- Die Serie „Deutschlandprüfung 2021/2022 der Financial Action Task Force“ (FATF) berichtete bisher in drei Beiträgen über die verschiedenen Etappen des Prüfungsprozesses. Der neue Beitrag befasst sich mit dem Vor-Ort-Besuch des internationalen Prüferteams in Deutschland.
- Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie wurde der Zeitplan für die Deutschlandprüfung der FATF mehrmals verschoben. Der Vor-Ort-Besuch des Prüferteams fand schließlich im Zeitraum vom 1. bis 19. November 2021 statt.
- Fokus der aktuellen Prüfung ist die Effektivität der nationalen Anstrengung bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
- Bei der Eindämmung illegaler Finanzströme wird im Zuge der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eine stärkere Dynamik entstehen – gerade auch vor dem Hintergrund der FATF-Deutschlandprüfung.
Einleitung
Die FATF ist die internationale Anti-Geldwäscheorganisation, die zur Bekämpfung von Geldwäsche (GW), Terrorismusfinanzierung (TF) und Proliferationsfinanzierung (PF)1 Standards setzt, zu deren Umsetzung sich nahezu alle Länder der Welt verpflichtet haben. Die FATF überprüft auch die effektive Umsetzung ihrer Standards in den Ländern und sanktioniert Umsetzungsmängel in erheblichen Fällen durch öffentliche Listung.
Über die Grundlagen der FATF sowie über die Länderprüfungen im Allgemeinen wurde in Teil 1 berichtet, über den Prüfungsgegenstand sowie die einzelnen Schritte, Akteure und Abläufe der Deutschlandprüfung in Teil 2. Im dritten Teil wurde über die Auswirkung der COVID-19-Pandemie und der sich daraus ergebenden Verschiebung des Vor-Ort-Besuchs des FATF-Prüferteams sowie über die angestoßenen Maßnahmen und Verbesserungen bei der Bekämpfung von GW und TF informiert.
In diesem vierten und vorletzten Teil wird über den im November 2021 stattgefundenen Vor-Ort-Besuch der FATF-Prüferinnen und -Prüfer in Deutschland berichtet.
Was wird geprüft?
Anti-Geldwäschefachleute aus den jeweiligen Mitgliedstaaten der FATF und ihrer Regionalorganisationen überprüfen regelmäßig den Stand der Umsetzung der FATF-Standards in den jeweils anderen Mitgliedstaaten der Organisation. In Deutschland hatte diese Prüfung vor der Deutschlandprüfung 2021/2022 zuletzt in den Jahren 2009/2010 stattgefunden. Seit der im Jahr 2012 begonnenen, vierten Prüfungsrunde bewerten die Prüferinnen und Prüfer nicht nur, wie gut das geprüfte Land die FATF-Standards „auf dem Papier“ – durch die Schaffung von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsrichtlinien – umgesetzt hat (Prüfung der sogenannten Technical Compliance). Es geht bei der Prüfung auch darum, wie effektiv das Anti-Geldwäschesystem des jeweiligen Landes verschiedene näher definierte Zielbereiche, sogenannte Immediate Outcomes (IOs), erreicht (Prüfung der Effektivität oder Effectiveness). Mit jeder Prüfungsrunde soll der internationale Kampf gegen GW, TF und PF durch die Stärkung der einzelnen Länder insgesamt vorangetrieben werden.
Der Vor-Ort-Besuch
Zentraler Bestandteil jeder FATF-Länderprüfung ist ein Vor-Ort-Besuch (oder auch On-Site Visit) in dem zu prüfenden Land, bei dem sich die Prüferinnen und Prüfer im Rahmen zahlreicher Gespräche und Besichtigungen, wie beispielsweise bei der Financial Intelligence Unit (FIU) in Köln, ein Bild von der Effektivität der Geldwäschebekämpfung in der Praxis machen.
Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie konnte der Vor-Ort-Besuch in Deutschland, wie bei anderen laufenden FATF-Prüfungen (in Frankreich, Indonesien, Katar, Luxemburg und den Niederlanden), nicht zum ursprünglich geplanten Termin (in Deutschland im Oktober/November 2020) stattfinden. Die Vor-Ort-Prüfung wurde zunächst auf März 2021 verlegt und musste pandemiebedingt ein zweites Mal auf November 2021 verschoben werden. Der On-Site Visit fand als hybride Veranstaltung, also physisch und virtuell, über einen Zeitraum von drei Wochen vom 1. bis 19. November 2021 statt. Haupttagungsort war das BMF in Berlin.
Während des Vor-Ort-Besuchs traf sich das Prüfungsteam mit Zuständigen im öffentlichen und privaten Sektor und verschaffte sich in einer Vielzahl von Interviews mit Akteurinnen und Akteuren aus Ministerien, Aufsicht und Strafverfolgung in Berlin und anderen Städten in Deutschland (z. B. neben der FIU auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn) einen unmittelbaren Eindruck von der deutschen Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung. Von deutscher Seite wurde erläutert, wie der Staat die gemeinsam vereinbarten Regeln umsetzt – nicht nur auf dem Papier, sondern auch effektiv in der Praxis.
Im Wesentlichen wurden Fallbeispiele, praktische Erfahrungen, Statistiken und Rückfragen zu den Einreichungen thematisiert. Die Interviews fanden als Gruppen- oder Einzelinterviews größtenteils in Parallelsitzungen statt, natürlich immer unter strikter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen und -Hygienevorschriften.
Der damalige BMF-Staatssekretär Dr. Jörg Kukies (seit Dezember 2021 Staatssekretär im Bundeskanzleramt) begrüßte die FATF-Expertinnen und -Experten am ersten Tag und eröffnete damit den On-Site Visit. Nach den dreiwöchigen Marathonsitzungen verabschiedete er das Prüferteam im Rahmen der Schlusssitzung. Der ehemalige Bundesfinanzminister und jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz traf die Prüferinnen und Prüfer ebenfalls und gab ihnen einen Überblick über die Bedeutung und die Zukunft der GW-/TF-Bekämpfung.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Von deutscher Seite nahmen über 700 Interviewpartnerinnen und -partner aus dem öffentlichen und privaten Sektor in physischen sowie virtuellen Sitzungsformaten teil.
Beteiligte aus dem öffentlichen Sektor:
- Bundesregierung: Bundeskanzleramt, BMF, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Bundesministerium des Innern und für Heimat, Auswärtiges Amt, Bundesministerium der Justiz und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung;
- Polizeibehörden, z. B. Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter, Nachrichtendienste;
- Justiz, z. B. Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Generalstaatsanwaltschaften, Schwerpunktstaatsanwaltschaften;
- Generalzolldirektion, insbesondere FIU und Zollkriminalamt;
- Aufsichtsbehörden, z. B. BaFin für den Finanzsektor; Ministerien und Behörden aus den verschiedenen Bundesländern für den Nichtfinanzsektor sowie die Kammern der Freien Berufe (z. B. Steuerberaterkammer);
- Deutsche Bundesbank.
Beteiligte aus dem Privatsektor:
- Banken,
- Finanzdienstleister,
- Versicherungen,
- Freie Berufe in Bereichen wie Notariatswesen, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Anwaltswesen sowie
- aus den Bereichen Glücksspielangebote, Immobilienwirtschaft, Güterhandel und anderen.
Das FATF-Prüferteam bestand aus acht Personen, die aus europäischen und außereuropäischen Mitgliedsländern der globalen FATF für diese Prüfung entsandt worden waren. Begleitet und unterstützt wurden die Prüferinnen und Prüfer von drei Personen aus dem FATF-Sekretariat in Paris.
Welche Noten gibt es?
Geprüft wurden anhand der FATF-Methodik die elf thematisch unterschiedlichen Zwischenziele (IOs) und damit der Grad der Effektivität. Die Effektivität wird zum Zeitpunkt der Prüfung bewertet. Da die Bewertung der praktischen Arbeit in einem gesamten Land zu einem Stichtag nur schwer möglich ist, wird die Arbeit der Jahre seit der vorangegangenen Prüfung anhand von Beispielen und Statistiken herangezogen. Jedes der Zwischenziele beziehungsweise IOs wird einzeln mit einem Ranking (hohe, solide, moderate, geringe Effektivität) benotet, siehe nachfolgende Abbildung 1.

