Rückblick auf die Videokonferenzen der Eurogruppe am 3. November 2020 und des ECOFIN-Rats am 4. November 2020
Eurogruppe
Bei der Eurogruppe am 3. November 2020 standen ein Austausch mit der ECON-Vorsitzenden, der Euro als digitale Währung sowie die Anhörungen des Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) und des Einheitlichen Abwicklungsgremiums (Single Resolution Board, SRB) auf der Agenda.
Die Eurogruppe tauschte sich zur aktuellen Lage mit der Vorsitzenden des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments (ECON) Irene Tinagli sowie der Direktorin des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) Dr. Andrea Ammon aus. Dr. Andrea Ammon äußerte ihre Sorge über steigende Infektionszahlen. Es brauche Eindämmungsmaßnahmen, den Schutz von medizinischem Personal und Pflegepersonal sowie von Risikogruppen und den Zugang zu Tests. Für 2021 müsse es eine Impfstrategie geben. Irene Tinagli sprach sich für eine weitere fiskalische Expansion aus. Das Europäische Parlament arbeite an den vorliegenden Vorschlägen zu Next Generation EU. Es bleibe aber die Frage, ob diese Maßnahmen auch jetzt in der zweiten Infektionswelle noch adäquat seien. Zudem betonte Irene Tinagli die Bedeutung der Banken- und Kapitalmarktunion.
Die Europäische Kommission erklärte, dass die wirtschaftliche Erholung erst einmal unterbrochen sei. Unter den Mitgliedstaaten gebe es Unterschiede hinsichtlich der Tiefe der Rezession und des Tempos der wirtschaftlichen Erholung. Die Fiskalpolitik müsse weiterhin die Wirtschaftsentwicklung unterstützen. Die Implementierung von Next Generation EU und der Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, RRF) dürfte ebenfalls unterstützend wirken. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) verwies auf die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung und sprach sich für eine zügige Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen wie der RRF aus. Auch der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) hob die Bedeutung einer zügigen Umsetzung der Beschlüsse hervor.
Der Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz verwies auf die Eindämmungsmaßnahmen in Deutschland. Zudem betonte er, wie andere Mitgliedstaaten auch, die Notwendigkeit einer zügigen Einigung mit dem Europäischen Parlament zur RRF nach der Einigung im Rat im Oktober. Einige Mitgliedstaaten verwiesen auf die Umsatzeinbußen in ihrem jeweiligen Tourismussektor. Mehrere Mitgliedstaaten betonten, dass die Fiskalpolitik die Wirtschaft weiterhin unterstützen müsse. Einige Mitgliedstaaten wiesen auch darauf hin, dass die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen berücksichtigt werden müsse.
Zudem tauschte sich die Eurogruppe über die Möglichkeit eines digitalen Euros aus. Die EZB stellte hierzu ihren veröffentlichten Bericht vor und verwies darauf, dass die Auswirkungen auf Bankensektor, Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie auf die Zentralbank selbst zu prüfen seien. Derzeit laufe bis zum 12. Januar 2021 eine öffentliche Konsultation zu einem digitalen Euro. Die Europäische Kommission betonte die Möglichkeit, dass durch einen digitalen Euro die Resilienz der Wirtschaft, die strategische Souveränität Europas sowie die Rolle des Euros gestärkt werden könnte. Ein digitaler Euro könnte die bisherigen Zahlungsmöglichkeiten, einschließlich Bargeld, ergänzen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte, dass der Euro bei diesem Thema nicht hinter anderen Währungen zurückbleiben dürfe. Ein digitaler Euro könnte eine öffentliche Antwort auf neuere technologische Entwicklungen im Zahlungsverkehr, wie z. B. privat emittierte sogenannte Stablecoins sein. Eine grundsätzliche Entscheidung sollte im kommenden Jahr getroffen werden. Auch die weiteren wortnehmenden Mitgliedstaaten signalisierten grundsätzliche Unterstützung für die weiteren Beratungen zu einem digitalen Euro. Es müssten die Auswirkungen auf die Finanzstabilität bedacht werden. Der Vorsitz erklärte, das Thema in einer der kommenden Sitzungen erneut aufgreifen zu wollen.
Zur Bankenunion fand in der Eurogruppe, zusammen mit Bulgarien und Kroatien, die regelmäßige Anhörung des SSM statt. Der Vorsitzende Andrea Enria betonte die Resilienz des Bankensektors. Es müsse aber ein neuer Aufbau von notleidenden Krediten vermieden werden. Zudem müssten Risiken aus dem Klimawandel stärker im Risikomanagement der Banken berücksichtigt werden. Die Bankenunion müsse vollendet werden. Die Vorsitzende des SRB Elke König betonte, dass der Aufbau von Verlustpuffern (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities, MREL) bei den Banken weitergehen müsse. MREL-Ziele der Banken für das Jahr 2024 blieben unverändert. Die Abwicklungsfähigkeit von Banken müsse sichergestellt sein. Dies werde auch eine Priorität für 2021 sein.
