Die Kreditaufnahme des Bundes dient der Finanzierung des Bundeshaushalts und der Sondervermögen des Bundes. Sondervermögen werden unterschieden in Sondervermögen, die über den Bundeshaushalt oder andere Einnahmen mitfinanziert werden, und Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung: Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS), Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), Investitions- und Tilgungsfonds (ITF) sowie Restrukturierungsfonds (RSF). Der RSF wird nachfolgend nicht mit aufgeführt, da zu den betrachteten Stichtagen keine Kreditaufnahme vorgelegen hat. Die Kreditaufnahme für die Sondervermögen FMS und WSF dient dabei zum einen der Finanzierung von Aufwendungen für Stabilisierungsmaßnahmen gemäß § 9 Abs. 1 Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) oder der Rekapitalisierung von Unternehmen gemäß § 22 StFG. Zum anderen nimmt der Bund für FMS und WSF auch Kredite auf, die gemäß § 9 Abs. 5 und § 23 StFG als konditionsgleiche Darlehen an Anstalten des öffentlichen Rechts durchgeleitet werden. Die Aufnahme dieser Kredite über den Bund dient der Kostenersparnis.
Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich
- erst auf die gesamte Kreditaufnahme des Bundes,
- dann auf die Kreditaufnahme beziehungsweise Verschuldung des Bundeshaushalts und der mitfinanzierten Sondervermögen sowie von FMS, WSF und ITF ohne Finanzierung von Darlehen für Anstalten des öffentlichen Rechts und
- schließlich auf die Kreditaufnahme für FMS und WSF zur Finanzierung von an Anstalten des öffentlichen Rechts durchzuleitende Darlehen (im Folgenden „Darlehensfinanzierung“).
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes
Der Bund hatte am 31. Dezember 2021 Kredite in Höhe von 1.438,4 Mrd. Euro aufgenommen. Dieser Bestand erhöhte sich zum 30. Juni 2022 auf 1.495,9 Mrd. Euro. Der Anstieg der Kreditaufnahme um 57,5 Mrd. Euro ging auf den Finanzierungsbedarf des Bundes für den Haushalt und die Sondervermögen einschließlich Darlehensfinanzierung zurück. Wie bereits in den Jahren 2020 und 2021 wird auch die Kreditaufnahme im Jahr 2022 im Vergleich zu früheren Jahren erhöht sein. Dies liegt u. a. daran, dass ein großer Teil des zusätzlichen pandemiebedingten Kreditbedarfs der Jahre 2020 und 2021 über Wertpapiere mit kurzen Laufzeiten finanziert wurde, die nunmehr fällig werden und refinanziert werden müssen. Der Bund beabsichtigt, das hohe ausstehende Volumen dieser kurzlaufenden Wertpapiere mittelfristig sukzessive abzubauen.
Der Anstieg des Bestands der Kreditaufnahme gegenüber dem 31. Dezember 2021 resultierte aus neuen Aufnahmen im Volumen von 246,4 Mrd. Euro, denen wiederum Fälligkeiten im Volumen von 188,9 Mrd. Euro gegenüberstanden. Bis zum 30. Juni 2022 wurden für die Verzinsung aller auch in früheren Jahren aufgenommenen bestehenden Kredite saldiert 8,1 Mrd. Euro aufgewendet.
Im Juni 2022 wurden 44,7 Mrd. Euro an Bundeswertpapieren emittiert. Der Schwerpunkt lag mit 40,0 Mrd. Euro bei den konventionellen Bundeswertpapieren. Sie verteilten sich auf 4,0 Mrd. Euro 30-jährige Bundesanleihen, 5,5 Mrd. Euro 10-jährige Bundesanleihen1, 7,0 Mrd. Euro Bundesobligationen, 5,5 Mrd. Euro Bundesschatzanweisungen und 18,0 Mrd. Euro Unverzinsliche Schatzanweisungen des Bundes. In inflationsindexierten Bundeswertpapieren wurden 0,7 Mrd. Euro begeben. Im Juni 2022 wurden 4,0 Mrd. Euro Grüne Bundeswertpapiere begeben.
Die Eigenbestände des Bundes an Bundeswertpapieren erhöhten sich im Juni 2022 um 0,6 Mrd. Euro auf 145,1 Mrd. Euro. Die Veränderung resultierte im Wesentlichen aus Sekundärmarktverkäufen in Höhe von 16,5 Mrd. Euro, denen Käufe in Höhe von 6,0 Mrd. Euro und die Erhöhung von Eigenbeständen durch bei Emission zurückbehaltene Emissionsanteile um 11,1 Mrd. Euro gegenüberstanden.
