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  • Analysen und Berichte

    Jah­res­ta­gung des In­ter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds und der Welt­bank­grup­pe

    • Am 18./19. Oktober 2019 fand die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe (WBG) in Washington, D.C. statt. Am Rande der Jahrestagung trafen sich auch die Finanzministerinnen und -minister und Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure der G20. Zum zweiten Mal tagte auch die Coalition of Finance Ministers for Climate Action.
    • Die neue geschäftsführende Direktorin Kristalina Georgieva leitete zum ersten Mal die IWF-Jahresversammlung.
    • Zentrale Themen der IWF-Tagung und des G20-Treffens waren die Lage der Weltwirtschaft, internationale Steuerfragen (insbesondere gerechte Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft) und Klimaschutz auf internationaler Ebene.
    • Bei der WBG wurde über globale Lieferketten im Welthandel sowie über wirtschaftliche Transformation diskutiert.

    Treffen des IWF-Lenkungsausschusses am 18./19. Oktober 2019

    Neue geschäftsführende Direktorin des IWF

    Die IWF-Jahrestagung wurde zum ersten Mal von der neuen geschäftsführenden Direktorin Kristalina Georgieva geleitet, die das Amt am 1. Oktober 2019 übernommen hat. Ihre Schwerpunkte möchte die neue IWF-Chefin und frühere Geschäftsführerin der WBG auf den globalen Klimaschutz, finanzielle Inklusion und Gleichstellung der Geschlechter sowie auf die Verbesserung der Schuldentragfähigkeit insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern legen. Der bisherigen IWF-Direktorin Christine Lagarde wurde für ihre Leistungen in den vergangenen acht Jahren gedankt.

    Lage der Weltwirtschaft

    Der IWF-Lenkungsausschuss (International Monetary and Financial Committee, IMFC) und die G20 stimmten in der Einschätzung überein, dass die Weltwirtschaft weiter an Dynamik verloren hat. Dies belastet auch die Konjunktur in Deutschland. Der Hauptgrund liege in den Handelskonflikten und weiteren politischen Unsicherheiten wie dem Brexit und geopolitischen Spannungen, die den Handel und Investitionen beeinträchtigen würden. Jedoch geht der IWF davon aus, dass das globale Wachstum insbesondere ab 2021 wieder anziehen wird, trotz weiterhin bestehender Risiken.

    Der IWF warb erneut dafür, den zunehmenden Risiken durch bessere Politikmaßnahmen und multilaterale Kooperation zu begegnen. Nationale Politik solle stabilisierend wirken und wachstumsfördernd ausgerichtet sein. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach sich dafür aus, die Probleme durch gemeinsames Handeln wieder zu korrigieren. Er erklärte, dass die deutsche Fiskalpolitik bereits expansiv ausgerichtet sei und die öffentlichen Investitionen des Bundes einen historischen Höchststand erreicht hätten. Er verwies zudem auf die erheblichen fiskalischen Puffer, die Deutschland aufgebaut habe und die im Falle eines starken wirtschaftlichen Abschwungs genutzt werden könnten.

    Ressourcenausstattung des IWF

    Auf der Jahrestagung bekannten sich die IWF-Mitgliedstaaten dazu, dass die Ressourcenausstattung des IWF in angemessener Höhe erhalten bleiben soll, damit der IWF seiner Verantwortung innerhalb des globalen finanziellen Sicherheitsnetzes auch weiterhin ohne Einschränkung nachkommen kann. Die 15. allgemeine Quotenüberprüfung wurde ohne eine Anhebung der Quotenmittel abgeschlossen. Dem IWF stehen weiterhin auch multilaterale Mittel aus der Neuen Kreditvereinbarung und den temporären bilateralen Kreditlinien als Teil der Gesamtressourcen zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten haben sich auf eine Verdoppelung der Neuen Kreditvereinbarung und weitere bilaterale Kreditlinien für den IWF verständigt, um das gegenwärtige Ressourcenniveau zu erhalten.

    Im Rahmen der 16. allgemeinen Quotenüberprüfung soll die Angemessenheit der Quotenmittel erneut überprüft werden. Es ist davon auszugehen, dass dies zu einer Erhöhung der Quotenanteile insbesondere von Schwellen- und Entwicklungsländern entsprechend ihrer relativen Position in der Weltwirtschaft führen wird. Dieser Prozess wird von Deutschland ausdrücklich begrüßt. Die nächste Quotenüberprüfung soll spätestens im Dezember 2023 abgeschlossen werden.

