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  • Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage

    Kre­dit­auf­nah­me des Bun­des und sei­ner Son­der­ver­mö­gen

    Die Kreditaufnahme des Bundes dient der Finanzierung des Bundeshaushalts und der Sondervermögen des Bundes. Sondervermögen werden unterschieden in Sondervermögen, die über den Bundeshaushalt oder andere Einnahmen mitfinanziert werden, und Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung: Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS), Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), Investitions- und Tilgungsfonds (ITF), Restrukturierungsfonds (RSF) und das Sondervermögen Bundeswehr (SV BW). Der RSF und das SV BW werden nachfolgend nicht mit aufgeführt, da zu den betrachteten Stichtagen keine Kreditaufnahmen vorgelegen haben. Die Kreditaufnahme für die Sondervermögen FMS und WSF dient dabei zum einen der Finanzierung von Aufwendungen für Stabilisierungsmaßnahmen gemäß § 9 Abs. 1 Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) oder der Rekapitalisierung von Unternehmen gemäß § 22 StFG. Zum anderen nimmt der Bund für FMS und WSF auch Kredite auf, die gemäß § 9 Abs. 5 und § 23 StFG als konditionsgleiche Darlehen an Anstalten des öffentlichen Rechts durchgeleitet werden. Die Aufnahme dieser Kredite über den Bund dient der Kostenersparnis durch die günstigeren Finanzierungskonditionen des Bundes.

    Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich

    • erst auf die gesamte Kreditaufnahme des Bundes,
    • dann auf die Kreditaufnahme beziehungsweise Verschuldung des Bundeshaushalts und der mitfinanzierten Sondervermögen sowie von FMS, WSF und ITF ohne Finanzierung von Darlehen für Anstalten des öffentlichen Rechts und
    • schließlich auf die Kreditaufnahme für FMS und WSF zur Finanzierung von an Anstalten des öffentlichen Rechts durchzuleitende Darlehen (im Folgenden „Darlehensfinanzierung“).

    Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes

    Der Bund hatte am 31. Dezember 2021 Kredite in Höhe von 1.438,4 Mrd. Euro aufgenommen. Dieser Bestand erhöhte sich zum 30. September 2022 auf 1.493,7 Mrd. Euro. Der Anstieg der Kreditaufnahme um 55,3 Mrd. Euro ging auf den Finanzierungsbedarf des Bundes für den Haushalt und die Sondervermögen einschließlich Darlehensfinanzierung zurück. Wie bereits in den Jahren 2020 und 2021 wird auch die Kreditaufnahme im Jahr 2022 im Vergleich zu früheren Jahren erhöht sein. Dies liegt u. a. daran, dass ein großer Teil des zusätzlichen pandemiebedingten Kreditbedarfs der Jahre 2020 und 2021 über Wertpapiere mit kurzen Laufzeiten finanziert wurde, die nunmehr fällig werden und refinanziert werden müssen. Der Bund beabsichtigt, das hohe ausstehende Volumen dieser kurzlaufenden Wertpapiere mittelfristig sukzessive abzubauen.

    Der Anstieg des Bestands der Kreditaufnahme gegenüber dem 31. Dezember 2021 resultierte aus neuen Aufnahmen im Volumen von 360,6 Mrd. Euro, denen Fälligkeiten im Volumen von 305,3 Mrd. Euro gegenüberstanden. Bis zum 30. September 2022 wurden für die Verzinsung aller auch in früheren Jahren aufgenommenen bestehenden Kredite saldiert 15,2 Mrd. Euro aufgewendet.

    Im September 2022 wurden 42,6 Mrd. Euro an Bundeswertpapieren emittiert. Der Schwerpunkt lag mit 37,0 Mrd. Euro bei den konventionellen Bundeswertpapieren. Sie verteilten sich auf 1,0 Mrd. Euro 30-jährige Bundesanleihen, 5,5 Mrd. Euro 10-jährige Bundesanleihen1, 8,0 Mrd. Euro Bundesobligationen, 5,5 Mrd. Euro Bundesschatzanweisungen und 17,0 Mrd. Euro Unverzinsliche Schatzanweisungen des Bundes. In inflationsindexierten Bundeswertpapieren wurden 0,6 Mrd. Euro, in Grünen Bundeswertpapieren wurden 5,0 Mrd. Euro begeben.

