Navigation und Service

Inhalt

  • Schlaglicht: Haushalt 2023: Konsolidieren, Entlasten, Investieren

    Im In­ter­view: Dr. Flo­ri­an Ton­car, Par­la­men­ta­ri­scher Staats­se­kre­tär

    Portraitfoto von Dr. Florian Toncar BildVergroessern
    Dr. Florian Toncar; © Bundesministerium der Finanzen/photothek

    Sie sind ein Verfechter der Schuldenbremse. Diese ist für viele Menschen eher ein abstraktes Konzept. Welche Auswirkungen wird sie denn konkret für die Menschen in ihrem Alltag haben?

    Die Schuldenregel – umgangssprachlich Schuldenbremse – ist im Grundgesetz festgeschrieben. Wir haben uns im Koalitionsvertrag aus gutem Grund darauf verständigt, nach drei Jahren der außergewöhnlichen Notsituation die Regelgrenze der Schuldenregel ab dem Jahr 2023 wieder einzuhalten. Mit dieser stabilitätsorientierten Haushalts- und Finanzpolitik stärken wir als Bundesregierung die Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen. Damit bewahren wir auch in Zukunft die finanzielle Handlungsfähigkeit Deutschlands. Davon profitieren die Bürgerinnen und Bürger mehr als von fast allen anderen Maßnahmen. Wir freuen uns, dass uns sowohl die Europäische Kommission als auch das fiskalpolitische Beratungsgremium der Kommission, der Europäische Fiskalrat, bei dieser Haltung unterstützen.

    Die Einhaltung der Regelgrenze der Schuldenregel ist zudem ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Inflation. Es wäre verkehrt, den durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelösten Schock und die damit verbundene Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums in Kombination mit einer sehr viel höheren Inflation über notwendige Entlastungen hinaus mit einem zusätzlichen fiskalischen Stimulus zu unterlegen. Vielmehr hätte ich Sorge, dass eine expansive Haushaltspolitik die beginnenden Bemühungen der Europäischen Zentralbank zur Eindämmung der hohen Inflation konterkarieren könnte, weil auf diese Weise staatlicherseits der Preisdruck verschärft werden würde. Preisstabilität ist für die Bürgerinnen und Bürger von besonders zentraler Bedeutung, um ihre Kaufkraft nicht noch weiter zu schmälern.

    Ich möchte aber auch betonen, dass es uns die Schuldenregel mit ihrer Ausnahmemöglichkeit in Notsituationen in den vergangenen drei Jahren erlaubt hat, zusätzliche Kredite aufzunehmen, um die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in diesen Krisenzeiten zu entlasten und zu unterstützen. Wir haben mit zwei Entlastungspaketen auch mit Mitteln des Bundeshaushalts umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs abzumildern. Die Pakete haben ein Entlastungsvolumen von mehr als 30 Mrd. Euro. Für uns als BMF stand die gezielte Entlastung vor allem der privaten Haushalte ganz klar im Mittelpunkt.

    Wie das konkret aussieht, können Leserinnen und Leser übrigens auf der BMF-Webseite nachlesen.1 Auch die eigenen Entlastungen zu Lohnsteuer2 und Energiesteuer3 lassen sich dort nachrechnen.

    Leistungen der Entlastungspakete

    Tabelle vergrößern

    Wie rechtfertigen Sie diese Sparsamkeit in Zeiten so großer Herausforderungen wie dem Ukrainekrieg, der Energieknappheit und der Inflation?

    Ich halte es für ein Gebot der Ehrlichkeit und auch des Respekts gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, dass wir uns als Bundesregierung in der angespannten wirtschaftlichen und geopolitischen Lage massiv anstrengen, unsere finanzpolitischen Aufgaben zu erledigen und damit die Inflationsbekämpfung durch die Notenbank zu flankieren.

