- Zum 1. September 2021 wurde abschließend geprüft, wie im Jahr 2020 im Haushaltsvollzug die Schuldenregel des Bundes (Schuldenbremse) eingehalten worden war.
- Die strukturelle Nettokreditaufnahme (NKA) belief sich im Jahr 2020 auf 1,60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
- Die Regelobergrenze für die strukturelle NKA (0,35 Prozent des BIP = 11,7 Mrd. €) wurde nach abschließendem Ergebnis um 41,893 Mrd. € überschritten. Die Überschreitung liegt damit um 76,8 Mrd. € unter dem im Nachtragshaushaltsplan vorgesehenen Betrag. Die Überschreitung der Regelgrenze ist aufgrund der Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 Grundgesetz verfassungskonform.
- Die aufgrund dieser Ausnahmeregel erhöhte NKA ist im Rahmen eines Tilgungsplans zurückzuführen. Gemäß dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Tilgungsplan für das Jahr 2020 ergibt sich aus dem zu tilgenden Betrag von 41,893 Mrd. € ab dem Jahr 2023 ein Tilgungsbetrag von 2,095 Mrd. € pro Jahr bis zum Jahr 2042.
Nach Art. 115 Abs. 2 Satz 1 bis 3 Grundgesetz (GG) sind Einnahmen und Ausgaben des Bundes grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Dem wird entsprochen, wenn die strukturelle Nettokreditaufnahme (NKA) 0,35 Prozent des BIP nicht überschreitet. In Art. 115 Abs. 2 Satz 6 und 7 GG ist auch geregelt, dass im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staats entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, diese Kreditobergrenze auf Grundlage eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestags überschritten werden darf und ein Tilgungsplan zu beschließen ist.1
Für das Jahr 2020 hat der Deutsche Bundestag aufgrund der Corona-Pandemie eine entsprechende Notsituation festgestellt. Gleichzeitig hat der Deutsche Bundestag einen Tilgungsplan beschlossen, nach dem die aufgrund der Ausnahmeregel aufgenommenen Kredite ab dem Jahr 2023 über 20 Jahre in gleichen Raten zurückgeführt werden. Die abschließende Berechnung, aus der sich die endgültige Höhe der Tilgungsverpflichtung ab dem Jahr 2023 ergibt, orientiert sich an den Vorschriften über die jährliche Abrechnung für die Buchung auf dem Kontrollkonto (§ 7 Abs. 1 Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG und § 3 Verordnung über das Verfahren zur Bestimmung der Konjunkturkomponente nach § 5 des Artikel 115-Gesetzes).
Das Ergebnis dieser abschließenden Abrechnung der Schuldenbremse zum 1. September 2021 ist in Tabelle 1 dargestellt und wird danach kurz erläutert.
Aufstellung und Abrechnung des Haushalts des Bundes und der relevanten Sondervermögen für das Jahr 2020 gemäß Schuldenbremse
Tabelle vergrößernDer Bundeshaushalt des Jahres 2020 wurde stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinflusst. Im Haushaltsgesetz 2020 vom 21. Dezember 2019 war noch ein Haushaltsausgleich ohne Aufnahme neuer Schulden vorgesehen gewesen. Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen wurden zwei Nachtragshaushalte beschlossen, die erstmals seit sechs Jahren eine NKA vorsahen. Mit einer geplanten NKA von insgesamt rund 198,7 Mrd. € (NKA Bundeshaushalt 217,8 Mrd. € zuzüglich der positiven Finanzierungssalden der relevanten Sondervermögen 19,1 Mrd. €) wurde die zulässige NKA um rund 118,7 Mrd. € überschritten. Für die Überschreitung der Regelgrenze hat der Deutsche Bundestag eine außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staats entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, festgestellt. Demnach war nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG eine Überschreitung der Regelgrenze möglich. (vgl. auch Monatsbericht des BMF vom August 2020 „Nachtragshaushalt 2020 des Bundes (Sollbericht)“)
Für die Überprüfung, wie die Schuldenregel im Haushaltsvollzug eingehalten wurde, bleibt die erstmalige Haushaltsaufstellung generell Ausgangspunkt für die Abrechnung der Schuldenregel. Mittels eines Vergleichs der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung mit den Erwartungen zum Zeitpunkt der Aufstellung des ersten Haushalts wird die zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung ermittelte Konjunkturkomponente an die tatsächliche gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Haushaltsjahr angepasst (vgl. Tabelle 1 Position 5 Ist). Hierdurch werden die Auswirkungen des Konjunktureinbruchs infolge der Corona-Pandemie bei der Schuldenbremse berücksichtigt.