    Die Eigenbestände des Bundes an Bundeswertpapieren erhöhten sich im September 2022 um 0,8 Mrd. Euro auf 149,0 Mrd. Euro. Die Veränderung resultierte im Wesentlichen aus Sekundärmarktverkäufen in Höhe von 13,9 Mrd. Euro, denen Käufe in Höhe von 5,5 Mrd. Euro und die Erhöhung von Eigenbeständen durch bei Emission zurückbehaltene Emissionsanteile um 10,0 Mrd. Euro gegenüberstanden.

    Am 30. September 2022 entfielen 93,8 Prozent der Kreditaufnahmen auf die Kreditaufnahme des Bundes für Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung. Die restlichen 6,2 Prozent entfielen auf die Darlehensfinanzierung.

    Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung)

    Im September 2022 wurden für den Bund (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) 34,5 Mrd. Euro an Krediten aufgenommen. Gleichzeitig wurden 46,1 Mrd. Euro fällige Kredite getilgt. Für die Verzinsung der Kredite des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) ergab sich im September 2022 saldiert ein Einnahmeüberschuss von 0,1 Mrd. Euro.

    Am 30. September 2022 betrug der Bestand der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) insgesamt 1.401,5 Mrd. Euro. Damit erhöhte sich dieser gegenüber dem 31. Dezember 2021 um 53,6 Mrd. Euro. Mit 53,4 Mrd. Euro entfiel fast die gesamte Erhöhung im bisherigen Jahresverlauf auf den Bundeshaushalt, dessen Bestand auf 1.359,8 Mrd. Euro anstieg. Die Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung haben sich im bisherigen Jahresverlauf nur sehr geringfügig verändert, sodass sich per 30. September 2022 der Bestand der Kreditaufnahme für den ITF um 0,1 Mrd. Euro auf 16,2 Mrd. Euro, der Bestand der Kreditaufnahme des FMS für Kredite für Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 StFG um 0,1 Mrd. Euro auf 22,8 Mrd. Euro und der Bestand der Kreditaufnahme des WSF für Kredite für Rekapitalisierungsmaßnahmen gemäß § 22 StFG um 26 Mio. Euro auf 2,7 Mrd. Euro erhöht hat.

    Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes zur Darlehensfinanzierung

    Seit dem Jahr 2019 werden für den FMS Kredite zur Refinanzierung von an die FMS Wertmanagement (FMS-WM) durchzuleitende Darlehen gemäß § 9 Abs. 5 StFG aufgenommen. In ähnlicher Weise erfolgt seit dem Jahr 2020 eine Kreditaufnahme für den WSF zur Gewährung von Darlehen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Finanzierung von Krisenmaßnahmen gemäß § 23 StFG. Die Aufnahme dieser Kredite über den Bund dient der Kostenersparnis durch die günstigeren Finanzierungskonditionen des Bundes. Im September 2022 wurden für den FMS zu diesem Zweck keine neuen Kredite aufgenommen und keine Kredite fällig. Der Bestand von 55,0 Mrd. Euro am 31. Dezember 2021 erhöhte sich durch Veränderungen im bisherigen Jahresverlauf bis zum 30. September 2022 auf 60,0 Mrd. Euro. Zur Darlehensfinanzierung für den WSF wurden im September 2022 6,5 Mrd. Euro Kredite aufgenommen und 8,3 Mrd. Euro Kredite getilgt. Der Bestand von 35,4 Mrd. Euro am 31. Dezember 2021 verringerte sich im Jahresverlauf bis zum 30. September 2022 um insgesamt 3,3 Mrd. Euro auf 32,1 Mrd. Euro. Seit Jahresbeginn stieg der Bestand der Kredite zur Darlehensfinanzierung insgesamt auf 92,1 Mrd. Euro.

