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    Er­geb­nis­se der Steu­er­schät­zung vom 10. bis 12. Mai 2022

    • Im Vergleich zum Ergebnis vom November 2021 wurden die Schätzansätze für das gesamtstaatliche Steueraufkommen für die Jahre 2022 bis 2026 durchschnittlich um rund 44 Mrd. Euro p. a. erhöht. Hintergrund ist vor allem die kräftige Aufkommensentwicklung seit der vorangegangenen Schätzung.
    • Die fiskalischen Auswirkungen der angesichts der deutlich gestiegenen Energiepreise beschlossenen umfangreichen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen sind allerdings in den Schätzergebnissen nicht enthalten, da die Steuerschätzung vom zum Schätzzeitpunkt geltenden Steuerrecht ausgeht. Gleiches gilt für weitere in Planung befindliche Gesetzesvorhaben wie Vorhaben zum Ausgleich der kalten Progression.
    • Die Ergebnisse der Steuerschätzung sollten als Momentaufnahme in Zeiten hoher Unsicherheit verstanden werden. Denn das wirtschaftliche Umfeld ist derzeit durch erhebliche Risiken geprägt, insbesondere mit Blick auf die weiteren wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

    Vom 10. bis 12. Mai 2022 fand die 162. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ statt. Vorausgeschätzt wurden die Steuereinnahmen für die Jahre 2022 bis 2026.

    Der unabhängige Arbeitskreis „Steuerschätzungen“
    erstellt in Deutschland die Vorausschätzung für die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden. Dem seit 1955 bestehenden Gremium gehören Expertinnen und Experten der 16 Länder, von fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstituten (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, ifo Institut, Institut für Weltwirtschaft, RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung, Institut für Wirtschaftsforschung Halle), des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Deutschen Bundesbank, des Statistischen Bundesamts, des Deutschen Städtetags, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des BMF, welches den Vorsitz führt, an. In der Regel finden zwei Sitzungen im Jahr statt: im Frühjahr und im Herbst. Auf der Grundlage der Schätzvorschläge verschiedener im Arbeitskreis vertretener Institutionen werden einvernehmlich Vorausschätzungen für jede einzelne Steuerart erstellt.

    Berücksichtigte Steuerrechtsänderungen

    Die Steuerschätzung geht vom geltenden Steuerrecht aus. In Tabelle 1 sind die finanziellen Auswirkungen von Gesetzen und sonstigen Regelungen enthalten, die gegenüber der vorangegangenen Schätzung vom November 2021 neu einzubeziehen waren.

    Auswirkungen der neu in die Steuerschätzung einbezogenen Rechtsänderungen

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    Tabelle 1

    Die neu einbezogenen Rechtsänderungen sind im Einzelnen in der Anlage 2 zur Pressemitteilung des BMF Nr. 15/2022 vom 12. Mai 2022 aufgeführt.1

    Da sich die vom Bundeskabinett vor allem angesichts der deutlich gestiegenen Energiepreise beschlossenen umfangreichen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen zum Zeitpunkt der Schätzung noch im Gesetzgebungsverfahren befanden, wurden deren fiskalische Auswirkungen nicht in die Steuerschätzung einbezogen (s. a. Tabelle 2 und BMF-Pressemitteilung Nr. 15/2022 vom 12. Mai 2022).

    Auswirkungen von nicht in die Steuerschätzung einbezogenen, zum Zeitpunkt der Schätzung noch laufenden Gesetzgebungsvorhaben

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    Tabelle 2

    Daneben sind weitere Gesetzgebungsvorhaben in Planung, die voraussichtlich das Aufkommen der Steuereinnahmen im Schätzzeitraum zusätzlich verringern werden. Das gilt insbesondere mit Blick auf den im Herbst 2022 zu erstellenden Steuerprogressionsbericht, auf dessen Basis der Einkommensteuertarif ab dem kommenden Jahr zum Ausgleich der kalten Progression anzupassen sein wird, sowie den Existenzminimumbericht, aus dem sich inflationsbedingt ein Anpassungsbedarf bei den steuerlichen Freibeträgen zur Freistellung des Existenzminimums (Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag) ergeben dürfte.

    Gesamtwirtschaftliche Annahmen

    Der Steuerschätzung wurden die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Frühjahrsprojektion 2022 der Bundesregierung zugrunde gelegt. Die Bundesregierung erwartet hiernach für dieses Jahr, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine, einen merklich geringeren Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) als noch in der Herbstprojektion 2021, die der Steuerschätzung im November 2021 zugrunde lag. Gleichzeitig fiel der BIP-Anstieg im vergangenen Jahr etwas stärker aus als in der Herbstprojektion 2021 erwartet. Damit wird auf einem höheren Ausgangsniveau als in der November-Steuerschätzung 2021 aufgesetzt. Zudem wird für dieses Jahr eine deutlich kräftigere Preisentwicklung im Vergleich zu den Annahmen der Herbstprojektion 2021 projiziert.

