Rückgang der Steuerquote auf 23,02 Prozent erwartet. Im weiteren Verlauf des Schätzzeitraums findet voraussichtlich ein sukzessiver Anstieg bis auf 24,20 Prozent im Jahr 2027 statt. Durch die Nichtberücksichtigung der noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungen wird die auf Basis der November-Schätzung erwartete Entwicklung der Steuerquoten in den Jahren ab 2022 allerdings überzeichnet. Bei Einbeziehung der Auswirkungen aus den im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungen würde die Steuerquote im Jahr 2027 hingegen 23,41 Prozent betragen.

    Aufkommensentwicklung einzelner Steuerarten

    Grundsätzlich wird die erwartete Entwicklung des Steueraufkommens im Schätzzeitraum von der erwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bestimmt. Der Zusammenhang der unterschiedlichen Steuerarten mit der Konjunkturentwicklung beziehungsweise mit bestimmten volkswirtschaftlichen Kenngrößen ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Neben der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung haben in den vergangenen beiden Jahren insbesondere die umfangreichen steuerlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise die Einnahmeentwicklung beeinflusst. In den Jahren 2022 bis 2024 verringern die angesichts der stark gestiegenen Preise bereits beschlossenen Entlastungsmaßnahmen das Aufkommen einiger Steuerarten erheblich. All dies spiegelt sich auch in den Erwartungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für einige aufkommensstarke Steuerarten im Vergleich zur Entwicklung des nominalen BIP und der Steuern insgesamt wider (s. a. Tabelle 5).

    Entwicklung der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten und des nominalen BIP

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    Tabelle 5

    Lohnsteuer

    Das Aufkommen der Lohnsteuer wird im Jahr 2022 voraussichtlich nur um 3,4 Prozent wachsen. Die Auswirkungen des Steuerentlastungsgesetzes 2022 (Energiepreispauschale, Tarifanpassung, Erhöhung Arbeitnehmerpauschale sowie Kinderbonus) mindern das Aufkommen in diesem Jahr um circa 13,7 Mrd. Euro. Die einmalige Minderung des Aufkommens 2022 durch die Energiepreispauschale trägt auch dazu bei, dass die Zuwachsrate im Jahr 2023 – ausgehend von der niedrigen Basis – mit 14,4 Prozent sehr hoch ausfällt. Zudem werden für die Jahre 2022 bis 2024 angesichts der starken Teuerung relativ hohe Zuwächse der Bruttolohn- und -gehaltssumme erwartet. Dies führt voraussichtlich auch 2024 noch zu einem vergleichsweise hohen Zuwachs des Lohnsteueraufkommens um 9,0 Prozent. In den übrigen Jahren des Schätzzeitraums fallen die geschätzten Zuwächse dann wieder geringer aus.

    Bei der Lohnsteuer ist zu berücksichtigen, dass die zu erwartenden beträchtlichen Mindereinnahmen aus dem Inflationsausgleichsgesetz und dem Jahressteuergesetz 2022 bei der Steuerschätzung noch nicht einbezogen worden sind.

    Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer

    Für die gewinnabhängigen Steuern werden in diesem Jahr – trotz der für das Winterhalbjahr unterstellten Rezession und einer sehr starken Vorjahresbasis – weitere Einnahmezuwächse erwartet. Während sich die kräftigen Einnahmezuwächse bei der veranlagten Einkommensteuer voraussichtlich in den folgenden Schätzjahren fortsetzen, wird für die Körperschaftsteuer im Jahr 2023 – ausgehend von dem 2022 erreichten hohen Niveau – ein etwas schwächerer Einnahmezuwachs erwartet, der aufgrund der für 2023 angenommenen Zunahme der an körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen auszuzahlenden Forschungszulage kassenmäßig zu einem leichten Rückgang der Einnahmen um 0,6 Prozent führt. Ab dem Jahr 2024 steigen dann die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer wieder an. Für die den Gemeinden zufließende Gewerbesteuer wird in diesem Jahr eine zweistellige Zuwachsrate erwartet (+10,1 Prozent). Nach einem – analog zur unterstellen Entwicklung der Körperschaftsteuer – abgeschwächten Zuwachs im Jahr 2023 wird in den Folgejahren das Aufkommen voraussichtlich parallel mit dem Aufkommen von veranlagter Einkommensteuer und Körperschaftsteuer wachsen.

    Wie bei der Lohnsteuer wurden auch bei der veranlagten Einkommensteuer die zu erwartenden beträchtlichen Mindereinnahmen aus dem Inflationsausgleichsgesetz und dem Jahressteuergesetz 2022 bei der Steuerschätzung noch nicht einbezogen.