    Weitere Einzelheiten für den Monat September 2022 können folgenden Tabellen entnommen werden:

    • Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes,
    • Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung),
    • Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes zur Darlehensfinanzierung,
    • Entwicklung von Umlaufvolumen und Eigenbestände an Bundeswertpapieren.

    Im statistischen Anhang der Online-Version des Monatsberichts sind zusätzlich die drei erstgenannten Tabellen mit Daten für den bisherigen Jahresverlauf, die nach Restlaufzeitklassen gruppierte Kreditaufnahme des Bundes sowie die monatliche Historie zur Kreditaufnahme, dem Bedarf der Kreditaufnahme, Tilgungen und Zinsen für die Kreditaufnahme enthalten.

    Die Abbildung „Kreditaufnahme des Bundes – Bestand und laufendes Jahr“ zeigt die Verteilung der Kreditaufnahme auf die Finanzierungsinstrumente, sowohl für die bisherige Aufnahme im Jahr 2022 als auch für den gesamten Bestand per 30. September 2022. Den größten Anteil der Kreditaufnahme im bisherigen Jahresverlauf machten mit 162,9 Mrd. Euro beziehungsweise 45,2 Prozent die (teils unterjährig fälligen) Unverzinslichen Schatzanweisungen des Bundes aus, gefolgt von den 10-jährigen Bundesanleihen mit 62,2 Mrd. Euro beziehungsweise 17,2 Prozent. Zu diesem Segment werden hier auch die im Jahr 2020 neu eingeführten 7- und 15-jährigen Bundesanleihen gezählt. Per 30. September 2022 waren über 99 Prozent des Bestands der Kreditaufnahmen des Bundes in Form von Inhaberschuldverschreibungen verbrieft, bei denen die konkreten Gläubiger dem Bund nicht bekannt sind.

    Balkendiagramm: Kreditaufnahme des Bundes – Bestand und laufendes Jahr BildVergroessern
    Abbildung 1

    Details zu den geplanten Emissionen und den Tilgungen von Bundeswertpapieren können in den Pressemitteilungen zum Emissionskalender nachgelesen werden.2 Auf der Internetseite der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH werden zudem nach jeder Auktion von Bundeswertpapieren die Auktionsergebnisse veröffentlicht.3

    Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes im September 2022

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    Tabelle 1

    Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) im September 2022

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    Tabelle 2

    Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes zur Darlehensfinanzierung im September 2022

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    Tabelle 3

    Entwicklung von Umlaufvolumen und Eigenbestände an Bundeswertpapieren im September 2022

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    Tabelle 4

    Die Rentenmarktentwicklung im 3. Quartal 2022

    Im Verlauf des 3. Quartals 2022 wurden die Rentenmärkte weiterhin von der global starken Inflationsdynamik und zuletzt von zunehmenden Rezessionssorgen beeinflusst. Vor dem Hintergrund weiter steigender Verbraucherpreise beschloss die US-Notenbank Fed zum dritten Mal in Folge eine Erhöhung des Leitzinses um 75 Basispunkte. Der US-Leitzins (Fed Funds Rate) liegt nun in einer Spanne von 3,00 Prozent bis 3,25 Prozent. Auch im Euroraum reagierte die Europäische Zentralbank (EZB) mit Blick auf weiter steigende Verbraucherpreise mit einer Anhebung der Leitzinsen. Die EZB hob die Leitzinsen im September ebenfalls um 75 Basispunkte an, nachdem sie diese bereits im Juli um 50 Basispunkte erhöht hatte. Der Einlagefazilitätssatz der EZB lag damit im Juli bei 0,0 Prozent und liegt seit September bei 0,75 Prozent. Die Renditen von Bundeswertpapieren stiegen über alle Laufzeiten weiter deutlich an.