    Eine Folge staatlicher Verschuldung wird momentan wieder besonders sichtbar. Die Zinsen auf Staatsanleihen sind nach jahrelang extrem niedrigen Werten seit Dezember 2021 deutlich angestiegen. Diese Entwicklung an den Kapitalmärkten spiegelt sich auch in den Zinsausgaben im Bundeshaushalt wider. Wir erwarten allein im Jahr 2023 Zinskosten des Bundes in Höhe von bis zu 30 Mrd. Euro. An dieser Stelle ist zu sehen, dass die Auswirkungen der Inflation und deren Eindämmung sowie von den zunehmenden globalen Unsicherheiten auch am Staat nicht spurlos vorübergehen. Wir vermeiden, dass wir uns bei fortgesetzter Verschuldung selbst in immer höhere Zinskosten hineinmanövrieren und unsere Handlungsspielräume einengen.

    Wir haben im Entwurf zum Bundeshalt 2023 daher klare Prioritäten gesetzt. Wir haben umfangreiche Mittel zur Stabilisierung in der Krise eingeplant, beispielsweise zur Gewährleistung der Energiesicherheit und Entlastungen, sowie die solide Ausfinanzierung der Sozialausgaben. Gleichzeitig setzen wir mit Investitionsmitteln auf Rekordniveau die Grundlage für Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur und Klima sowie für Mittelstand, Forschung und Innovation.

    Wenn ein so ausbalancierter Bundeshaushalt als sparsam empfunden wird, möchte ich mich gegen dieses Empfinden nicht wehren.

    Sie versprechen Entlastungen für die Menschen und Betriebe, um die Inflation abzufedern. Reichen die Entlastungsmaßnahmen aus oder ist noch mehr drin?

    Wir als Bundesregierung stehen angesichts der angespannten Gesamtlage in einem permanenten, konstruktiven Austausch, um die negativen Auswirkungen nun vor allem infolge des russischen Angriffskriegs und der damit einhergehenden Unsicherheiten im Hinblick auf die Versorgung mit Energie und die steigenden Preise im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft abzumildern. Dazu können auch weitere gezielte Entlastungen gehören. Mir ist aber bei allen noch zu treffenden Maßnahmen besonders wichtig, dass wir die vorhandenen Mittel möglichst sorgsam und wirkungsorientiert einsetzen. Ich möchte den Diskussionen über weitere Entlastungen jedoch ungern vorgreifen, da dabei immer auch aktuelle Entwicklungen einzubeziehen sind.

    Es ist aber kein Geheimnis, dass für Herbst 2022 der Existenzminimumbericht und auch der Bericht über die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs (Steuerprogressionsbericht) erwartet werden. Wir werden uns genau anschauen, welches Entlastungsvolumen sich aus dem Steuerprogressionsbericht ableiten lässt. Ich halte es für geboten, an dieser Stelle den Menschen in diesem Land einen fairen Vorschlag zur Entlastung zu unterbreiten. Es sollte uns ein gemeinsames Anliegen sein, die schädlichen Auswirkungen der kalten Progression zu bekämpfen und als Staat nicht durch von einer inflationsgetriebenen Einkommensentwicklung und damit verbundenen Steuermehreinnahmen zu profitieren. Wir als BMF stehen dafür, dass den Bürgerinnen und Bürgern durch einen angemessenen Einkommensteuertarif Freiräume zu eigenständigem Handeln erhalten bleiben und die Steuerquote nicht weiter erhöht wird.

    Wie viel Zukunft steckt im Bundeshaushalt? Investiert Deutschland genug in Klimaschutz sowie Bildung und Forschung – oder geht alles in Rüstung?

    Im Bundeshaushalt steckt jede Menge Zukunft. Ich freue mich, dass es uns trotz der aktuellen Herausforderungen und den notwendigen stabilisierenden Maßnahmen gelungen ist, bedeutsame Investitionen in die Zukunft unseres Landes auszubauen und mit einer soliden Finanzpolitik unsere Handlungsfähigkeit auch in Zukunft zu erhalten.

