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    50 Jah­re Haus­halts­re­form 1969 – ein Mei­len­stein für das Haus­halts­we­sen

    • In diesem Jahr jährt sich zum fünfzigsten Mal die Haushaltsreform des Jahres 1969.
    • Mit diesem Reformpaket wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen, der die Haushaltspolitik von Bund und Ländern und deren rechtliche Rahmenbedingungen bis zum heutigen Tage prägt.

    Ausgangspunkt

    In der zweiten Hälfte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts trat eine grundlegende Wende in der Haushaltspolitik und im Verständnis ihrer Aufgabe ein. Bis zu diesem Zeitpunkt dienten Haushaltspolitik und Haushaltsrecht auf der Grundlage der in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst fortgeltenden Reichshaushaltsordnung aus dem Jahre 1922 vorrangig dem fiskalischen Ziel, die Bedarfsdeckung des Staates zu gewährleisten. Nicht zuletzt die Rezession der Jahre 1966/1967 führte hingegen zu der Auffassung, dass die öffentlichen Haushalte nicht mehr nur allein dem Ziel dienen sollten, den öffentlichen Finanzbedarf zu decken, sondern dass sie zugleich einen steuernden Einfluss auf die Entwicklung der Konjunktur nehmen sollten. Neben die herkömmliche Bedarfsdeckungsfunktion trat damit zusätzlich die gesamtwirtschaftliche Budgetfunktion. In diesem Rahmen wurden auch die Notwendigkeit einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Finanzplanung sowie das Bedürfnis nach einem koordinierten Vorgehen von Bund und Ländern bei der Haushalts- und Finanzplanung erkannt.

    Gesetzgeberische Maßnahmen

    Das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“

    Den Auftakt des Reformpakets machte bereits im Jahr 1967 das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz – StWG), das in seinem § 1 die Wahrung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zur Zielsetzung staatlicher Wirtschafts- und Finanzpolitik erklärte. Es sah verschiedene konjunktursteuernde Maßnahmen vor, durch die einer drohenden oder bereits eingetretenen Störung des Gleichgewichts begegnet werden sollte. Dem lag die Vorstellung einer staatlichen „Globalsteuerung“ der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zugrunde. Mit diesem Gesetz wurde für den Bereich des Bundes auch erstmals eine mittelfristige Finanzplanung eingeführt, mit der Umfang und Zusammensetzung der voraussichtlich im Planungszeitraum anfallenden Ausgaben und deren Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zur mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens darzustellen sind.

    Beim Stabilitäts- und Wachstumsgesetz

    handelt es sich um ein Gesetz, dem der in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der wirtschaftspolitischen Diskussion entwickelte Gedanke einer staatlichen „Globalsteuerung“ zugrunde liegt. Dieser Gedanke wurde von der Vorstellung getragen, dass der Staat in der Lage ist, konjunkturelle Schwankungen durch den Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente auszugleichen und auf diesem Wege die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu beeinflussen.

    In seinem ersten Paragrafen bestimmt das Gesetz vier gesamtwirtschaftliche Ziele, die die öffentlichen Haushalte im Interesse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bei ihren Entscheidungen beachten sollen:

    • Stabilität des Preisniveaus
    • hoher Beschäftigungsstand
    • außenwirtschaftliches Gleichgewicht
    • stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

    Diese Ziele werden auch als „magisches Viereck“ der Wirtschaftspolitik bezeichnet. Zur Erreichung dieser Ziele enthält das Gesetz verschiedene Instrumente. Hierzu zählen u. a. die Einführung einer mittelfristigen Finanzplanung, die Etablierung eines jährlich zu erstellenden Jahreswirtschaftsberichts sowie die Einrichtung einer Konjunkturausgleichsrücklage, der im Falle einer konjunkturellen Überhitzung Haushaltsmittel zugeführt und umgekehrt im Falle einer konjunkturellen Abschwächung wieder entnommen werden sollten. Dieses Steuerungsinstrument hat allerdings seit seiner Einführung in der haushaltswirtschaftlichen Praxis keine Bedeutung erlangt.