    Entwicklung der Renditen von Bundeswertpapieren nach Laufzeiten

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    Tabelle 5

    Die Inflationsentwicklung prägte die Rentenmärkte auch im gesamten 3. Quartal 2022. Im September betrug die Jahresänderungsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex im Euroraum gemäß der Vorabschätzung von Eurostat 10,0 Prozent. Mit den Leitzinserhöhungen im Juli und September 2022 setzte der EZB-Rat vor dem Hintergrund weiter steigender Verbraucherpreise seine Schritte in Richtung einer graduellen geldpolitischen Normalisierung fort.

    Entwicklung der Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im 3. Quartal 2022

    Rendite in Prozent p. a.

    Verlaufsdiagramm „Entwicklung der Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im 3. Quartal 2022“: Vier Linien zeigen die prozentuale Entwicklung der Renditen pro Tag vom 30.6. bis 30.9.2022 für die USA, das Vereinigte Königreich, Japan und Deutschland.Ausgewählte Datenwerte (jeweils letzter Tag des Monats):Renditen am 30.6.2022: USA: 3,0 %; Vereinigtes Königreich: 2,2 %; Deutschland: 1,4 % Japan: 0,2 %Renditen am 29.7.2022: USA: 2,7 %; Vereinigtes Königreich: 1,9 %; Deutschland: 0,8 % Japan: 0,2 %Renditen am 31.8.2022: USA: 3,2 %; Vereinigtes Königreich: 2,8 %; Deutschland: 1,5 % Japan: 0,2 %Renditen am 30.9.2022: USA: 3,8 %; Vereinigtes Königreich: 4,1 %; Deutschland: 2,1 % Japan: 0,2 %Quelle: Revinitiv
    Quelle: Revinitiv
    DatumUSAVereinigtes KönigreichJapanDeutschland
    30.06.20223,015652,23650,231,3635
    01.07.20222,88852,080,221,223
    04.07.2022null2,1960,221,334
    05.07.20222,81722,0480,221,184
    06.07.20222,93262,09150,241,155
    07.07.20222,999152,12650,241,2885
    08.07.20223,079352,2310,241,3435
    11.07.20222,990952,1770,241,2455
    12.07.20222,968752,06050,241,13
    13.07.20222,934552,05850,231,1425
    14.07.20222,95672,09850,231,175
    15.07.20222,92722,0830,231,124
    18.07.20222,98832,1555null1,2105
    19.07.20223,027452,17550,241,2715
    20.07.20223,029352,14150,241,257
    21.07.20222,880252,04550,231,2165
    22.07.20222,75221,93650,221,02
    25.07.20222,805951,93250,21,0275
    26.07.20222,80231,9160,20,926
    27.07.20222,7841,95450,20,9355
    28.07.20222,66961,870,20,7985
    29.07.20222,65681,85050,180,8225
    01.08.20222,58661,80650,180,759
    02.08.20222,74741,8660,170,7795
    03.08.20222,70551,9070,190,8715
    04.08.20222,69281,88650,170,806
    05.08.20222,82592,04950,160,959
    08.08.20222,7491,94950,170,894
    09.08.20222,77731,97150,160,9205
    10.08.20222,783651,9530,190,8835
    11.08.20222,88852,0565null0,9645
    12.08.20222,84032,1120,190,9875
    15.08.20222,79232,01950,180,9
    16.08.20222,80682,12250,170,9765
    17.08.20222,90132,2860,181,0765
    18.08.20222,884052,31650,191,0955
    19.08.20222,973952,41250,21,2325
    22.08.20223,02292,51150,221,2975
    23.08.20223,05632,57650,211,318
    24.08.20223,108552,6950,221,36
    25.08.20223,030452,6140,231,3265
    26.08.20223,027852,60050,221,394
    29.08.20223,1117null0,241,5005
    30.08.20223,110852,70250,221,506
    31.08.20223,195452,7960,221,532
    01.09.20223,258052,8790,241,568
    02.09.20223,194052,9150,241,516
    05.09.2022null2,9370,231,5625
    06.09.20223,35023,0950,241,6005
    07.09.20223,26633,0280,241,573
    08.09.20223,321753,1580,241,7075
    09.09.20223,314453,0940,251,696
    12.09.20223,356753,080,241,642
    13.09.20223,410853,170,241,72
    14.09.20223,402353,1330,251,6935
    15.09.20223,4473,16250,251,7365
    16.09.20223,45433,130,251,761
    19.09.20223,4924nullnull1,7865
    20.09.20223,566953,28950,251,9355
    21.09.20223,53283,30950,251,889
    22.09.20223,707853,48550,231,975
    23.09.20223,68563,819null2,027
    26.09.20223,92754,2330,252,0885
    27.09.20223,948154,49650,252,248
    28.09.20223,73524,0060,252,15
    29.09.20223,77954,1370,252,204
    30.09.20223,82764,09350,242,1075
    Abbildung 2