Zudem fand am 3. November 2020 eine Sitzung der Eurogruppe im erweiterten Format statt. Themen waren die Diskussion zur Liquiditätsbereitstellung für Banken im Abwicklungsfall sowie eine Bestandsaufnahme zu den im Frühjahr vereinbarten Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise.
Zur Bereitstellung von Liquidität für Banken im Abwicklungsfall erklärte die Europäische Kommission, dass es hier Fortschritte geben müsse. Längerfristig könnte über eine Garantie durch den EU-Haushalt nachgedacht werden, derzeit sei dies aber nicht sinnvoll. Auch die EZB und der SRB sprachen sich für eine Lösung aus; hier bestehe eine Lücke im vorhandenen „Tool-Kit“. Der Bundesminister der Finanzen erklärte, dass rechtzeitig eine Lösung gefunden werden müsse, um Ad-hoc-Maßnahmen zu vermeiden. Die Nutzung des ESM sei allerdings kein geeigneter Lösungsweg. Einige Mitgliedstaaten unterstützten die Forderung nach einer Lösung, auch mit öffentlichen Garantien, andere Mitgliedstaaten lehnten dies ab.
Zudem befasste sich die Eurogruppe im erweiterten Format mit den drei Säulen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen COVID-19-Auswirkungen vom April 2020: das Europäische Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (European Instrument for Temporary Support to Mitigate Unemployment Risks in an Emergency, SURE), vorsorgliche Kreditlinien in Form der Enhanced Conditions Credit Line des ESM und der pan-europäische Garantiefonds der Europäischen Investitionsbank. Die Europäische Kommission erklärte, dass rund 90 Prozent der SURE-Mittel bereits zugesagt seien. Die vorsorgliche Kreditlinie des ESM sei ebenfalls einsatzbereit. Die Mitgliedstaaten sollten ambitionierte nationale Pläne im Rahmen der RRF vorlegen. Der ESM verwies darauf, dass es keine Anträge für die vorsorgliche Kreditlinie gebe.
ECOFIN-Rat
Bei dem Treffen des ECOFIN-Rats am 4. November 2020 unter Vorsitz von Bundesfinanzminister Olaf Scholz standen Ratsschlussfolgerungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, aktuelle Gesetzgebungsvorschläge im Finanzdienstleistungsbereich, Änderungen der Richtlinie des Rats zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, der Aktionsplan zum Abbau notleidender Kredite in Europa, Ratsschlussfolgerungen zum Europäischen Semester, der jährliche Bericht des Europäischen Fiskalausschusses (European Fiscal Board, EFB), das Treffen der G20‑Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure sowie die jährlichen Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe im Oktober 2020 und die Schlussfolgerungen zu den EU-Statistiken auf der Tagesordnung.
Die ECOFIN-Ministerinnen und -Minister befassten sich mit der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Es gab eine Einigung auf Ratsschlussfolgerungen, mit denen sich der Rat mit Blick auf den für das 1. Quartal 2021 angekündigten Legislativvorschlag der Europäischen Kommission positioniert. Ein Fokus dabei ist eine weitgehende Harmonisierung von Vorschriften aus der Geldwäscherichtlinie sowie die Schaffung einer europäischen Geldwäscheaufsicht mit direkten Aufsichtsbefugnissen und eines Koordinierungs- und Unterstützungsmechanismus für die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit).
Die Präsidentschaft informierte wie üblich über die aktuellen Gesetzgebungsvorschläge im Finanzdienstleistungsbereich. Dabei hob der Bundesminister der Finanzen den Abschluss der Arbeiten am Schwarmfinanzierungspaket (Crowdfunding Package) hervor. Für die Benchmark-Verordnung und das Kapitalmarktpaket zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung (Capital Markets Recovery Package) wurden Verhandlungsmandate im Rat erzielt. Der Trilog mit dem Europäischen Parlament sollte noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Zudem hätten die Arbeiten auf technischer Ebene zum Paket zum digitalen Finanzwesen (Digital Finance Package) begonnen.
Zudem erklärte der Bundesminister der Finanzen als Vorsitzender unter Sonstiges, dass die Änderungen der Richtlinie des Rats zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (Directive on Administrative Cooperation, DAC7) beim ECOFIN-Rat im Dezember finalisiert werden sollen. Durch DAC7 soll eine Verpflichtung für digitale Plattformen eingeführt werden, Informationen zu den Nutzerinnen und Nutzern, die auf den Plattformen Einkünfte erzielen, zu erfassen und diese Informationen zwischenstaatlich automatisch auszutauschen. Die Richtlinie könne einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Steuerbehörden und damit auch zu mehr Steuergerechtigkeit leisten.
