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  • Schlaglicht: Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen

    Im In­ter­view: Staats­se­kre­tär Wolf­gang Schmidt

    Wolfgang Schmidt während einer Pressekonferenz BildVergroessern
    Staatssekretär Wolfgang Schmidt; © Bundesministerium der Finanzen/photothek

    Kulturveranstaltungen sollen im gewissen Rahmen bald wieder möglich sein. Die Branche wird nun mit einem Sonderfonds unterstützt. Wie werden solche Unterstützungsmaßnahmen eigentlich entwickelt? Bleibt in einer Krise Zeit, um sich mit den betroffenen Branchen abzustimmen?

    Gerade in Krisenzeiten ist der direkte Austausch mit den Betroffenen unerlässlich. Dafür haben wir uns die Zeit genommen. Sowohl ich selbst als auch die tollen Kolleginnen und Kollegen hier im Ministerium. So konnten wir ganz gut klären, wo genau der Schuh drückt und wie wir helfen können.

    Welche Probleme wurden denn genannt?

    Das erste Problem, das von der Branche beschrieben wurde, war, dass auf dem freien Markt keine Versicherungslösungen mehr für coronabedingte Ausfälle von großen Kulturveranstaltungen wie etwa Festivals oder Konzerte in Stadien angeboten werden. Wegen der großen Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie gibt es jedoch enorme Risiken für die Veranstaltenden. Der Ausfall eines solchen Festivals kann schnell die wirtschaftliche Existenz bedrohen. Um da zu helfen, haben wir die Ausfallabsicherung geschaffen.

    Ein zweites Problem ergibt sich aus den deutlich geringeren Gästezahlen bei Kulturveranstaltungen. Bei 1,5 Metern Abstand bekommen Sie einen Konzertsaal eben nicht voll. So führen die Corona-Schutzmaßnahmen dazu, dass sich kleinere Kulturveranstaltungen nicht rechnen und daher abgesagt oder gar nicht erst geplant werden. Wir wollen aber, dass der Kulturbetrieb wieder anläuft. Denn dann bekommen die Künstlerinnen und Künstler ebenso ihre Gagen wie die Tontechnikerinnen und Tontechniker oder die vielen anderen, die an einem Konzert oder einer Theateraufführung beteiligt sind. Da hilft nun die Wirtschaftlichkeitshilfe.

    Aus diesen beiden Modulen – Wirtschaftlichkeitshilfe und Ausfallabsicherung – setzt sich der jetzt gestartete Sonderfonds für Kulturveranstaltungen zusammen.

    Gab es Kritik aus der Kulturbranche? Was haben Sie sich besonders zu Herzen genommen?

    Da wir den Fonds im engen Austausch mit der Branche entwickelt haben, habe ich wenig Kritik gehört. Ich habe mich gefreut, dass sich viele sogar sehr positiv geäußert haben.

    Aber natürlich können wir nicht alle Wünsche erfüllen. Künstlerinnen und Künstler und die Kulturbranche insgesamt wurden von den Corona-Maßnahmen und ihren Folgen besonders hart getroffen. Besonders beschäftigt hat Olaf Scholz und auch mich die Situation vieler Soloselbstständiger. Deren Lage war und ist teilweise wirklich schwierig. Als Bundesregierung müssen wir jeweils eine gute Balance finden, um einerseits so gut wie möglich zu helfen und andererseits verantwortlich mit dem Geld der Steuerpflichtigen umzugehen. Da gab es Härten, die ich gerne vermieden hätte.

    Manche hätten sich sicher auch gewünscht, dass der Sonderfonds früher startet. Hier mussten wir einen Kompromiss zwischen den Anliegen der Kulturbranche einerseits und dem Gesundheitsschutz andererseits finden. Jetzt gehen die Infektionszahlen deutlich zurück, und auch das kulturelle Leben kann endlich wieder losgehen.

    Wie setzt sich das BMF dafür ein, dass Kulturveranstaltende schnellstmöglich Unterstützung erhalten?