    Aufgrund seiner geänderten Einschätzung des Inflationsrisikos innerhalb des Euroraums fiel die Entscheidung des EZB-Rats für eine Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte in der Juli-Sitzung höher aus als vom EZB-Rat noch in der vorangegangenen Sitzung in Aussicht gestellt. In ihrem Statement zur Juli-Sitzung führte die EZB aus, dass dieser Schritt die Rückkehr zum mittelfristigen Inflationsziel von 2 Prozent unterstütze. Mit der Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte in der September-Sitzung fällt die Erhöhung nochmals stärker aus als im Juli. Basierend auf seiner Inflationseinschätzung im September erwartet der EZB-Rat weitere Leitzinserhöhungen in den folgenden Sitzungen, um dadurch insbesondere die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter zu dämpfen und dem Risiko einer möglichen dauerhaften Entankerung des Inflationsziels von 2 Prozent in den Inflationserwartungen entgegenzuwirken. Der EZB-Rat erwartet, dass die Inflation innerhalb des Euroraums über einen längeren Zeitraum über dem Inflationsziel von 2 Prozent liegen wird.

    Zum Ende des 3. Quartals 2022 preisen die Märkte einen Anstieg des Einlagefazilitätssatzes zum Jahresende auf 2,0 Prozent ein. Bis Mai 2023 werden weitere Anhebungen auf ein Niveau von 2,65 Prozent erwartet. Gestützt wird diese Erwartung von einem anhaltend kräftigen Aufwärtsdruck auf die Verbraucherpreise, welche die ohnehin hohen veröffentlichten Inflationszahlen begleiteten: Zum einen verstärken der fortdauernde Krieg in der Ukraine sowie weiterhin erhebliche Störungen der Lieferketten, u. a. hervorgerufen durch die weiter bestehenden umfangreichen Lockdown-Maßnahmen in chinesischen Großstädten, den kurzfristigen Preisdruck, insbesondere auf Energiegüter und Nahrungsmittel. Zum anderen deuten die hohe Auslastung am Arbeitsmarkt im Euroraum und anhaltend hohe Erzeugerpreisanstiege darauf hin, dass sich die Inflation auch auf mittlere Frist u. a. durch deutlich steigende Löhne und umfangreichere Kosten-Überwälzungen an die Konsumenten verstetigen könnte. Auch der niedrige Wechselkurs des Euro zum Dollar wirkt über die Importe u. a. von Energiegütern inflationserhöhend.

    Durch die Erwartung einer deutlichen Straffung der Geldpolitik im Zuge hoher Inflationsraten sowie die zunehmende Sorge vor einer möglichen Rezession bleibt die Volatilität an den Rentenmärkten weiterhin hoch. Insgesamt war die Renditeentwicklung über das 3. Quartal 2022 hinweg erneut deutlich nach oben gerichtet. 10-jährige Bundesanleihen rentierten Ende September 2022 mit 2,11 Prozent um 75 Basispunkte höher als Ende Juni 2022. Mit 109 Basispunkten fiel der Renditeanstieg im 2-jährigen Laufzeitsegment am stärksten aus. Im 30-jährigen Laufzeitbereich war für das 3. Quartal 2022 ein Renditeanstieg in Höhe von 47 Basispunkten zu beobachten.