    Deutschland steht zu Beginn der 20. Legislaturperiode vor der Aufgabe, entscheidende Zukunftsinvestitionen insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Mobilität, Digitalisierung, Innovation sowie Bildung und Forschung auf den Weg zu bringen. Die Bundesregierung geht diese Aufgabe entschieden an: Sie hat im Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2023 und im Finanzplan bis 2026 Investitionsmittel auf Rekordniveau vorgesehen und baut Zukunftsinvestitionen weiter aus.

    Im Jahr 2023 betragen die Investitionen rund 51 Mrd. Euro. Hinzu kommen Sondereffekte aus einem Darlehen an den Resilience and Sustainability Trust des Internationalen Währungsfonds zur Bewältigung der Herausforderungen aus Klimawandel und Pandemien in Höhe von 6,3 Mrd. Euro sowie an den Gesundheitsfonds in der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 1 Mrd. Euro, die haushaltsrechtlich ebenfalls als Investitionen zu verbuchen sind. In Summe betragen die Investitionen im Jahr 2023 insgesamt 58,4 Mrd. Euro. Im Finanzplanzeitraum steigen die Investitionen noch einmal in allen Jahren auf rund 52 Mrd. Euro. Dies bedeutet gegenüber dem Vorkrisenniveau eine erhebliche Steigerung von über 10 Mrd. Euro pro Jahr. Hinzu kommen umfangreiche Investitionen aus den Sondervermögen, insbesondere dem Klima- und Transformationsfonds.

    Diese Investitionen dienen der Modernisierung unseres Landes und stärken die durch die Pandemie und die Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine geschwächte Wirtschaft. Hierzu zählen beispielsweise die klassischen Verkehrsinvestitionen, Zukunftsprojekte im Bereich Mikroelektronik sowie der bedarfsgerechte Ausbau der digitalen Infrastruktur. Die Dekarbonisierung der Industrie, der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft sowie der Ladeinfrastruktur sind zentrale Aufgabenschwerpunkte des Klima- und Transformationsfonds. Mit diesen mittelfristig durchfinanzierten Programmen schafft die Bundesregierung Planungssicherheit. Damit regt sie auch bereits kurzfristig vielfältige private Investitionen in die Zukunft Deutschlands an.

    Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitslage in Europa grundlegend geändert. Er hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Freiheit und Demokratie zu schützen. Für militärische Beschaffungen hat die Bundesregierung im Jahr 2023 bis zu 18,7 Mrd. Euro vorgesehen. Mit dem Sondervermögen Bundeswehr stellt die Bundesregierung die Finanzierung komplexer Vorhaben sicher, um der Bundeswehr ein breites und modernes sowie innovationsorientiertes Fähigkeitsspektrum zu ermöglichen. Hierfür stehen insgesamt Mittel in Höhe von 100 Mrd. Euro bereit, von denen rund 8,5 Mrd. Euro im Jahr 2023 vorgesehen sind. Die Mittel sind an den Zweck der Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit gebunden und sollen der Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben dienen, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen.

    Mit dem Entwurf zum Bundeshaushalt 2023 haben wir also unter Einhaltung der Regelgrenze der Schuldenregel die Verwendung der von den Bürgerinnen und Bürgern erwirtschafteten Steuereinnahmen sorgsam abgewogen, um die aktuellen Herausforderungen erfolgreich anzupacken und auch langfristig die Voraussetzungen für Wohlstand zu schaffen.

    Es gibt derzeit große Probleme bei der Deutschen Bahn AG. Gibt es Hoffnung für die Bahnreisenden, dass sich hier etwas ändert?

    In der Tat hat der Schienenverkehr derzeit mit erheblichen Kapazitätsproblemen zu kämpfen. Nach den Corona-Einschränkungen kehren die Fahrgäste und Güterverkehrskundschaft schneller als erwartet zur Bahn zurück. Hinzu kommt ein erhöhtes Fahrgastaufkommen, das durch das 9-Euro-Ticket bedingt wird. Außerdem weichen viele Reisende infolge der massiven Engpässe im Flugverkehr zusätzlich auf die Bahn aus. Das sind zwar zunächst grundsätzlich gute Nachrichten. Diese steigende Nachfrage trifft allerdings auf ein Streckennetz, das nicht mitgewachsen ist und dessen Substanz sich über Jahre hinweg dramatisch verschlechtert hat. Viele Gleise, Weichen, Brücken und Stellwerke sind in der Vergangenheit abgebaut worden beziehungsweise inzwischen überaltert und störanfällig. Die Sanierung des Streckennetzes führt zu vielen Baustellen, die wiederum zu weiteren Engpässen führen.