    Wir haben besonderen Wert darauf gelegt, dass möglichst alle Kulturveranstaltungen gefördert werden und dass diese Förderung möglichst unbürokratisch erfolgt. Die Hilfe des Sonderfonds soll eben in der Breite der Kulturlandschaft ankommen und die Förderung soll möglichst gezielt und fair ausgestaltet sein. Voraussetzung dafür, dass die Hilfen schnell und gezielt bei Veranstaltenden ankommen, ist, dass der administrative Aufwand für Antragstellende und Bewilligungsstellen gleichermaßen möglichst gering ist.

    Wir werden uns jetzt in der Umsetzung dafür einsetzen, dass die Kulturveranstaltenden die Unterstützung tatsächlich auch schnellstmöglich erhalten. Die Anträge und die Bewilligungen werden von den Kulturministerien der 16 Länder abgewickelt. Innerhalb der Bundesregierung übernimmt die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien die Koordinierung. Diese Zusammenarbeit mit den Ländern ist sehr gut. Schon im Vorfeld hat sich das BMF intensiv mit ihnen abgestimmt, sodass die besondere Internetseite, die Antragsplattform, FAQs und eine gemeinsame Info-Hotline der Länder pünktlich zum Start der Registrierung von Veranstaltungen am 15. Juni 2021 bereitgestellt worden sind.

    Können Sie die beiden Bausteine des Sonderfonds in ihren Grundzügen schildern? Wer profitiert davon?

    Vom Sonderfonds können grundsätzlich alle Veranstaltenden von Kulturveranstaltungen profitieren, die erstens Tickets verkaufen und zweitens zu den förderfähigen Kulturveranstaltungen gehören. Dazu erarbeiten Bund und Länder eine Positivliste förderfähiger Kulturveranstaltungen, die auf der Website des Sonderfonds veröffentlicht wird. Nach dem aktuellen Stand der Abstimmung wird eine ganze Reihe von Kulturveranstaltungen profitieren: Neben Theater- und Kinovorführungen sind dies auch Ausstellungen oder Literaturveranstaltungen, Festivals sowie Konzerte.

    Die zwei Bausteine des Sonderfonds orientieren sich sowohl an der Größe der Veranstaltungen als auch an den Bedürfnissen der Veranstaltenden. Die werden sich in den nächsten Wochen bei hoffentlich weiter rückläufigen Infektionszahlen verändern. Als erster Baustein soll die Wirtschaftlichkeitshilfe dabei helfen, in dieser Phase der Lockerungen kleinere Veranstaltungen unter coronabedingten Einschränkungen überhaupt erst wieder wirtschaftlich durchführbar zu machen. Dazu gibt es einen Zuschuss zu den Einnahmen aus Ticketverkäufen. So werden anfallende Verluste ausgeglichen. Das reduziert die wirtschaftlichen Risiken und verbessert die Planbarkeit von Veranstaltungen. Damit wird eine erste Phase des Neustarts für die Kulturlandschaft schnell, unbürokratisch und gleichzeitig gezielt von staatlicher Seite unterstützt.

    Anträge für die Wirtschaftlichkeitshilfe des Sonderfonds sollen ab dem 1. Juli 2021 möglich sein. Die Einführung der Wirtschaftlichkeitshilfe erfolgt gestuft: Im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Juli 2021 werden Veranstaltungen bis zu maximal 500 Teilnehmenden gefördert, ab dem 1. August 2021 können Veranstaltungen bis zu 2.000 Teilnehmenden gefördert werden. Natürlich immer so, wie es die Corona-Vorschriften der Länder erlauben.

    Und das zweite Element?

    Als zweiter Baustein stellt der Sonderfonds eine Ausfallabsicherung bereit. Diese schafft Planungssicherheit für größere Kulturveranstaltungen ab 2.000 Teilnehmenden, die für die Zeit ab dem 1. September 2021 geplant werden. Mit der Ausfallabsicherung übernimmt der Sonderfonds im Fall von coronabedingten Absagen, Teilabsagen oder Verschiebungen von Veranstaltungen einen Teil der Ausfallkosten. So können die Veranstaltenden jetzt schon Festivals und Tourneen planen, auch für das nächste Jahr. Ohne dabei Angst haben zu müssen, dass die dann wegen einer nicht auszuschließenden erneuten Corona-Welle abgesagt werden und sie das finanzielle Risiko tragen.