    Im Ergebnis entspricht das für 2022 erwartete Niveau des nominalen BIP – welches für die Steuerschätzung relevant ist – damit ungefähr demjenigen, welches bei der vorangegangenen Schätzung unterstellt wurde. Dabei wird den Erwartungen nach der private Konsum wesentlicher Treiber der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sein, gestützt auch durch eine fortgesetzt positive Arbeitsmarktentwicklung.

    Für das nächste Jahr wird ein kräftigerer Zuwachs der Wirtschaftsleistung erwartet als im Herbst 2021 prognostiziert, vor allem, da positive Impulse aus der Industrie aufgrund des Kriegs und pandemiebedingter Lieferengpässe später erfolgen dürften, als damals unterstellt worden war. In den Jahren 2024 bis 2026 wird in der Frühjahrsprojektion 2022 von einer ähnlichen Dynamik ausgegangen wie in der Herbstprojektion 2021.

    Insgesamt ergibt sich für die Jahre ab 2023 ein Niveau der für die Steuerschätzung relevanten gesamtwirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen und Fortschreibungsgrößen, insbesondere der Bruttolöhne und -gehälter sowie der Unternehmens- und Vermögenseinkommen, oberhalb der Annahmen aus der Novemberschätzung 2021.

    Gesamtwirtschaftliche Vorgaben für die Steuerschätzung Mai 2022 im Vergleich zur vorangegangenen Steuerschätzung

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    Tabelle 3

    Schätzergebnisse

    Entwicklung der Einnahmen im Schätzzeitraum

    Die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen steigen im Schätzzeitraum bis zum Jahr 2026 nach dem Ergebnis der Schätzung auf 1.031,7 Mrd. Euro an (s. a. Tabelle 4).2 Ausgehend vom vorangegangenen Ist-Jahr 2021 mit einem Aufkommen von 833,2 Mrd. Euro bedeutet dies einen Zuwachs im Schätzzeitraum um durchschnittlich 4,4 Prozent pro Jahr.

    Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Gebietskörperschaften

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    Tabelle 4

    Entwicklung der Steuereinnahmen nach Gebietskörperschaften

    Die Gebietskörperschaften partizipieren in unterschiedlichem Ausmaß am erwarteten Anstieg der Steuereinnahmen. Im Jahr 2022 werden die Steuereinnahmen des Bundes im Verhältnis zu den Steuereinnahmen insgesamt gemäß Schätzergebnis (ohne Berücksichtigung der oben genannten, zum Zeitpunkt der Schätzung noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Rechtsänderungen) stärker zunehmen (s. a. Abbildung 1). Dagegen legen die Steuereinnahmen der Länder und insbesondere der Gemeinden im Jahr 2022 voraussichtlich schwächer zu als die Steuereinnahmen insgesamt. Diese Unterschiede in der erwarteten Einnahmeentwicklung werden vor allem durch Veränderungen in der Aufteilung des Aufkommens der Steuern vom Umsatz verursacht. In diesem Jahr verringern sich die vom Bund im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs an Länder und Gemeinden zu übertragenden Festbeträge gegenüber den Vorjahren, nachdem diese infolge der steuerlichen Maßnahmen zur Dämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie stark erhöht gewesen waren. Weiterhin partizipiert der Bund aufgrund des höheren Anteils am Umsatzsteueraufkommen in stärkerem Ausmaß von dem erwarteten kräftigen Wachstum der Einnahmen aus den Steuern vom Umsatz.

    Im Jahr 2023 werden gemäß Schätzung die Steuereinnahmen des Bundes vor allem aufgrund der oben genannten Faktoren nochmals etwas stärker ansteigen als die Steuereinnahmen insgesamt, in den Jahren danach wird dann eine ähnliche Wachstumsdynamik wie für die Steuereinnahmen insgesamt erwartet. Für die Steuereinnahmen der Länder wird im gleichen Zeitraum eine leicht schwächere Dynamik geschätzt, was auch auf etwas geringere erwartete Wachstumsraten bei den Einnahmen aus Ländersteuern zurückzuführen ist. Die Steuereinnahmen der Gemeinden werden voraussichtlich vor allem aufgrund der erwarteten kräftigen Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens im gleichen Zeitraum insgesamt leicht überproportional ansteigen.