    Internationale Klimapolitik

    Auch die internationale Klimapolitik war ein zentrales Thema in den Diskussionen des IMFC in Washington, D.C. Der aktuelle Fiscal Monitor des IWF beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage einer angemessenen Klimaschutzpolitik mit Blick auf die ökonomische Effizienz und Verteilungswirkungen.

    Die meisten Mitgliedstaaten waren sich einig, dass der Klimawandel kein nationales Problem ist, sondern gemeinsamer globaler Aktion bedarf. Bundesfinanzminister Olaf Scholz berichtete in den Gesprächen über das kürzlich von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzprogramm 2030.

    Treffen der Finanzministerinnen und -minister und Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure der G20 am 17./18. Oktober 2019

    Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft

    Im Juni dieses Jahres hatte die G20 den ehrgeizigen Zeitplan für eine globale Lösung zur Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft beschlossen. Angestrebt wird eine Vereinbarung des Inclusive Framework on BEPS1 über die Grundzüge der Architektur der Regelungen für die Säulen 1 (Neuallokation der Besteuerungsrechte) und 2 (Mindestbesteuerung) im Januar 2020. Die G20-Finanzministerinnen und -minister sollen dann im Oktober 2020 eine globale Lösung verabschieden, die der G20-Gipfel im November 2020 bestätigen wird.

    In Washington, D.C. ging es darum, über die Fortschritte auf technischer Ebene zu diskutieren. Thematisiert wurde insbesondere der Vorschlag des Sekretariats der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu Säule 1. Bisher gab es mehrere konkurrierende Vorschläge zur Säule 1, die durch einen Unified Approach vereint werden sollen. Das neu zu schaffende Besteuerungsrecht erfasst grundsätzlich alle Branchen und bezieht sich auf Unternehmensgruppen als solche und nicht mehr auf einzelne Rechtssubjekte.

    Bundesfinanzminister Olaf Scholz würdigte den Vorschlag des OECD-Sekretariats als gute Diskussionsgrundlage. Insgesamt zeigte sich ein hohes Maß an grundsätzlicher Zustimmung zum Unified Approach. Die Diskussion zeigte aber auch, dass noch viele Fragen zur konkreten Ausgestaltung offen sind. Das gilt auch für die zweite Säule, die Mindestbesteuerung. Die technischen Arbeiten gehen jetzt im Inclusive Framework on BEPS weiter.

    Die OECD wird die Finanzministerinnen und -minister und Notenbankgouverneurinnen und -gouverneure bei ihrem nächsten Treffen im Februar 2020 in Saudi-Arabien erneut über die Fortschritte informieren.

    Auswirkung von Stablecoins auf das internationale Finanzsystem

    Als Reaktion auf das Vorhaben von Facebook, mit Libra eine eigene Währung herauszubringen, haben die G7-Finanzministerien und -Zentralbanken zusammen mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und dem IWF einen Bericht zu Global Stablecoins (GSC) verfasst. Dieser wurde am Rande der Jahresversammlung von der BIZ veröffentlicht.

    Unter Stablecoins
    werden solche Krypto-Währungen verstanden, bei denen versucht wird, durch die Bindung an andere Vermögenswerte oder eine Gruppe von anderen Vermögenswerten eine Stabilisierung zu erreichen. Krypto-Währungen ermöglichen einen digitalen Zahlungsverkehr ohne Zentralinstanzen wie Banken. Sie benötigen damit auch keine Notenbanken und unterstehen insofern keiner Behörde, welche die Aus- und Weitergabe von Geld regulieren würde. Gleichzeitig ist ihre Nutzung aber mit erheblichen Risiken verbunden.

    In dem Bericht kommt die G7 überein, dass innovative Technologien durch die Einführung sogenannter GSC wie Libra zwar Verbesserungen des internationalen Zahlungsverkehrs herbeiführen könnten. Allerdings brächten GSC auch zahlreiche Herausforderungen und Risiken mit sich. Gefährdungen bestünden vor allem für den Zahlungsverkehr, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Cybersicherheit, Geldpolitik und Finanzstabilität, Wettbewerb und Besteuerung, Konsumentenschutz und letztlich für das internationale Währungssystem und die nationale Souveränität. Die G7 ist sich daher einig, dass Stablecoin-Projekte alle bestehenden Regulierungsanforderungen erfüllen müssten, bevor eine Zulassung erteilt werde. Gegebenenfalls könnten auch neue Vorgaben gemacht werden, wenn öffentliche Anliegen (wie die staatliche Souveränität) verletzt würden.