    Steuern vom Umsatz

    Der für das Jahr 2022 bei den Steuern vom Umsatz erwartete Einnahmeanstieg um 13,0 Prozent ist zum überwiegenden Teil nicht – wie in den Medien häufiger dargestellt – auf die hohe Inflation zurückzuführen. Der starke Anstieg liegt vielmehr in der schwachen Vorjahresbasis begründet. In den ersten Monaten des Jahres 2021 waren zum einen noch Einnahmeausfälle aufgrund von Steuerrechtsänderungen (Verschiebung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer und Steuersatzsenkung im 2. Halbjahr 2020) in Höhe von circa 14 Mrd. Euro zu verzeichnen. Wird die Vergleichsbasis um diesen Betrag erhöht, beträgt der Zuwachs im Gesamtjahr 2022 nur noch circa 7 Prozent. Zum anderen war die Vorjahresbasis im 1. Halbjahr auch noch durch die Auswirkungen der Corona-Krise beeinträchtigt (insbesondere durch den Lockdown).

    Zwar würde höhere Inflation für sich genommen zu Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer führen. Allerdings reagieren Verbraucherinnen und Verbraucher durch Wechsel zu günstigeren Produkten und auch mit Konsumverzicht. Die hohe Unsicherheit hat das Konsumklima bereits deutlich eingetrübt. Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ erwartet daher für die Steuern vom Umsatz für die verbleibenden Monate des Jahres, d. h. für das 4. Quartal 2022, nur noch eine Zuwachsrate von 3,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

    In der Herbstprojektion wird mit einem Rückgang des privaten Konsums in realer Rechnung im kommenden Jahr gerechnet, was für sich genommen dämpfend auf die Entwicklung der Umsatzsteuer wirkt. Zudem mindern die in die Steuerschätzung einbezogenen steuerrechtlichen Entlastungen (Steuersatzsenkung auf Gas und Wärme sowie die Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Gastronomie) das Aufkommen, sodass die Einnahmen aus den Steuern vom Umsatz im nächsten Jahr voraussichtlich nur um 2,3 Prozent zunehmen werden. Ab dem Jahr 2024 wird dann wieder mit einer kräftigeren Aufkommensentwicklung gerechnet.

    Energiesteuer

    Die Energiesteuersatzsenkung für Kraftstoffe in den Monaten Juni bis August 2022 hat das Aufkommen aus der Energiesteuer erheblich gemindert. Insgesamt erwartet der Arbeitskreis daher einen Einnahmerückgang im Jahr 2022 um 8,1 Prozent. Aufgrund der stark gestiegenen Preise für Energieträger, die sich bei Verbraucherinnen und Verbrauchern vielfach erst sukzessive zeigen, ist mit erheblichen Verbrauchseinschränkungen ab dem Jahr 2023 zu rechnen. Der für das Jahr 2023 erwartete Zuwachs der Einnahmen um 8,4 Prozent resultiert allein aus der durch die Steuersenkung reduzierten Vorjahresbasis. Aufgrund der unterstellten Reduktion des Verbrauchs fossiler Brennstoffe werden in den Folgejahren wieder Einnahmerückgänge erwartet.

    Vergleich mit der vorangegangenen Schätzung vom Mai 2022

    Abweichungen der Steuereinnahmen insgesamt und der Einnahmen der Gebietskörperschaften

    Im Vergleich zum Ergebnis der Mai-Steuerschätzung ergibt sich insbesondere für die Jahre ab 2024 ein deutlich höheres erwartetes Aufkommen (s. a. Abbildung 2). Dies ist zum einen auf die kräftige Ausgangsbasis aus den laufenden Steuereinnahmen zurückzuführen. Zudem wurden die nominalen gesamtwirtschaftlichen Eckwerte und Bemessungsgrundlagen für die Ist-Jahre nach oben revidiert, sodass die Projektionsjahre ebenfalls auf einem höheren Niveau als noch im Frühjahr angenommen liegen.

    Gegenüber der Mai-Schätzung wurden in die aktuelle Prognose steuerrechtliche Änderungen des laufenden Jahres einbezogen, insbesondere die damals noch nicht rechtskräftigen Maßnahmen aus den ersten beiden Entlastungspaketen. Die finanziellen Auswirkungen dieser Änderungen mindern das erwartete Aufkommen insbesondere in diesem und im kommenden Jahr deutlich.

    Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich einige der vom Bundeskabinett beschlossenen umfangreichen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen (drittes Entlastungspaket) noch im Gesetzgebungsverfahren befinden und daher nicht in der Steuerschätzung berücksichtigt wurden. Deren Umsetzung wird die Steuereinnahmen in den Jahren ab 2023 gegenüber den vorgelegten Ergebnissen erheblich mindern. Diese Mindereinnahmen sind entsprechend im Bundeshaushalt zu berücksichtigen. Die gegenüber der Mai-Steuerschätzung erwarteten Mehreinnahmen (in den Jahren 2022 bis 2026 kumuliert 126,5 Mrd. Euro) werden durch die noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Rechtsänderungen (geschätzte Auswirkungen mit Stand 27. Oktober 2022: in den Jahren 2022 bis 2026 kumuliert -122,8 Mrd. Euro) nahezu egalisiert.

    Abweichung des Ergebnisses der Steuerschätzung November 2022 vom Ergebnis der Steuerschätzung Mai 2022 BildVergroessern
    Abbildung 2

    Abweichungen nach Steuerarten

    Die Abweichungen im Schätzansatz November 2022 gegenüber dem Ansatz vom Mai 2022 lassen sich bei den einzelnen Steuerarten maßgeblich auf geänderte Erwartungen zur weiteren Einnahmeentwicklung aufgrund der bisherigen Kassenentwicklung zurückführen. Bei einigen Steuerarten wurde allerdings das Aufkommen beträchtlich durch die Auswirkungen der neu in die Steuerschätzung einbezogenen Steuerrechtsänderungen gemindert.