    Entwicklung der Renditen 10-jähriger Staatsanleihen im 3. Quartal 2022

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    Tabelle 6

    10-jährige US-Staatsanleiherenditen erhöhten sich im 3. Quartal 2022 um 81 Basispunkte auf 3,83 Prozent. Der beobachtete Renditeabstand von Bundeswertpapieren zu US-Staatsanleihen zum Ende des 2. Quartals 2022 von rund 170 Basispunkten ist auch zum Ende des 3. Quartals 2022 weiterhin zu beobachten. Die nach wie vor äußerst hohe Verbraucherpreisdynamik, die gleichzeitig mit einem weiterhin robusten US-Arbeitsmarkt einherging, veranlasste die US-Notenbank Fed zu weiteren deutlichen Anpassungen ihrer Geldpolitik. Nach der Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte in der Juni-Sitzung beschloss der Offenmarktausschuss der Fed auch in den Sitzungen im Juli und September, den Leitzins um jeweils 75 Basispunkte zu erhöhen. Trotz Rezessionssorgen an den Finanzmärkten bekräftigte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell auch nach der September-Sitzung der Fed ein „starkes und nachdrückliches“ Handeln der US-Zentralbank zur Senkung der Inflationsrate.

    Im Umfeld einer ebenfalls weiterhin kräftigen Verbraucherpreisdynamik im Vereinigten Königreich setzte die Bank of England ihre bereits im Dezember 2021 begonnene geldpolitische Normalisierung fort und hob sowohl im August als auch im September die Leitzinsen um jeweils 50 Basispunkte auf nunmehr 2,25 Prozent an. Mit 50 Basispunkten fielen die beiden Leitzinsanhebungen im 3. Quartal 2022 höher aus als die beiden vorangegangenen Erhöhungen um jeweils 25 Basispunkte im Mai und Juni 2022.

    Sekundärmarkthandel in Bundeswertpapieren im 1. Halbjahr 2022

    Bruttohandel

    Die Höhe der Handelsumsätze mit Bundeswertpapieren ist ein wesentlicher Indikator für ihre Liquidität. Der Bund erhält Meldungen zu Handelsumsätzen von den Banken, die als Mitglieder der „Bietergruppe Bundesemissionen“ an den Auktionen des Bundes teilnehmen. Als Auktionsteilnehmer wickeln diese Bieterbanken auch den Großteil des Handels mit Bundeswertpapieren am sogenannten Sekundärmarkt ab. Ihre Meldungen geben Aufschluss über den Typ des gehandelten Bundeswertpapiers, mit welcher Art von Kontrahent gehandelt wurde und in welcher Region dieser ansässig ist.

    Im 1. Halbjahr 2022 wurden Handelsumsätze in Höhe von 3.429 Mrd. Euro gemeldet. Sie lagen damit mehr als 1.000 Mrd. Euro beziehungsweise 45 Prozent über denen des 1. Halbjahrs 2021 und 39 Prozent über denen des 2. Halbjahrs 2021. Dies ist der bisher höchste in einem Halbjahr gemessene Umsatzanstieg. Gleichzeitig erhöhte sich das ausstehende Volumen der Bundeswertpapiere seit Ende des 2. Quartals 2021 um 6 Prozent. Die Handelsumsätze legten im Vergleich zur handelbaren Menge der Bundeswertpapiere stark überdurchschnittlich zu. Bei den Handelsumsätzen ist somit ein Bruch des rückläufigen Trends der vorangegangenen Halbjahre zu beobachten, der mit einem deutlichen Anstieg des Renditeniveaus aller Bundeswertpapiere – in einzelnen Laufzeiten um mehr als 1,5 Prozentpunkte – innerhalb nur eines halben Jahres einhergeht.