    Facebook hat Libra
    initiiert mit dem offiziellen Ziel, den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr schneller und günstiger zu machen. Hiervon sollten vor allem Nutzerinnen und Nutzer in Entwicklungsländern profitieren (Stichwort: finanzielle Inklusion). Es wird rund um Libra ein sogenanntes Ökosystem aufgebaut: Libra- Coins sollen in einem Währungskorb u. a. in Form von Bankguthaben und bonitätsstarken Staatsanleihen vollständig gedeckt sein. Dieser Währungskorb soll durch eine gemeinnützige schweizerische Organisation (Libra Association) mit 100 gleichberechtigten Mitgliedern verwaltet werden. Bisher hatte Facebook knapp 30 Partnerfirmen gewonnen; mit Paypal, Ebay und Visa sind aber auch bereits einige namhafte Partner wieder aus dem Projekt ausgestiegen. Über den Wallet-Anbieter Calibra soll Libra an private Nutzerinnen und Nutzer ausgegeben werden.

    Als Antwort auf Stablecoin-Projekte sollten Finanzministerien, Zentralbanken, Standardsetzer und die BIZ ihre Anstrengungen erhöhen, bestehende Zahlungsverkehrssysteme unter Nutzung innovativer Technologien schneller und kostengünstiger in der Abwicklung insbesondere bei grenzüberschreitenden Zahlungen zu machen. Die Zentralbanken sollten ergänzend die Möglichkeiten zur Einführung digitalen Zentralbankgelds intensiv auf dessen Vor- und Nachteile hin untersuchen.

    Nach den G7-Staaten haben in Washington erstmals auch die G20-Staaten über GSC diskutiert. Das ist zu begrüßen, da die Einführung von Libra oder ähnlichen GSC auch für Schwellenländer erhebliche Konsequenzen haben könnte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz betonte in der G20-Sitzung die Risiken, die sich durch Stablecoins für Geldpolitik, Finanzstabilität, Verbraucher- und Datenschutz sowie für einen gerechten Wettbewerb und Besteuerung ergeben können. Insbesondere sollten Stablecoins nicht zu einer Alternative für staatliche Währungen werden.

    Die G20 wird sich auch im nächsten Jahr mit Stablecoins beschäftigen. Der Finanzstabilitätsrat und die Financial Action Task Force werden weitere Berichte vorlegen. Außerdem wurde der IWF gebeten, die makroökonomischen Auswirkungen von Stablecoins zu untersuchen und hierbei auch auf Aspekte der währungspolitischen Souveränität einzugehen.

    Compact with Africa

    Die G20-Länder und internationale Organisationen begrüßten die weiteren Reformfortschritte und positiven Investitionsentwicklungen in den Compact- Ländern. Um die zentrale Rolle der internationalen Organisationen – African Development Bank (AfDB), IWF, WBG – bei der weiteren Umsetzung vor Ort zu stärken, wurden Aufgabenprofile für die jeweiligen Organisationen verabschiedet. Die WBG nimmt zukünftig eine führende Rolle ein, in enger Abstimmung mit AfDB und IWF. Darüber hinaus wurde eine stärkere Zusammenarbeit und engere Koordinierung zwischen den Entwicklungsfinanzinstitutionen der G20-Partner in den Compact-Ländern befürwortet. Deutschland engagiert sich weiterhin im Rahmen dieser wichtigen G20-Initiative. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat im November 2019 zu einer zweiten Compact with Africa-Konferenz auf Ebene der Staats- und Regierungschefs nach Berlin eingeladen. Dann wird auch der Entwicklungsinvestitionsfonds mit einem Volumen von bis zu 1 Mrd. € operativ sein, um Investitionen in Afrika zu finanzieren.

    Schuldentragfähigkeit und -transparenz

    Dieses Thema wird – auch im Auftrag der G20 – zusammen von IWF und Weltbank verfolgt. Es steht im Kontext zunehmender öffentlicher Verschuldung in einigen Staaten, insbesondere in Niedrigeinkommensländern, und stellt auch einen Schwerpunkt der japanischen G20-Präsidentschaft dar. Daher wurde es auch bei der G20 und dem Entwicklungsausschuss der Weltbank mit ähnlichen Schwerpunkten und ähnlicher Richtung diskutiert.

    Während der deutschen G20-Präsidentschaft waren hierzu die „G20 Operativen Leitlinien für tragfähige öffentliche Finanzen“ verabschiedet worden, die Schuldner- und Gläubigerländer zu verantwortungsvoller Kreditaufnahme beziehungsweise -vergabe verpflichten.