Der ECOFIN-Rat befasste sich auch mit den Fortschritten bei der Umsetzung des Aktionsplans zum Abbau notleidender Kredite in Europa (Non-Performing Loan, NPL) und der geplanten NPL-Strategie der Europäischen Kommission. Der NPL-Aktionsplan aus dem Jahr 2017 ist bis auf wenige Elemente umgesetzt. Dennoch sind weitere Fortschritte beim Abbau von NPL-Beständen in einzelnen Mitgliedstaaten erforderlich. Die Europäische Kommission kündigte Vorschläge für weitere Maßnahmen an.
Zudem wurden Ratsschlussfolgerungen zum Bericht des Europäischen Rechnungshofs zum Europäischen Semester konsentiert. Das Europäische Semester ist ein wichtiges Instrument der wirtschafts-, haushalts- und beschäftigungspolitischen Koordinierung auf EU-Ebene. Die Empfehlungen des Rechnungshofs umfassen u. a. die Notwendigkeit der besseren Umsetzung der Empfehlungen durch die Mitgliedstaaten und einer klareren Begründung für die Priorisierung von Reformen. Ferner verständigte sich der Rat auf Schlussfolgerungen zur Annual Sustainable Growth Strategy der Europäischen Kommission. Die Wachstumsstrategie betont, dass sich die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Plänen für die wirtschaftliche Erholung an den Prinzipien ökologischer Wandel, Digitalisierung, Fairness und makroökonomische Stabilität orientieren sollen.
Der Vorsitzende des EFB Niels Thygesen stellte im ECOFIN-Rat den jährlichen Bericht des EFB vor. Er betonte dabei, dass die wirtschaftlich gute Lage im Jahr 2019 nicht ausreichend für eine fiskalische Konsolidierung genutzt worden sei. Die Fiskalregeln müssten überarbeitet und vereinfacht werden. Über die Deaktivierung der fiskalischen Ausweichklausel müsse spätestens im Frühjahr 2021 gesprochen werden. Weiterhin warb der EFB für eine zentrale Fiskalkapazität für den Euroraum. Die Europäische Kommission sprach sich für eine Beibehaltung der expansiven Fiskalpolitik aus. Über die Überprüfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts solle im kommenden Jahr gesprochen werden. Die EZB erklärte, dass der Fiskalpolitik eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zukomme. In der anschließenden Aussprache betonten einige Mitgliedstaaten, dass bei der Überprüfung des Pakts die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen im Fokus stehen müsste. Mehrere Mitgliedstaaten erklärten, dass die Regeln vereinfacht werden sollten. Während sich einige Mitgliedstaaten für eine zügige Festlegung von Kriterien zur Deaktivierung der allgemeinen Ausweichklausel aussprachen, betonten andere, dass darüber erst nach der Verfestigung der wirtschaftlichen Erholung gesprochen werden sollte. Ein geteiltes Meinungsbild zeigte sich auch in der Frage der Notwendigkeit einer zentralen Fiskalkapazität. Bundesfinanzminister Scholz als Vorsitzender fasste zusammen, dass auf die Empfehlungen des EFB im Rahmen der Diskussion zur Überprüfung der Fiskalregeln im kommenden Jahr zurückgekommen werde.
Außerdem berichtete der Bundesminister der Finanzen als Vorsitzender des ECOFIN-Rats und die Europäische Kommission über das Treffen der G20-Finanzministerinnen und -minister und -Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure sowie die jährlichen Treffen des IWF und der Weltbankgruppe im Oktober 2020. Ein Schwerpunkt der Diskussion waren die Entwicklungen in der internationalen Steuerdiskussion. Des Weiteren wurde beim G20-Treffen der Finanzministerinnen und -minister und Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure am 14. Oktober 2020 ein aktualisierter Aktionsplan mit einer Reihe wichtiger Maßnahmen zur fortgehenden Bewältigung der COVID-19-Pandemie und Gestaltung der weltwirtschaftlichen Erholung verabschiedet. Dazu zählt insbesondere die Verlängerung des G20- und Paris-Club-Schuldenmoratoriums für die 77 ärmsten Länder um ein halbes Jahr bis Ende Juni 2021.
Als letzter Tagesordnungspunkt konsentierte der ECOFIN-Rat, Schlussfolgerungen zu den EU‑Statistiken zu verabschieden. Eurostat bereitet jährlich ein „Herbst-Statistik-Paket“ für den Europäischen Rat vor. Dieses Paket umfasst mehrere Dokumente zu politisch relevanten Punkten, beispielsweise zu den Herausforderungen für die amtliche Statistik und den Datenerfordernissen im Lichte der Pandemie. Das Paket enthält keine Rechtsakte, es dient vielmehr der Definition der weiteren Arbeit des Europäischen Statistischen Systems im Hinblick auf dessen Ausrichtung und Prioritätensetzung. Die Europäische Kommission verwies darauf, dass auf Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres ein COVID-19-Dashboard mit vierteljährlichen Wirtschaftsindikatoren zur Überwachung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trends in der Erholungsphase veröffentlicht werden solle.