    Traditionell führen die Urlaubsmonate im Sommer sowohl zu geringerer Emissions- als auch Handelstätigkeit in den 2. Halbjahren. Die Handelsumsätze zum Halbjahresende 2022 werden daher im Folgenden mit den Halbjahresdaten des Vorjahrs verglichen.

    Rund die Hälfte des Handels mit Bundeswertpapieren wurde im 1. Halbjahr 2022 erneut mit 10-jährigen Bundesanleihen, zu denen auch die im Jahr 2020 eingeführten 7- und 15-jährigen Laufzeiten gerechnet werden, getätigt. Zuletzt wurde im 1. Halbjahr 2013 ein ähnlich hohes Handelsvolumen über mehr als 1.600 Mrd. Euro erreicht. Mit deutlichem Abstand und einem Anteil am Handelsvolumen von 18 Prozent folgen Bundesobligationen. Ihre Umsätze stiegen um fast 80 Prozent im Vergleich zum 1. Halbjahr des Vorjahres. Stärker legten nur die Umsätze mit Bundesschatzanweisungen zu, die sich auf 430 Mrd. Euro nahezu verdoppelten. Auf die 30-jährigen Bundesanleihen entfielen unverändert 10 Prozent des gesamten Handels. Mit einem Volumen von 346 Mrd. Euro erreichten ihre Umsätze nach dem Jahr 2005 das zweithöchste Niveau der Statistik. Im Vergleich zu den übrigen Bundeswertpapieren legte der Handel mit Unverzinslichen Schatzanweisungen im 1. Halbjahr 2022 nur um unterproportionale 9 Prozent zu. Ein leichter Rückgang im Vergleich zum 2. Halbjahr 2021 beendet hier jedoch eine seit 2018 etablierte Serie stetiger halbjährlicher Zuwächse. Den einzigen Umsatzrückgang von 84 Mrd. Euro auf 81 Mrd. Euro wiesen inflationsindexierte Bundeswertpapiere auf. Grüne Bundeswertpapiere markieren mit Umsätzen von fast 37 Mrd. Euro (+52 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2021) einen neuen Handelsrekord in der gerade erst vier Halbjahre umfassenden Historie.

    Mit einem Rekord kehren auf Kontrahentenseite auch die Asset Manager als Handelspartner zurück: Sie handelten erstmals seit Statistikbeginn Bundeswertpapiere im Volumen von mehr als 1.000 Mrd. Euro – eine Zunahme von 64 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2021. Broker setzten als zweitaktivste Händler 880 Mrd. Euro um und damit so viel wie seit dem Jahr 2014 nicht mehr. Ihren Status als drittwichtigster Händler von Bundeswertpapieren behaupteten Banken mit 523 Mrd. Euro. Ihre Handelszuwächse von 35 Prozent sind nach drei der schwächsten Halbjahre eine Rückkehr auf den langjährigen Durchschnitt. Zentralbanken, mit dem geringsten Handelszuwachs unter allen Kontrahenten, wurden von Hedgefonds, die ihr Handelsvolumen auf den neuen Höchstwert von 482 Mrd. Euro verdoppelten, erstmals seit Statistikbeginn von Umsatzrang vier verdrängt. Das dennoch höchste Handelsvolumen der Zentralbanken seit 2013 zeigt, dass es sich hierbei um einen Bedeutungsgewinn der Hedgefonds und nicht um rückläufige Aktivitäten der Zentralbanken handelt. Pensionsfonds, Versicherungen und Sonstige machen in Summe weniger als 5 Prozent der Gesamtumsätze aus.

    Beim Blick auf die Handelsregionen zeigt sich vor allem eine Verschiebung in den Daten, die u. a. mit dem Handelsrekord der Hedgefonds in Verbindung steht: Die Umsätze mit Amerika als Heimat vieler Hedgefonds stiegen im 1. Halbjahr 2022 um 84 Prozent auf einen neuen Höchstwert von 638 Mrd. Euro. Während das Übrige Europa als langjährig bedeutendste Handelsregion (Europa ohne Euroraum-Staaten) sowie Asien jeweils über 40 Prozent mehr handelten, legte der Handel im ebenfalls bedeutsamen Euroraum mit 26 Prozent nur unterproportional zu. Die Handelszuwächse mit Amerika gingen somit zulasten des Euroraums. Afrika und arabische Staaten verzeichnen Handelsrückgänge, standen aber insgesamt für weniger als 1 Prozent des Handels.