    In Bezug auf die in Tabelle 2 ausgewiesenen, nicht berücksichtigten Rechtsänderungen gilt, dass diese die Entwicklung der Steuereinnahmen nach Gebietskörperschaften insbesondere in diesem Jahr merklich beeinflussen werden. Die daraus resultierenden Mindereinnahmen fallen im Jahr 2022 größtenteils beim Bund an.

    Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Schätzzeitraum

    Index, Basis 2021 = 100

    Das Diagramm zeigt anhand von vier Linien die Entwicklung der Steuereinnahmen insgesamt und der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Schätzzeitraum von 2022 bis 2026.
    Es werden Indexwerte angegeben. Das Jahr 2021 stellt den Basiswert von 100 dar.Datenwerte:2022: Steuereinnahmen insgesamt: 106,7; Bund: 110,1; Länder: 105,6; Gemeinden: 100,92023: Steuereinnahmen insgesamt: 111,4; Bund: 116,4; Länder: 109,4; Gemeinden: 105,42024: Steuereinnahmen insgesamt: 115,8; Bund: 120,7; Länder: 113,5; Gemeinden: 111,02025: Steuereinnahmen insgesamt: 119,8; Bund: 124,7; Länder: 117,1; Gemeinden: 115,92026: Steuereinnahmen insgesamt: 123,8; Bund: 128,9; Länder: 121,1; Gemeinden: 120,2Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für die Jahre 2022 bis 2026
    Quelle: Bundesministerium der Finanzen basierend auf Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für die Jahre 2022 bis 2026
    nullSteuereinnahmen insgesamtBundLänderGemeinden
    2021100100100100
    2022106,7110,1105,6100,9
    2023111,4116,4109,4105,4
    2024115,8120,7113,5111,0
    2025119,8124,7117,1115,9
    2026123,8128,9121,1120,2
    Abbildung 1

    Entwicklung der Steuerquote

    Die Steuereinnahmen insgesamt stiegen im Jahr 2021 mit 12,6 Prozent sehr kräftig – auch kräftiger als das nominale BIP (+6,0 Prozent). Damit stieg die Steuerquote, nachdem sie im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie, des gesamtwirtschaftlichen Einbruchs und der ergriffenen steuerlichen Maßnahmen merklich zurückgegangen war, wieder deutlich an. Mit 23,3 Prozent lag sie leicht höher als vor der Pandemie im Jahr 2019 (23,0 Prozent). Für das Jahr 2022 wird – ohne Berücksichtigung der noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungen (s. o.) – ein weiterer leichter Anstieg der Steuerquote erwartet. Für das Jahr 2023 wird gemäß Ergebnis der Steuerschätzung dann ein leichter Rückgang der Quote auf 23,2 erwartet, im weiteren Verlauf des Schätzzeitraums ein sukzessiver Anstieg auf 23,9 Prozent. Durch die Nichtberücksichtigung der noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Steuerrechtsänderungen wird die letztlich zu erwartende Entwicklung der Steuerquoten in den Jahren ab 2022 allerdings überzeichnet.

    Aufkommensentwicklung einzelner Steuerarten

    Grundsätzlich wird die erwartete Entwicklung des Steueraufkommens im Schätzzeitraum von der erwarteten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung insgesamt sowie der Entwicklung einzelner volkswirtschaftlicher Komponenten bestimmt. Der Zusammenhang der einzelnen Steuerarten mit der Konjunkturentwicklung ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Neben der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung haben in den vergangenen beiden Jahren insbesondere die umfangreichen steuerlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise die Einnahmeentwicklung beeinflusst. All dies spiegelt sich auch in den Erwartungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für einige aufkommensstarke Steuerarten im Vergleich zur Entwicklung des nominalen BIP und der Steuern insgesamt wider (s. a. Tabelle 5).

    So sind beispielsweise die Einnahmen der Steuern vom Umsatz im Jahr 2020 mit 9,8 Prozent deutlich stärker zurückgegangen als das nominale BIP. Im vergangenen Jahr war mit einem Anstieg der Steuereinnahmen um 14,3 Prozent – auch durch die schwache Vorjahresbasis bedingt – dann ein kräftiger Rückprall zu beobachten. Für das Jahr 2022 wird ein weiterer deutlicher Anstieg der Einnahmen gegenüber dem Vorjahr erwartet, u. a., da der private Konsum gemäß Frühjahrsprojektion in diesem Jahr angesichts der abflauenden Pandemie und pandemiebedingt aufgestauter Ersparnis kräftig zulegen dürfte. Im weiteren Verlauf des Schätzzeitraums werden Zuwachsraten bei den Einnahmen aus den Steuern vom Umsatz im Wesentlichen entsprechend der unterstellten Entwicklung des nominalen BIP erwartet.