    Ein modernes Schienennetz ist nicht nur für Wachstum und Klimaschutz erfolgskritisch, sondern auch für Betriebsqualität und Pünktlichkeit, denn: 80 Prozent der Qualität des Eisenbahnsystems entscheiden sich auf dem Schienennetz. Die aktuellen Zuverlässigkeits- und Qualitätsprobleme des Verkehrsträgers Schiene sind – wie schon gesagt – im Kern Kapazitäts- und Überalterungsprobleme der Infrastruktur. Das gilt insbesondere für das hochbelastete Netz von derzeit rund 3.500 Streckenkilometern, auf dem die durchschnittliche Auslastung schon ohne Bauaktivitäten bei rund 125 Prozent liegt und die im Falle von Bauarbeiten schnell auf deutlich über 150 Prozent ansteigen kann.

    Ihre Frage würde ich dennoch mit einem klaren Ja beantworten: Es gibt Hoffnung für die Bahnreisenden. Denn um der gesteigerten Nachfrage gerecht zu werden, haben die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG die Behebung der Kapazitätsengpässe zur Chefsache erklärt.

    Die Deutsche Bahn AG wird ab dem Jahr 2024 eine Generalsanierung der hochbelasteten Korridore durchführen und so bis 2030 über ein Hochleistungskernnetz verfügen. Dabei sollen alle notwendigen Baumaßnahmen der kommenden Jahre gebündelt und jährlich zwei Korridore komplett überholt und modernisiert werden, sodass ein modernes Hochleistungsnetz von rund 9.000 Streckenkilometern entsteht, das jederzeit in den digitalen Betrieb übergehen kann beziehungsweise „ready“ für den Startschuss des Deutschland-Takts ist.

    Die Bundesregierung wird diesen Prozess eng begleiten. Zum einen stellt sie eine hinreichende Finanzierung der Schieneninfrastruktur sicher. Zum anderen soll die durch Bundesminister Dr. Volker Wissing neu eingerichtete Beschleunigungskommission, die sich aus hochrangigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, dem Eisenbahnsektor sowie der Bahn- und Bauindustrie zusammensetzt, als zentrales Steuerungselement der Schienenpolitik dazu beitragen, den Ausbau der Schieneninfrastruktur und eine Kapazitätssteigerung im Bestandsnetz voranzutreiben. Die Arbeit der Kommission zielt insbesondere darauf ab, die Schienenbauprojekte zu beschleunigen, die Schienenkapazität zu steigern, effizientere Finanzierungsinstrumente und -quellen zu schaffen und neue Steuerungsmodelle für die Infrastruktur zu entwickeln. Die Handlungsempfehlungen, die daraus resultieren, sollen sich an Politik, Verwaltung sowie alle Akteure aus dem Eisenbahnsektor sowie der Bahn- und Bauindustrie richten.

    Sie sehen: Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen. Aber wir denken nicht nur langfristig, sondern wollen auch bereits heute die Fahrgäste für den Schienenverkehr begeistern. Ein effektives Baustellenmanagement, Beschleunigungsmaßnahmen sowie eine effiziente Nutzung von Trassen soll dazu beitragen, dass sofort eine spürbare Qualitätssteigerung eintritt und das Reisen auf der Schiene ein Genuss ist.

    Fußnoten

    1
    Mehr Entlastungen, ein Plus für alle
    2
    Rechner zur Lohnsteuer-Entlastung
    3
    Rechner zur Energiesteuer-Entlastung

Fußzeile