    Ein Schwerpunkt der japanischen G20-Präsidentschaft ist die Umsetzung dieser Operativen Leitlinien; ein weiterer Fokus ist die Erarbeitung von analogen Leitlinien für mehr Schuldentransparenz seitens des Privatsektors. Dritter Schwerpunkt zu diesem Thema ist die Fortsetzung der Arbeiten des mehrgleisigen Ansatzes des IWF und der WBG. Die IMFC-Mitgliedsländer unterstützen die Umsetzung dieses Ansatzes: Gemeinsam mit Kreditnehmern und -gebern soll hierbei die Erfassung, Überwachung und die transparente Berichterstattung öffentlicher und privater Schulden, insbesondere auch über Kapazitätsaufbau in Niedrigeinkommensländern, weiter verbessert werden.

    Coalition of Finance Ministers for Climate Action am 20. Oktober 2019

    Im Rahmen der Jahrestagung fand die zweite Sitzung der Coalition of Finance Ministers for Climate Action (CFMCA) statt. Ziel der Koalition ist es, den globalen Klimaschutz im Rahmen des Klimaabkommens von Paris voranzubringen. Hierzu wurden ein Erfahrungsaustausch sowie die Förderung gemeinsamer Standards und Prinzipien, der sogenannten Helsinki-Prinzipien, im Rahmen der nationalen Gegebenheiten und Zuständigkeiten vereinbart.

    Auf der Sitzung wurde ein Arbeitsprogramm für die nächsten Monate diskutiert. Dieses soll bei einem weiteren Treffen der Koalition im Dezember 2019 im Rahmen der Weltklimakonferenz vorgestellt werden. Zudem berichtete das BMF über Elemente des deutschen Klimaschutzprogramms 2030, das z. B. durch die Einführung einer CO2-Bepreisung sowie Reinvestition der Einnahmen in Klimaschutzmaßnahmen und Anreize zu klimafreundlichem Verhalten in Einklang mit den Helsinki-Prinzipien steht.

    Das BMF war bei der Gründung der CFMCA bei der IWF-/WBG-Frühjahrstagung im April 2019 unter den Gründungsmitgliedern. Seither hat sich die Zahl der teilnehmenden Staaten mehr als verdoppelt. Unter den nunmehr 50 Mitgliedern sind neben Deutschland 17 weitere EU-Mitgliedstaaten.

    Jahresversammlung der WBG und Entwicklungsausschuss der Notenbankgouverneurinnen und –gouverneure am 18./19. Oktober 2019

    Bei der Jahresversammlung der WBG wurde über globale Lieferketten im Welthandel sowie über Jobs und wirtschaftliche Transformation diskutiert.

    Ob und wie Handel und globale Lieferketten vor dem Hintergrund neuer, weniger arbeitsintensiver Technologien und Handelskonflikte zwischen großen Ländern weiterhin Treiber für Wachstum, Arbeitsplätze und zur Armutsbekämpfung sein werden, geht der World Development Report 2020 der Weltbank nach.

    Humankapital sei zentral für nachhaltiges Wachstum und Armutsbekämpfung, aber es werde vor allem in ärmeren Ländern nicht genügend in Humankapital investiert, so die WBG. Das Human Capital Project soll darauf aufmerksam machen und ihre Mitgliedstaaten unterstützen, ihre Investitionen in Humankapital zu steigern.

    Die Schaffung von mehr und besseren Jobs ist eine der zentralen Herausforderungen für die Entwicklung der Niedrigeinkommensländer, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Armutsbekämpfung und soziale Kohäsion. Die Initiativen der Weltbank decken sich mit den Initiativen der Bundesregierung und der G20 insbesondere in Afrika (G20 Compact with Africa, Marshallplan mit Afrika, Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung), damit mehr und bessere Arbeitsplätze entstehen.

    Am Rande der Jahresversammlung kamen auch die Delegierten zu Wiederauffüllungsverhandlungen der Internationalen Entwicklungsorganisation zusammen. Der Fonds ist Teil der WBG und für die ärmsten Länder zuständig. Die Verhandlungen zur 19. Wiederauffüllung sollen bis Dezember 2019 abgeschlossen werden.

    Am 1. Dezember 2019 übernimmt Saudi-Arabien die G20-Präsidentschaft von Japan. Die nächste Frühjahrstagung von IWF und WBG findet am 17./18. April 2020 in Washington, D.C. statt.

    Fußnoten

    1
    BEPS

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