Welche Konsequenzen hat die Länderprüfung?
Um den internationalen Kampf gegen GW, TF und PF zu stärken, wird die Beseitigung der in einer Prüfung festgestellten Defizite durch das geprüfte Land nachgehalten. Dieser sogenannte Follow-up-Prozess kann, abhängig von der Schwere der erkannten Mängel, in drei Intensitätsstufen erfolgen:
- „regular follow-up“: Das Land muss alle drei Jahre über die Fortschritte bei der Technical Compliance berichten.
- „enhanced follow-up“: Das Land muss jährlich über die Fortschritte bei der Technical Compliance berichten, wie es bei größeren Dritt- und europäischen Staaten nach der Prüfung der Fall war.
- Listungsverfahren mit Grau- und Schwarzlistung: Das Land erhält einen Maßnahmenplan zur Verbesserung der Technical Compliance und der Effektivität mit engem Monitoring und wird während der Umsetzung öffentlich gelistet.
- Bei einer Graulistung fordert die FATF die Weltgemeinschaft über die öffentliche Listung hinaus nicht zu bestimmten Rechtsfolgen auf. Das namentliche Anprangern („naming and shaming“) führt in der Praxis aber häufig schon zu wirtschaftlich spürbaren Effekten, beispielsweise zu schwierigen Beziehungen zu Korrespondenzbanken oder einem Rückgang ausländischer Direktinvestitionen. Dies betrifft aktuell einige Drittländer und nur einen europäischen Mitgliedsstaat.
- Bei einer Schwarzlistung ruft die FATF darüber hinaus zur Einhaltung erhöhter Sorgfaltspflichten und gegebenenfalls darüber hinaus zu konkreten Gegenmaßnahmen auf, die auf eine Beschränkung/Einstellung insbesondere des Finanz- und Zahlungsverkehrs mit dem Land abzielen. Betroffen hiervon sind aktuell nur zwei Drittländer.
Aktualisierter Zeitplan
Am Ende der Prüfung wird ein Bericht, der Mutual Evaluation Report (MER), vom FATF-Team erstellt. Darin enthalten sind die wesentlichen Feststellungen sowie ein Katalog an Handlungsempfehlungen und Maßnahmen im Bereich der Bekämpfung der GW und TF. Der MER wird in der Plenumswoche der FATF im Juni 2022 beschlossen und nach einer anschließenden Qualitäts- und Konsistenzkontrolle von etwa sechs Wochen veröffentlicht (voraussichtlich im August 2022). Damit endet die Deutschlandprüfung in dieser aktuellen vierten Prüfungsrunde, die voraussichtlich noch mindestens bis zu den Jahren 2024/2025 mit weiteren Länderprüfungen der FATF-Mitgliedsländer andauern wird.
Ausblick
Die Präsentationen, Gespräche und Interviews mit den FATF-Expertinnen und -Experten wurden sehr offen und klar geführt. Es bleibt nun abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Diskussion innerhalb des Prüferteams führt.
Der beschlossene MER enthält einen Katalog mit empfohlenen Maßnahmen, dessen Umsetzung von der FATF nachgehalten wird. Im Rahmen der Serie „Deutschlandprüfung 2021/2022 der Financial Action Task Force“ ist ein fünfter und letzter Artikel geplant, der die Ergebnisse der Prüfung nach dem FATF-Plenum im Juni 2022 zusammenfasst und ein Fazit zieht.
Das BMF wird in umfassender Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung sowie mit allen beteiligten Behörden, den Bundesländern, dem Privatsektor sowie auf europäischer und internationaler Ebene die Umsetzung der Empfehlungen im Rahmen der nationalen Koordinierung sehr eng begleiten und aktiv vorantreiben. Der Anspruch ist klar: die Bekämpfung von Finanzkriminalität weiter auszubauen und zu verbessern, in vollem Einklang mit internationalen und europäischen Standards.
Fußnoten
- 1
- Als Proliferation wird die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bezeichnet.