    Auffällig sind auch die für das Jahr 2021 sehr kräftigen Aufkommenssteigerungen gegenüber dem Jahr 2020 bei den gewinnabhängigen Steuern, wie der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer oder der veranlagten Einkommensteuer. Sie lagen teils deutlich über dem Anstieg der Unternehmens- und Vermögenseinkommen im vergangenen Jahr. Insbesondere das Aufkommen der Körperschaftsteuer stieg nach dem Rückgang der Einnahmen im Jahr 2020 um 24,2 Prozent im Jahr 2021 sehr stark um 73,6 Prozent an und schließt damit auch an die Entwicklung der Vorkrisenzeit an. Hier wiederholt sich eine Entwicklung, die bereits im Kontext der Finanzkrise zu beobachten gewesen ist: Das Aufkommen dieser Steuer reagiert sehr stark auf Änderungen der gesamtwirtschaftlichen Dynamik. Für das Jahr 2022 werden für die gewinnabhängigen Steuerarten, u. a. bedingt durch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine, zwar überwiegend keine weiteren Zuwächse erwartet, aber auf Basis des sehr starken Vorjahresaufkommens ein weiterhin kräftiges Ergebnis. Im weiteren Schätzzeitraum wird dann ein Anstieg weitestgehend im Einklang mit der Entwicklung der Unternehmens- und Vermögenseinkommen gemäß Frühjahrsprojektion unterstellt. Bei der Lohnsteuer werden vor allem in diesem und im nächsten Jahr kräftige Zuwachsraten erwartet – im Einklang mit der in der Frühjahrsprojektion unterstellten Fortsetzung der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt.

    Entwicklung der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten und des nominalen BIP

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    Tabelle 5

    Vergleich mit der vorangegangenen Schätzung vom November 2021

    Abweichungen der Steuereinnahmen insgesamt und der Einnahmen der Gebietskörperschaften

    Die Entwicklung der Steuereinnahmen verlief in den vergangenen Monaten wesentlich kräftiger als noch im November 2021 erwartet. Die Ist-Einnahmen im Jahr 2021 lagen insgesamt (Bund, Länder, Gemeinden) um 21,2 Mrd. Euro über dem Schätzansatz aus dem November 2021. In den ersten vier Monaten des Jahres 2022 verzeichneten die Steuereinnahmen ohne Gemeindesteuern einen Zuwachs um 16,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vorjahresbasis durch Sondereffekte verringert worden war, ergaben sich damit kräftige Zuwächse. Insbesondere aus diesen Entwicklungen resultierte eine beträchtliche Erhöhung der Schätzansätze für viele Steuerarten durch den Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ im Mai 2022. Somit werden in allen Schätzjahren insgesamt sowie jeweils für Bund, Länder und Gemeinden höhere Einnahmen prognostiziert als noch im November 2021 geschätzt.

    Insgesamt wurde gegenüber dem Ergebnis der Steuerschätzung vom November 2021 der Schätzansatz des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ für das Jahr 2022 – ohne Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Steuerschätzung noch nicht beschlossenen Rechtsänderungen (s. o.) – um 40,4 Mrd. Euro erhöht (s. a. Abbildung 2).3 Auch für die Jahre 2023 bis 2026 erwartet der Arbeitskreis auf dieser Basis gegenüber der November-Steuerschätzung Mehreinnahmen zwischen 44,0 Mrd. Euro und 46,3 Mrd. Euro. Unterschiede zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ergeben sich aus der Anpassung der Schätzansätze bei den einzelnen Steuerarten, an denen die Gebietskörperschaften zu jeweils verschiedenen Anteilen partizipieren. In Bezug auf die Verteilung auf die Gebietskörperschaften ist darüber hinaus zu bedenken, dass Mindereinnahmen infolge der in Tabelle 2 ausgewiesenen, nicht berücksichtigten Steuerrechtsänderungen in diesem Jahr größtenteils beim Bund anfallen werden. Würde man diese berücksichtigen, so verblieben beim Bund in diesem Jahr so gut wie keine Mehreinnahmen gegenüber der Steuerschätzung vom November 2021.