Am 30. Juni 2022 entfielen 93,8 Prozent der Kreditaufnahmen auf die Kreditaufnahme des Bundes für Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung. 6,2 Prozent der Kreditaufnahme entfielen auf die Darlehensfinanzierung.
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung)
Im Juni 2022 wurden für den Bund (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) 41,7 Mrd. Euro an Krediten aufgenommen. Gleichzeitig wurden 31,7 Mrd. Euro fällige Kredite getilgt. Für die Verzinsung der Kredite des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) wurden im Juni 2022 saldiert 1,9 Mrd. Euro aufgewendet.
Am 30. Juni 2022 betrug der Bestand der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) insgesamt 1.403,0 Mrd. Euro. Damit erhöhte sich dieser gegenüber dem 31. Dezember 2021 um 55,0 Mrd. Euro. Mit gerundet 55,0 Mrd. Euro entfiel fast die gesamte Erhöhung im bisherigen Jahresverlauf auf den Bundeshaushalt, dessen Bestand auf 1.361,4 Mrd. Euro anstieg. Die Veränderungen bei den Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung haben sich im bisherigen Jahresverlauf jeweils nahezu ausgeglichen, sodass per 30. Juni 2022 der Bestand der Kreditaufnahme für den ITF gerundet unverändert 16,1 Mrd. Euro, der Bestand der Kreditaufnahme des FMS für Kredite für Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 StFG gerundet unverändert 22,7 Mrd. Euro und der Bestand der Kreditaufnahme des WSF für Kredite für Rekapitalisierungsmaßnahmen gemäß § 22 StFG gerundet unverändert 2,7 Mrd. Euro betrug.
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes zur Darlehensfinanzierung
Seit dem Jahr 2019 werden für den FMS Kredite zur Refinanzierung von an die FMS Wertmanagement (FMS-WM) durchzuleitende Darlehen gemäß § 9 Abs. 5 StFG aufgenommen. In ähnlicher Weise erfolgt seit dem Jahr 2020 eine Kreditaufnahme für den WSF zur Gewährung von Darlehen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Finanzierung von Krisenmaßnahmen gemäß § 23 StFG. Im Juni 2022 wurden für den FMS zu diesem Zweck keine neuen Kredite aufgenommen und keine Kredite fällig. Der Bestand von 55,0 Mrd. Euro am 31. Dezember 2021 erhöhte sich durch Veränderungen im bisherigen Jahresverlauf dennoch bis zum 30. Juni 2022 auf 60,0 Mrd. Euro. Zur Darlehensfinanzierung für den WSF wurden im Juni 2022 2,5 Mrd. Euro aufgenommen und es wurden 3,0 Mrd. Euro Kredite getilgt. Der Bestand von 35,4 Mrd. Euro am 31. Dezember 2021 hat sich bis zum 30. Juni 2022 um insgesamt 2,5 Mrd. Euro auf 32,9 Mrd. Euro verringert. Seit Jahresbeginn stieg der Bestand der Kredite zur Darlehensfinanzierung insgesamt auf 92,9 Mrd. Euro.
Weitere Einzelheiten für den Monat Juni 2022 können folgenden Tabellen entnommen werden:
- Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes,
- Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung),
- Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes zur Darlehensfinanzierung,
- Entwicklung von Umlaufvolumen und Eigenbestände an Bundeswertpapieren.
Im statistischen Anhang der Online-Version des Monatsberichts sind zusätzlich die drei erstgenannten Tabellen mit Daten für den bisherigen Jahresverlauf, die nach Restlaufzeitklassen gruppierte Kreditaufnahme des Bundes sowie die monatliche Historie zur Kreditaufnahme, dem Bedarf der Kreditaufnahme, Tilgungen und Zinsen für die Kreditaufnahme enthalten.