    Für den Sonderfonds stehen 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Wie wurde diese Summe ermittelt?

    Wir haben uns zunächst angeschaut, in welchem Umfang in normalen Jahren Kulturveranstaltungen in Deutschland stattfinden und welche Umsätze erwirtschaftet werden. Auf dieser Basis haben wir dann mit bestimmten Annahmen, u. a. zur Auslastung unter pandemiebedingten Kapazitätsbeschränkungen sowie zur Inanspruchnahme der Module des Sonderfonds, eine Abschätzung über das erforderliche Gesamtvolumen vorgenommen. Dabei haben wir so geschätzt, dass die Mittel des Sonderfonds auch in der Breite der Kulturwirtschaft ankommen können. Herausgekommen ist das größte Kulturförderprogramm der bundesdeutschen Geschichte. Das kann sich, denke ich, sehen lassen.

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    Staatssekretär Wolfgang Schmidt; © Bundesministerium der Finanzen/photothek

    Warum gab es nicht schon eher finanzielle Unterstützung für Kulturveranstaltungen?

    Die gab es. Olaf Scholz war das ein persönliches Anliegen. Daher haben wir inzwischen 2 Milliarden Euro für das Programm NEUSTART KULTUR zur Verfügung gestellt, das vor allem über die verschiedenen Organisationen der Kultur bereitgestellt wird. Und in der sogenannten Überbrückungshilfe III, also dem Zuschussprogramm für von der Pandemie betroffene Unternehmen und Selbstständige, haben wir besondere Hilfen für die Veranstaltungswirtschaft aufgenommen. Hinzu kommt die Neustarthilfe für Soloselbstständige. Hiervon profitiert aufgrund der relativ großen Zahl von Soloselbstständigen insbesondere auch die Kulturwirtschaft. Die Überbrückungshilfe III haben wir ebenso wie die Neustarthilfe übrigens gerade noch einmal deutlich erweitert und bis Ende September 2021 als Überbrückungshilfe III Plus und Neustarthilfe Plus verlängert.

    Die gezielte Hilfe für die Kulturveranstaltungen konnte erst jetzt starten, da die Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie endlich Stück für Stück aufgehoben werden.

    Sie haben jetzt einige Corona-Hilfsprogramme genannt. Wie reiht sich der Sonderfonds da ein?

    Der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen ist ein gutes Beispiel für die Strategie des Finanzministers zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie. Wir passen alle Corona-Hilfsprogramme kontinuierlich an die sich verändernden Bedürfnisse der Unternehmen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Selbstständigen an. Angesichts der besonderen Betroffenheit einzelner Branchen stellen wir möglichst passgenaue Hilfen zur Verfügung.

    Gleichzeitig ist der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen im Vergleich der verschiedenen Hilfsprogramme ein ganz besonderes Instrument. Während die übrigen Programme überwiegend Hilfen für die langen Phasen der Corona-Schließungen bereitstellen, unterstützen wir hier als Staat gezielt den Neustart der Kulturbranche. In dieser Phase noch hoher wirtschaftlicher Unsicherheit übernimmt der Bund mit dem Sonderfonds einen Teil des ökonomischen Risikos der Kulturveranstaltenden.

    Seit über einem Jahr leben wir in einer Ausnahmesituation. Seit vielen Monaten finden keine kulturellen Veranstaltungen statt. Bald ist es aber wieder so weit: Kino, Konzert, Theater – worauf freuen Sie sich am meisten?

    Da geht es mir wie so vielen im Land: Es wird nochmals sehr deutlich, wie sehr die Kultur gefehlt hat. In Berlin läuft aktuell ein Summer Special der Berlinale. Ein Sommerabend im Freiluftkino ist schon toll. Jetzt freue ich mich auf die ersten Konzerte. Ich habe z. B. seit eineinhalb Jahren Karten für „Die Sterne“ und hoffe, dass das dieses Jahr endlich stattfinden kann …

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