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  • Schlaglicht EU-Ratspräsidentschaft

    Ge­mein­sam ge­stärkt aus der Kri­se – Die deut­sche EU-Rats­prä­si­dent­schaft im Zei­chen der Co­ro­na-Pan­de­mie

    Am 1. Juli 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inmitten der größten globalen Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs übernommen. Die Europäische Union (EU) steht vor ihrer bisher größten Bewährungsprobe. Der Fokus des deutschen Ratsvorsitzes wird daher auf der Krisenbewältigung und dem Wiederaufbau liegen. Klar ist: Nur durch ein solidarisches Miteinander wird die EU diese Krise erfolgreich bewältigen und gestärkt aus ihr hervorgehen können. Diese Überzeugung spiegelt sich auch im Motto der deutschen Ratspräsidentschaft wider: „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“

    Zentrale Bedeutung kommt dabei den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen und dem auf einer deutsch-französischen Initiative basierenden Vorschlag der EU-Kommission für ein Wiederaufbaupaket zu. Daneben will die Bundesregierung in den kommenden Monaten weitere Vorhaben im Bereich der europäischen Finanzpolitik voranbringen. Die mit der Corona-Pandemie und dem Wiederaufbau verbundenen Ausgaben der öffentlichen Haushalte verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig eine gerechte und effektive Besteuerung ist. Nur so stehen dem Staat ausreichend finanzielle Mittel für die öffentliche Daseinsvorsorge und bedeutende Zukunftsaufgaben zur Verfügung. Die Bundesregierung setzt sich daher mit Nachdruck für die Einführung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung von international agierenden Unternehmen ein und möchte während der deutschen Ratspräsidentschaft das Thema entscheidend voranbringen. Darüber hinaus strebt die Bundesregierung in den kommenden sechs Monaten Fortschritte bei der Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion, der Schaffung schlagkräftiger Aufsichtsstrukturen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung sowie bei der Digitalisierung im Finanzsektor an.

    Im Fokus: Die Krise bewältigen und die Zukunft Europas gestalten

    Die Corona-Pandemie stellt die ganze Welt vor eine gigantische Herausforderung und ist für die EU die größte Bewährungsprobe ihrer Geschichte. Das zentrale Anliegen der Bundesregierung ist daher, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Europa geeint und gestärkt aus der Krise hervorgehen kann.

    Im Frühjahr haben die Mitgliedstaaten der EU mit der schnellen Einigung auf kurzfristige europäische Hilfen für Beschäftigte, Unternehmen und Mitgliedstaaten einen ersten wichtigen Schritt zur Bewältigung der Krise getan. In den nächsten Monaten wird es darum gehen, die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten und den europäischen Binnenmarkt langfristig widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger zu machen. Dies bedeutet insbesondere, die digitale und klimafreundliche Transformation unseres Wachstumsmodells zu forcieren.

    Frankreich und Deutschland haben hierzu im Mai einen ambitionierten Vorschlag für einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 500 Milliarden Euro vorgelegt. Die Europäische Kommission hat diesen Vorstoß aufgegriffen und ein umfassendes Wiederaufbaupaket vorgeschlagen sowie einen angepassten Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Die zentrale Aufgabe des deutschen Ratsvorsitzes für die nächsten sechs Monate wird es sein, dieses ambitionierte Paket zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas umzusetzen. Die deutsche Ratspräsidentschaft ist entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Mittel zu Jahresbeginn 2021 bereitstehen, und wird sich dafür einsetzen, die für eine Einigung notwendigen Brücken zu bauen und Kompromissmöglichkeiten auszuloten.1

    Finanzpolitische Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft

    Die Krisenbewältigung wird in den nächsten Monaten im Vordergrund stehen. Neben dem Wiederaufbaupaket will die Bundesregierung weitere finanzpolitische Vorhaben voranbringen, die für einen wettbewerbsfähigen, krisenfesten und gerechten Binnenmarkt entscheidend sind. Dazu gehören insbesondere die faire und effektive Besteuerung von international agierenden Unternehmen, die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion, schlagkräftige Aufsichtsstrukturen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung und die Digitalisierung im Finanzsektor.