Die Abbildung „Kreditaufnahme des Bundes – Bestand und laufendes Jahr“ zeigt die Verteilung der Kreditaufnahme auf die Finanzierungsinstrumente, sowohl für die bisherige Aufnahme im Jahr 2022 als auch für den gesamten Bestand per 30. Juni 2022. Den größten Anteil der Kreditaufnahme im bisherigen Jahresverlauf machten mit 107,8 Mrd. Euro beziehungsweise 43,8 Prozent die (teils unterjährig fälligen) Unverzinslichen Schatzanweisungen des Bundes aus, gefolgt von den 10-jährigen Bundesanleihen mit 42,3 Mrd. Euro beziehungsweise 17,2 Prozent. Zu diesem Segment werden hier auch die im Jahr 2020 neu eingeführten 7- und 15-jährigen Bundesanleihen gezählt. Per 30. Juni 2022 waren über 99 Prozent des Bestands der Kreditaufnahmen des Bundes in Form von Inhaberschuldverschreibungen verbrieft, bei denen die konkreten Gläubiger dem Bund nicht bekannt sind.
Details zu den geplanten Emissionen und den Tilgungen von Bundeswertpapieren können in den Pressemitteilungen zum Emissionskalender nachgelesen werden.2 Auf der Internetseite der Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH werden zudem nach jeder Auktion von Bundeswertpapieren die Auktionsergebnisse veröffentlicht.3
Entwicklung der Kreditaufnahme des Bundes (Haushalt und Sondervermögen ohne Darlehensfinanzierung) im Juni 2022
Tabelle vergrößernEntwicklung von Umlaufvolumen und Eigenbestände an Bundeswertpapieren im Juni 2022
Tabelle vergrößernDie Rentenmarktentwicklung im 2. Quartal 2022
Im Verlauf des 2. Quartals 2022 wurden die Rentenmärkte weiterhin von der global starken Inflationsdynamik und zuletzt auch von zunehmenden Rezessionssorgen beeinflusst. Während die US-Notenbank vor dem Hintergrund eines kräftigen Verbraucherpreisanstiegs weitere kräftige Leitzinserhöhungen sowie einen sukzessiven Bilanzabbau beschloss, stellte die Europäische Zentralbank (EZB) zunächst nur die Wertpapierankäufe ein. Für die 2. Jahreshälfte wurden jedoch ebenfalls Leitzinsanhebungen im Euroraum avisiert. Die Renditen von Bundeswertpapieren stiegen im 2. Quartal 2022 über alle Laufzeiten weiter deutlich an. Gleichzeitig versteilerte sich die Renditekurve moderat.
Die starke Inflationsentwicklung prägte die Rentenmärkte auch im gesamten 2. Quartal 2022. Vor dem Hintergrund einer erneut kräftiger als erwarteten Verbraucherpreisdynamik setzte der EZB-Rat seine Schritte in Richtung einer graduellen geldpolitischen Normalisierung fort. Im Zuge dessen preisten die Marktteilnehmer eine zunehmend dynamischere Leitzinserhöhung ein.
Zunächst bestätigte der EZB-Rat in seiner April-Sitzung, die Nettokäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) bis Juni 2022 sukzessive auf monatlich 20 Mrd. Euro zu reduzieren und bekräftigte seine Erwartung, die Nettokäufe im 3. Quartal 2022 gänzlich einzustellen. Im Umfeld einer abermals deutlich nach oben korrigierten EZB-Inflationsprognose und einer im Mai auf 8,1 Prozent gestiegenen Inflationsrate (Jahresänderungsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex) beschloss der EZB-Rat dann in seiner Juni-Sitzung eine Beschleunigung der graduellen geldpolitischen Normalisierung. So entschied der EZB-Rat, die APP-Nettokäufe bereits zum 1. Juli 2022 einzustellen. Gleichzeitig signalisierte er eine erste Leitzinsanhebung in der kommenden Juli-Sitzung um 25 Basispunkte. In diesem Zusammenhang äußerte der EZB-Rat die Erwartung, dass auch in der September-Sitzung eine weitere Leitzinsanhebung angebracht sein könnte, die bei unveränderten oder nochmals schlechteren Inflationsaussichten noch größer als in der Juli-Sitzung ausfallen könnte. Ferner gab der EZB-Rat die Orientierung, „dass es nach September angemessen sein wird, die Leitzinsen schrittweise, aber nachhaltig weiter anzuheben.“