Um die Einhaltung der Schuldenbremse im Haushaltsvollzug zu überprüfen, wird die tatsächliche strukturelle NKA mit der maximal zulässigen strukturellen NKA (beziehungsweise die tatsächliche NKA mit der zulässigen NKA) verglichen. Die tatsächliche NKA beträgt im Ist 2020 rund 102,8 Mrd. € (vgl. Tabelle 1 Position 8 Ist). Sie setzt sich zusammen aus der NKA des Bundeshaushalts von rund 130,5 Mrd. € sowie den Finanzierungssalden der relevanten Sondervermögen von insgesamt rund 27,7 Mrd. €. Diese positiven Finanzierungssalden verringern die zu berücksichtigende NKA entsprechend. Zuzüglich des Saldos finanzieller Transaktionen von -6,6 Mrd. € (vgl. Tabelle 1 Position 6 Ist) und zuzüglich der nunmehr abschließend an die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung angepassten Konjunkturkomponente von -42,6 Mrd. € (vgl. Tabelle 1 Position 5 Ist) beläuft sich die strukturelle NKA des Bundes auf Basis gesamtwirtschaftlicher Daten vom August 2021 auf rund 53,6 Mrd. € beziehungsweise 1,60 Prozent des BIP (vgl. Tabelle 1 Position 9 Ist). Damit wird die Obergrenze für die strukturelle NKA (0,35 Prozent des BIP des Vorvorjahres, in diesem Fall des Jahres 2018 = rund 11,7 Mrd. €) um 41,893 Mrd. € überschritten (vgl. Tabelle 1 Position 10 Ist).
Eine im Vollzug festgestellte Abweichung ist grundsätzlich auf dem Kontrollkonto zu verbuchen. Da von der Ausnahmeregelung Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG Gebrauch gemacht wurde, ist der auf dem Kontrollkonto zu verbuchende Betrag um die aufgrund der beschlossenen Ausnahmeregelung erhöhte NKA zu bereinigen. Auf dem Kontrollkonto ist daher kein neuer Betrag zu buchen. Der Saldo des Vorjahres in Höhe von 52,0 Mrd. € bleibt unverändert.
Gemäß Beschluss des Deutschen Bundestags vom 2. Juli 2020 werden die aufgrund der Ausnahmeregelung gemäß Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG aufgenommenen Kredite des Haushaltsjahrs 2020 ab dem Bundeshaushalt 2023 sowie in den folgenden 19 Haushaltsjahren in Höhe von jeweils einem Zwanzigstel des Betrags der Kreditaufnahme zurückgeführt, der nach Abschluss des Bundeshaushalts 2020 die nach Art. 115 Abs. 2 Satz 2 und 3 GG zulässige Verschuldung überstiegen hat. Ein Zwanzigstel des abschließend berechneten Überschreitungsbetrages von rund 41,893 Mrd. € sind 2,095 Mrd. €, die ab dem Jahr 2023 jährlich zurückzuführen sind.
Zu dieser Tilgungsverpflichtung werden weitere Tilgungsverpflichtungen aus dem Jahr 2021 und nach dem Entwurf des Bundeshaushalts 2022 hinzutreten. Die Bundeshaushalte 2021 und 2022 stehen weiterhin im Zeichen der Auswirkungen der Corona-Pandemie und der entschlossenen Bewältigung der Krise. Für das Jahr 2021 hat der Deutsche Bundestag nochmals eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne von Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG festgestellt und eine 17-jährige gleichbleibende Tilgung ab dem Jahr 2026 beschlossen. Nach dem Bundeshaushalt 2021 ergibt sich eine Überschreitung der Regelgrenze der Neuverschuldung um rund 216,4 Mrd. €. Für das Jahr 2022 sieht der Entwurf des Bundeshaushalts eine Überschreitung der Regelgrenze um rund 98,4 Mrd. € vor. Damit ergibt sich für beide Jahre insgesamt ein vorläufiger Rückführungsbetrag ab dem Haushaltsjahr 2026 von insgesamt 18,5 Mrd. € (rund 12,7 Mrd. € für die geplante Überschreitung der Regelgrenze im Jahr 2021 und rund 5,8 Mrd. € für die geplante Überschreitung der Regelgrenze im Jahr 2022). Nach jetzigem Stand würden zusammen mit dem Tilgungsplan für die Überschreitung der Regelgrenze im Jahr 2020 in den Jahren 2026 bis 2042 jährlich rund 20,6 Mrd. € zu tilgen sein.
Aus den Tilgungsplänen erwächst keine unmittelbare Verpflichtung zur Nettotilgung der oberhalb der Regelgrenze aufgenommenen Kredite. Die Rückführung (Tilgung) der Kredite erfolgt über eine Verringerung des Neuverschuldungsspielraums.
Die tatsächliche Höhe steht für den Rückführungsbetrag aus dem Jahr 2021 erst mit Abrechnung der Schuldenbremse zum 1. September 2022 fest. Der Tilgungsbetrag für das Jahr 2022 steht unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Beschlusses des Deutschen Bundestags zur Nutzung der Ausnahmeklausel für den Bundeshaushalt 2022 und darüber hinaus erst mit der Abrechnung der Schuldenbremse für das Jahr 2022 zum 1. September 2023 fest (vgl. Tabelle 2).
In der Tabelle 2 wird der Tilgungsplan zum Stand 1. September 2021 für die Jahre 2023 bis 2042 dargestellt.
Fußnoten
- 1
- Siehe auch Kompendium zur Schuldenbremse [pdf, 643KB]