    Steuergerechtigkeit

    Wirtschaftsaktivitäten und Unternehmensstrukturen haben sich durch Digitalisierung und Globalisierung stark verändert. Die europäische Steuerpolitik muss mit diesen Entwicklungen Schritt halten. Sie muss modern und innovativ sein, um die wirtschaftliche Stärke Europas weiter zu fördern und das Steueraufkommen der Mitgliedstaaten zu sichern. Die Corona-Pandemie hat zudem einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig eine gerechte und effektive Besteuerung für die Finanzierung des Gemeinwesens ist. Denn nur mit einer soliden Steuerbasis stehen den Staaten ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, um die öffentliche Daseinsvorsorge und bedeutende Zukunftsaufgaben finanzieren zu können. Daran müssen sich alle Steuerpflichtigen fair und angemessen beteiligen.

    Dafür muss sichergestellt werden, dass auch die großen multinationalen Unternehmen einen gerechten Beitrag zum Allgemeinwesen leisten. Die Bundesregierung setzt sich daher seit Langem mit Nachdruck für eine faire und effektive Besteuerung international tätiger Unternehmen ein. Den besonderen Herausforderungen der Digitalisierung und der Globalisierung sollten alle Staaten durch einen international abgestimmten Ansatz begegnen, um einer andernfalls drohenden übermäßigen Fragmentierung der internationalen Rechtslandschaft entgegenzuwirken. Die Bundesregierung unterstützt daher gegenwärtig die internationalen, im Auftrag der G20 durchgeführten, Arbeiten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die den steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung wirksam begegnen sollen und die Einführung einer effektiven globalen Mindestbesteuerung beinhalten. Nach dem Abschluss der Verhandlungen zu den OECD-Vorschlägen sollen die Ergebnisse in der EU umgesetzt werden.

    Die Bundesregierung setzt sich darüber hinaus für die Stärkung der zwischenstaatlichen Verwaltungszusammenarbeit ein. Insbesondere soll dazu eine Meldeverpflichtung und der automatische Austausch von Informationen zu Anbietern auf digitalen Plattformen eingeführt und damit die Besteuerung der Plattformökonomie sichergestellt werden. Weitere Anliegen der Bundesregierung sind die Einführung einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene sowie der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

    Nachhaltige Finanzmarktarchitektur

    Ein robuster Bankensektor und ein verlässlicher Zugang zu den Finanzmärkten gehören zu den Grundlagen für eine kraftvolle wirtschaftliche Erholung nach der Krise. Nur in Verbindung mit einer stabilen und gefestigten Banken- und Kapitalmarktunion werden die Anstrengungen für einen Wiederaufbau ihren größten Nutzen für Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher entfalten können. Die Bundesregierung ist daher entschlossen, die Finanzmarktintegration in der EU fortzuführen, um im Postkrisenszenario eine ausreichende Finanzierung der Realwirtschaft sicherzustellen.

    Die Agenda der Bundesregierung umfasst dabei mehrere Politikfelder. Ein Kernanliegen ist die Vertiefung der Kapitalmarktunion, um die kapitalmarktbasierte Finanzierung zu fördern und um den europäischen Kapitalmarkt weiter zu integrieren und international wettbewerbsfähiger zu machen. Dies dient einer besseren Finanzierung der Realwirtschaft sowie strategischer Investitionen. Von hoher Priorität ist für die Bundesregierung auch die Fortentwicklung der Bankenunion, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen und den europäischen Binnenmarkt zu stärken.

    Die fortschreitende Digitalisierung des Finanzdienstleistungssektors eröffnet Chancen für neue Geschäftsmodelle, Produkte und Anbieter. Mit ihr gehen aber auch Risiken einher und sie führt zu starken Veränderungen des Markts. Dies macht regulatorische Anpassungen erforderlich. Mit der Schaffung einer digitalen Finanzmarktunion will die Bundesregierung bestehende Hemmnisse für grenzüberschreitende digitale Finanzdienstleistungen abbauen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Arbeiten im Rahmen der angekündigten Digital-Finance-Strategie der Kommission und der Regulierungsvorschläge etwa zu Krypto-Assets will die Bundesregierung unterstützen, um einen Beitrag zur Souveränität des europäischen Finanzmarkts zu leisten.