An den Märkten stiegen die Leitzinserhöhungserwartungen im Zuge dessen erheblich an. Mitte Juni erreichten diese einen vorläufigen Höhepunkt, wonach im 2. Halbjahr 2022 Leitzinsanhebungen von insgesamt gut 175 Basispunkten eingepreist wurden. Gestützt wurde diese Erwartung von einem anhaltend kräftigen Aufwärtsdruck auf die Verbraucherpreise, die die ohnehin hohen veröffentlichten Inflationszahlen begleiteten: Zum einen verstärkten der fortdauernde Krieg in der Ukraine sowie weiterhin erhebliche Störungen der Lieferketten, u. a. hervorgerufen durch umfangreiche Lockdown-Maßnahmen in chinesischen Großstädten, den kurzfristigen Preisdruck, insbesondere auf Energiegüter und Nahrungsmittel. Zum anderen deuteten Rekordauslastungen am Arbeitsmarkt im Euroraum und anhaltend hohe Erzeugerpreisanstiege darauf hin, dass sich die Inflation auch auf mittlere Frist u. a. durch deutlich steigende Löhne und umfangreichere Kostenüberwälzungen an die Konsumentinnen und Konsumenten verstetigen könnte. Erst zum Ende des 2. Quartals 2022 führten gestiegene Rezessionssorgen zu einer Korrektur an den Zinsmärkten. Befeuert wurde dies u. a. durch die Sorge, dass die russischen Erdgaslieferungen in den kommenden Monaten reduziert beziehungsweise gänzlich eingestellt werden könnten und es infolge dessen zu einem Gasnotstand in Deutschland und der Europäischen Union kommen könnte. Auch intensive Diskussionen innerhalb des EZB-Rats zur Einführung eines sogenannten Antifragmentierungs-Tools, mithilfe dessen die Renditeabstände von Staatsanleihen innerhalb des Euroraums begrenzt werden sollen, wirkten sich tendenziell renditedämpfend aus.
Die Sorgen vor einer deutlichen Straffung der Geldpolitik im Zuge hoher Inflationsraten sowie zunehmend vor einer möglichen Rezession sorgten für eine auf bereits hohem Niveau nochmals stärkere Volatilität an den Rentenmärkten. In Summe war die Renditeentwicklung – trotz der Rückgänge in den letzten Juniwochen – über das 2. Quartal 2022 hinweg erneut deutlich nach oben gerichtet. 10-jährige Bundesanleihen rentierten Ende Juni 2022 mit 1,36 Prozent um 82 Basispunkte höher als Ende März 2022. Mit 75 Basispunkten fiel der Renditeanstieg im 2-jährigen Laufzeitsegment ebenfalls stark aus, während der 30-jährige Laufzeitbereich sogar Renditeanstiege in Höhe von 96 Basispunkten verzeichnete. Nach einer Verflachungstendenz in den Vormonaten konnte somit wieder eine moderate Versteilerung der Renditekurve von Bundeswertpapieren beobachtet werden.
10-jährige US-Staatsanleiherenditen erhöhten sich im 2. Quartal 2022 um 68 Basispunkte auf 3,02 Prozent. Damit engte sich der in den Vorquartalen deutlich angewachsene Renditeabstand von Bundeswertpapieren zu US-Staatsanleihen geringfügig ein. Die nach wie vor äußerst hohe Verbraucherpreisdynamik, die gleichzeitig mit einem robusten US-Arbeitsmarkt einherging, veranlasste die US-Notenbank Fed zu weiteren deutlichen Anpassungen ihrer Geldpolitik. Der Offenmarktausschuss der Fed beschloss in seiner Mai-Sitzung sowohl, die Leitzinsen um 50 Basispunkte anzuheben, als auch ab Juni 2022 mit dem allmählichen Abbau der Wertpapierbestände zu beginnen, der im September 2022 nochmals beschleunigt werden solle. In der folgenden Juni-Sitzung wurde eine weitere Leitzinsanhebung um 75 Basispunkte vorgenommen und dem Markt signalisiert, dass in der Folgezeit ähnlich große Leitzinsschritte angebracht sein könnten. Insgesamt übertraf der Umfang der geldpolitischen Maßnahmen die anfänglichen Markterwartungen spürbar.
Im Umfeld einer ebenfalls äußerst kräftigen Verbraucherpreisdynamik im Vereinigten Königreich setzte die Bank of England ihre bereits im Dezember 2021 begonnene geldpolitische Normalisierung fort und hob sowohl im Mai als auch im Juni 2022 die Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte auf nunmehr 1,25 Prozent an.
Fußnoten
- 1
- In diesem Bericht werden die im Jahr 2020 eingeführten 7- und 15-jährigen Bundesanleihen zu den 10-jährigen Bundesanleihen gezählt. Seit dem Jahr 2022 werden keine 7-jährigen Anleihen mehr begeben.
- 2
- Emissionsplanung
- 3
- Auktionsergebnisse