    Säulendiagramm: Abweichung des Ergebnisses der Steuerschätzung Mai 2022 vom Ergebnis der Steuerschätzung November 2021 Bild vergrößern
    Abbildung 2

    Abweichungen nach Steuerarten

    Die Abweichungen im Schätzansatz Mai 2022 gegenüber dem Ansatz vom November 2021 lassen sich auch bei den einzelnen Steuerarten maßgeblich auf geänderte Erwartungen zur weiteren Einnahmeentwicklung aufgrund der bisherigen Kassenentwicklung zurückführen. Insbesondere bei den Steuern vom Umsatz, den nicht veranlagten Steuern vom Ertrag und der veranlagten Einkommensteuer fiel die Kassenentwicklung seit der Schätzung im November 2021 – unabhängig von der Entwicklung der Bemessungsgrundlagen – deutlich kräftiger aus als damals unterstellt. Daneben spielen auch Änderungen in der unterstellten Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen eine Rolle. Neu zu berücksichtigende Steuerrechtsänderungen hatten nur einen marginalen Einfluss auf das Ergebnis. Eine Übersicht zu den Abweichungen bei den wichtigsten Steuerarten bietet Tabelle 6.

    Abweichungen des Ergebnisses der Steuerschätzung Mai 2022 vom Ergebnis der Steuerschätzung November 2021 nach Steuerarten

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    Tabelle 6

    Fazit

    Obwohl sich aufgrund des Kriegs in der Ukraine die gesamtwirtschaftlichen Perspektiven für dieses Jahr ungünstiger darstellen als noch im Herbst zur vorangegangenen Steuerschätzung erwartet, liegen die erwarteten Steuereinnahmen gemäß der Mai-Schätzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ im gesamten Schätzzeitraum höher als noch im November 2021 prognostiziert. Dies gilt sowohl gesamtstaatlich als auch für den Bund.

    Die Aufwärtsanpassung ist maßgeblich bedingt durch eine deutlich bessere Ausgangsbasis: Die Steuereinnahmen zum Ende des vergangenen Jahres waren sehr viel höher als noch im November 2021 geschätzt. Es gab zudem eine sehr kräftige Einnahmeentwicklung in den ersten vier Monaten des Jahres 2022.

    Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die gesamtwirtschaftliche Prognoseunsicherheit derzeit sehr hoch ist und damit auch die Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung der Steuereinnahmen. Das gilt zuvorderst mit Blick auf die weitere Entwicklung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Folgen. Aber auch durch die Pandemie ist nach wie vor hohe Unsicherheit gegeben, vor allem mit Blick auf erneute oder länger als erwartet anhaltende Lieferengpässe, die sich aus der Situation in China ergeben könnten.

    Hinzu kommt, dass der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ nach geltendem Recht schätzt. Berücksichtigt man die umfangreichen steuerlichen Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen, die sich zum Zeitpunkt der Schätzung noch im Gesetzgebungsverfahren befunden haben, so verbleiben beim Bund in diesem Jahr so gut wie keine Mehreinnahmen gegenüber der Schätzung vom November 2021, da der Bund den Großteil der Entlastungen in diesem Jahr trägt. Die aktuelle Steuerschätzung kann also nur als Momentaufnahme verstanden werden.

    Daneben sind weitere Gesetzgebungsvorhaben in Planung, die voraussichtlich das Aufkommen der Steuereinnahmen im Schätzzeitraum zusätzlich verringern werden. Um der kalten Progression wirkungsvoll zu begegnen, wird die Bundesregierung auf Basis des Progressionsberichts im Herbst den Einkommensteuertarif entsprechend anpassen. Weiterhin dürfte sich inflationsbedingt aus dem Existenzminimumbericht Anpassungsbedarf bei den steuerlichen Freibeträgen zur Freistellung des Existenzminimums ergeben. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in diesem Zusammenhang in der Pressemitteilung zur Steuerschätzung4 betont: „Klar ist auch: An Mehreinnahmen, die sich aus der gestiegenen Inflation ergeben, darf der Staat sich nicht bereichern. Daher werde ich im Herbst einen Vorschlag vorlegen, um die Wirkungen der kalten Progression auszugleichen.“

    Fußnoten

    1
    Die Pressemitteilung ist hier zu finden.
    2
    Die ausführlichen Ergebnistabellen der 162. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ sind hier abrufbar.
    3
    Eine Zusammenstellung der Abweichungen des Ergebnisses der Steuerschätzung Mai 2022 vom Ergebnis der vorhergehenden Steuerschätzung November 2021 für die Steuern insgesamt sowie für die Gebietskörperschaften ist in Anlage 2 [pdf, 152KB] der Pressemitteilung des BMF zur 162. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ zu finden.
    4
    Siehe Fußnote 1.

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