    Enge Abstimmung im Rahmen der „Trio-Präsidentschaft“

    Deutschland bildet gemeinsam mit Portugal und Slowenien zum zweiten Mal eine sogenannte Trio-Präsidentschaft, die sich über 18 Monate bis Ende 2021 erstreckt. Auf Deutschland folgt im Januar 2021 die portugiesische Ratspräsidentschaft, ab Juli 2021 übernimmt Slowenien den Vorsitz. In den Jahren 2007 und 2008 bildeten die drei Länder das erste Präsidentschaftstrio der EU-Geschichte.

    Im Rahmen dieses Dreiervorsitzes arbeiten die Regierungen eng zusammen. Dies gilt ebenso für die Kooperation mit Frankreich, das im 1. Halbjahr 2022 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Nicht nur die deutsche Ratspräsidentschaft, auch die gesamte Triopräsidentschaft wird zwar von der Krisenbewältigung bestimmt werden, jedoch gilt es auch die Zukunft der EU zu gestalten. Um in den nächsten Monaten und Jahren entscheidende Weichen für die Zukunft der EU zu stellen und eine nachhaltige Bewältigung der großen Herausforderungen zu gewährleisten, muss eine enge Verzahnung der Ratspräsidentschaften gelingen.

    Das Programm der Triopräsidentschaft umfasst neben der unmittelbaren Krisenbewältigung daher u. a. folgende Schwerpunkte:

    • Erhaltung eines gerechten und sozialen Europas bei gleichzeitiger weltweiter Förderung europäischer Interessen und Werte
    • Erzielung von Fortschritten bei der Digitalisierung im Bildungsbereich, in der Forschung sowie im Finanz- und im Gesundheitswesen; Stärkung und Erhaltung der digitalen Souveränität im Hinblick auf die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz als zukünftige Schlüsseltechnologie; aktive Gestaltung der Zukunft der Arbeit, auch im Hinblick auf die Digitalisierung; Verstärkung der Bemühungen, die Europäische Säule sozialer Rechte umzusetzen
    • Entwicklung umfassender, dauerhafter und krisenfester Lösungen im Bereich der Migration; verstärkte Maßnahmen gegen die illegale Migration und den Menschenhandel bei gleichzeitiger Bekämpfung der Grundursachen von Flucht und Vertreibung
    • Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Sicherstellung eines stabilen Investitionsumfelds auch für kleine und mittlere Unternehmen; Definition strategischer Wertschöpfungsketten, Industrien und wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse; Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie Unterstützung des Finanzsektors beim Übergang ins digitale Zeitalter; weitere Förderung der technologischen und industriellen Souveränität Europas sowie eines resilienten und wettbewerbsfähigen Binnenmarkts
    • Schaffung eines klimaneutralen und grünen Europas sowie Verwirklichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung und der Zielsetzungen des europäischen Grünen Deals

    Europäische Souveränität: Für ein handlungsfähiges Europa in der Welt

    Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie stand die EU in einer Phase des Umbruchs, wie nicht zuletzt der Brexit verdeutlicht hatte. Aufgrund interner Auseinandersetzungen infolge der Krisen der vergangenen zehn Jahre kamen zentrale europäische Reformprojekte teils nur schleppend voran. Gleichzeitig hat sich die Welt um uns herum in den vergangenen Jahren massiv gewandelt. Geopolitische Verschiebungen – insbesondere die sich zuspitzende Großmächterivalität zwischen den USA und China – stellen die EU von außen vor große Herausforderungen. In den nächsten Monaten und Jahren müssen die Weichen gestellt werden, um die Souveränität Europas im 21. Jahrhundert zu sichern und um auf globaler Ebene handlungsfähig zu bleiben. Deutschland wird sich im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft und als Teil der Trio-Präsidentschaft mit voller Kraft für das Ziel eines solidarischen und souveränen Europas einsetzen.

    Fußnoten

    1

    Bei Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse des Sondergipfels des Europäischen Rats vor (Beginn am 17. Juli), bei dem die EU-Staats- und Regierungschefinnen und -chefs den Aufbauplan zur Bewältigung der COVID-19-Krise und den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 erörtert hatten.

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