    Dies betrifft insbesondere die Lohnsteuer, bei der die mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 beschlossenen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen (Energiepreispauschale, Absenkung Grundfreibetrag, Erhöhung der Arbeitnehmerpauschale und Kinderbonus) im Jahr 2022 die grundsätzlich erwarteten Mehreinnahmen deutlich übersteigen und im Saldo zu einer Absenkung der Einnahmeerwartungen gegenüber der Mai-Steuerschätzung um über 10 Mrd. Euro geführt haben. In den Jahren ab 2023 werden hier dann wiederum hohe Mehreinnahmen erwartet. Dies berücksichtigt jedoch nicht die mit den noch nicht in die Steuerschätzung einbezogenen Maßnahmen (Inflationsausgleichsgesetz und Jahressteuergesetz 2022) einhergehenden Steuermindereinnahmen. Die hieraus resultierenden Mindereinnahmen werden voraussichtlich die in den Jahren 2023 bis 2026 in der aktuellen Steuerschätzung erwarteten Mehreinnahmen gegenüber der Mai-Steuerschätzung (kumuliert rund 67 Mrd. Euro) weit übersteigen (gemäß Stand 27. Oktober 2022 um rund 28 Mrd. Euro).

    Bei den Steuern vom Umsatz mindern die Auswirkungen des in die Schätzung einbezogenen Gesetzes zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz die Mehreinnahmen in den Jahren 2022 bis 2024. Im Jahr 2023 werden hierdurch sogar – saldiert mit den ohne dieses Gesetz erwarteten Mehreinnahmen – Mindereinnahmen in Höhe von 6 Mrd. Euro gegenüber der Mai-Steuerschätzung erwartet. Die Einnahmeausfälle aufgrund der temporären Absenkung der Energiesteuersätze in den Monaten Juni bis August (Energiesteuersenkungsgesetz) führten zu einer Rücknahme der Einnahmeerwartungen bei der Energiesteuer für das Jahr 2022 gegenüber der Mai-Steuerschätzung um über 3 Mrd. Euro.

    Eine Übersicht zu den Abweichungen bei den wichtigsten Steuerarten bietet Tabelle 6.

    Abweichungen des Ergebnisses der Steuerschätzung November 2022 vom Ergebnis der Steuerschätzung Mai 2022 nach Steuerarten

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    Tabelle 6

    Fazit

    Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ erwartet in den Jahren 2022 bis 2027 – trotz prognostizierter Rezession für das kommende Winterhalbjahr – weiter ansteigende Steuereinnahmen. Diese Erwartungen werden getragen von einer soliden Ausgangsbasis mit einem robusten Arbeitsmarkt und in der Summe weiter steigenden Unternehmensgewinnen. Die gemäß Herbstprojektion unterstellte wieder einsetzende konjunkturelle Erholung ab dem 2. Quartal 2023 wirkt sich entsprechend positiv auch auf die weitere Entwicklung der Steuereinnahmen aus.

    Allerdings sind die Ergebnisse der Steuerschätzung sowie die ihr zugrunde liegende Herbstprojektion mit hoher Unsicherheit behaftet. Aufgrund der geopolitisch schwierigen Lage bestehen Abwärtsrisiken hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf das Steueraufkommen.

    Zudem geht die Steuerschätzung grundsätzlich vom geltenden Recht aus. Daher wurden einige derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Steuerrechtsänderungen – insbesondere das Inflationsausgleichsgesetz – bei der Schätzung noch nicht berücksichtigt. Hieraus werden beträchtliche Mindereinnahmen resultieren, die entsprechend im Bundeshaushalt zu berücksichtigen sind.

    Unter Berücksichtigung der noch nicht in die Steuerschätzung einbezogenen Entlastungsmaßnahmen ergeben sich aus der aktuellen Steuerschätzung keine finanziellen Spielräume für neue Vorhaben. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die verfassungsgemäß gebotene Einhaltung der Regelobergrenze der Schuldenbremse.

    Der Staat ist kein „Inflationsgewinner“ – wie oft unterstellt. Die durch die kalte Progression verursachten Mehreinnahmen bei Lohn- und Einkommensteuer werden den Bürgerinnen und Bürgern mit dem Inflationsausgleichsgesetz zurückgegeben. Die angeblichen Inflationsgewinne bei der Umsatzsteuer im Jahr 2022 sind nicht entstanden: Durchweg hohe Einnahmezuwächse gab es lediglich im 1. Halbjahr. Grund hierfür war aber nicht die hohe Inflation, sondern die – infolge der Corona-Krise und der zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen – geminderte Vorjahresbasis.

    Fußnoten

    1
    Die Pressemitteilung ist hier zu finden.
    2
    Die ausführlichen Ergebnistabellen der 163. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ sind hier abrufbar.

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