    Bruttohandel in Bundeswertpapieren

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    Tabelle 7

    Nettohandel

    Werden bei den Sekundärmarktumsatz-Meldungen die Käufe der Bieterbanken von den Verkäufen an andere Kontrahenten abgezogen, ergeben sich die Nettokäufe. Anhand dieser Nettokäufe lässt sich auf Bestandsbewegungen bei den einzelnen Kontrahentengruppen schließen.

    Mit rund 142 Mrd. Euro tätigten Zentralbanken im 1. Halbjahr 2022 mit Abstand ihre dritthöchsten Nettokäufe von Bundeswertpapieren. Dass diese 30 Prozent geringer ausgefallen sind als vor Jahresfrist, ist einzig dem noch heute gültigen, damaligen Höchstwert von 202 Mrd. Euro geschuldet. Nun erstrecken sich die vier nachfragestärksten Halbjahre der Zentralbanken über die vergangenen zwei Jahre. Die Rückkehr der Asset Manager und Banken zeigt sich auch bei ihren Nettokäufen: Während im 1. „Ausnahme“-Halbjahr 2021 noch die Nettokäufe der Zentralbanken mehr als das Sechsfache der Nettokäufe aller übrigen Kontrahenten zusammen ausmachten, kamen Asset Manager im 1. Halbjahr 2022 auf 42 Mrd. Euro – eine Versiebenfachung gegenüber 2021. Banken als danach drittwichtigster Nettokäufer erwarben mit 23 Mrd. Euro netto fast dreimal mehr. Verschwindend gering wirkten dagegen die Nettokäufe der übrigen Kontrahenten, die zwischen 31 Prozent (Sonstige) und 56 Prozent (Pensionsfonds) unter dem Vorjahreshalbjahr lagen.

    Einzig die Hedgefonds kauften netto fast unverändert auf dem Vorjahresniveau. Ihre hohen (Brutto-)Handelsumsätze reflektierten sich in den Nettokäufen von rund 5 Mrd. Euro jedoch kaum.

    Mit nur wenigen Ausnahmen führen der Euroraum und das Übrige Europa seit vielen Jahren wechselseitig die Rangliste der bedeutendsten Nettokäufer von Bundeswertpapieren an. Gelegentlich reihen sich mit größerem Abstand mal Asien, mal Amerika hinter den beiden Regionen ein. Das 1. Halbjahr 2022 bildete hier keine Ausnahme. Analog zu den außerordentlich starken Zentralbankkäufen führte im 1. Halbjahr 2022 der Euroraum mit 78 Mrd. Euro die Liste der Nettokäufer an, nachdem er im 2. Halbjahr 2021 mit 131 Mrd. Euro ein Rekordvolumen erworben hatte. Auch hier lagen drei der vier absatzstärksten Halbjahre in den vergangenen zwei Jahren. Die Nettokäufe aus dem Übrigen Europa erreichten mit 62 Mrd. Euro ebenfalls ein Niveau deutlich über dem langjährigen Durchschnitt, asiatische Kontrahenten erwarben netto 23 Mrd. Euro. Kontrahenten aus Amerika setzten 2022 ihre Nettoverkäufe aus den beiden vorherigen Halbjahren auf einem Niveau von 4 Mrd. Euro fort.

      Fußnoten

      1
      In diesem Bericht werden die im Jahr 2020 eingeführten 7- und 15-jährigen Bundesanleihen zu den 10-jährigen Bundesanleihen gezählt. Seit dem Jahr 2022 werden keine 7-jährigen Anleihen mehr begeben.
      2
      Emissionskalender
      3
      Emissionsergebnisse

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