    Die weiterführenden Maßnahmen der Haushaltsreform des Jahres 1969

    Die mit dem StWG eingeleitete Neuorientierung der Haushaltspolitik wurde in den Folgejahren mit den Gesetzen zur Haushaltsreform fortgesetzt. Diese bestanden aus

    • einer Novellierung der haushaltsverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes (GG),
    • dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) und
    • der die Reichshaushaltsordnung für den Bereich des Bundes ablösenden Bundeshaushaltsordnung (BHO).

    Die Änderungen des Grundgesetzes

    Ein Kerngedanke der Reform war die Notwendigkeit, einheitliche Grundsätze für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern zu normieren. Zu diesem Zweck wurde in Art. 109 Abs. 3 GG eine Rahmengesetzgebungskompetenz in das GG eingefügt, auf deren Grundlage nachfolgend für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden konnten. Mit dieser neuen Kompetenz wurde die verfassungsrechtliche Grundlage für das HGrG geschaffen. Neben weiteren Regelungen beinhaltete die damalige Novellierung der haushaltsverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes darüber hinaus vor allem auch die Einführung einer sich grundsätzlich an der Höhe der im Bundeshaushalt veranschlagten Investitionen orientierenden verfassungsrechtlichen Verschuldungsregel (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG damaliger Fassung), die inzwischen durch die im Zuge der Föderalismusreform II von 2009 neu eingeführte Schuldenregel abgelöst worden ist. Die entsprechenden Änderungen des GG wurden am 14. Mai 1969 im Bundesgesetzblatt verkündet und traten am Folgetag in Kraft.

    Das Haushaltsgrundsätzegesetz als gemeinsamer Rechtsrahmen für Bund und Länder

    In Ausübung der neu geschaffenen Gesetzgebungskompetenz wurde auf einfachgesetzlicher Ebene das HGrG verabschiedet, das – als zustimmungsbedürftiges Rahmengesetz – Bund und Länder verpflichtet, ihr jeweiliges Haushaltsrecht nach einheitlichen Grundsätzen auszurichten. Es ermöglicht Bund und Ländern ein koordiniertes Planen und Bewirtschaften der jeweiligen Haushalte. Der erste Teil des Gesetzes enthält die entsprechenden rahmenrechtlichen Vorgaben; der zweite Teil (§§ 49 ff. HGrG) enthält Vorschriften, die einheitlich und unmittelbar für Bund und Länder gelten. Die mit dem StWG eingeführte mittelfristige Finanzplanung wurde mit dem HGrG auch auf den Bereich der Länder erstreckt und inhaltlich näher konkretisiert. Als ebenenübergreifendes Gremium wurde ein Finanzplanungsrat eingerichtet, der Empfehlungen für eine Koordinierung der Finanzplanungen von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden abgab. Im Rahmen der Föderalismusreform II von 2009 wurde dieser Finanzplanungsrat zu einem Stabilitätsrat weiterentwickelt, der –verfassungsrechtlich verankert – die Aufgabe einer fortlaufenden Überwachung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern wahrnimmt.

    Bei der mittelfristigen Finanzplanung

    handelt es sich um ein Planungsinstrument für die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern. Diese legen – je für sich – ihrer Haushaltswirtschaft eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde, bei der Umfang und Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben und deren Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zur mutmaßlichen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung darzustellen sind. Das erste Jahr des Planungszeitraums entspricht dem jeweils laufenden Haushaltsjahr. Der Finanzplan ist jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen.

    Die Bundeshaushaltsordnung

    Zeitlich parallel mit dem HGrG hat der Bund für seinen Bereich mit der Bundeshaushaltsordnung die sich aus dem (rahmenrechtlichen) Regelungsauftrag des HGrG ergebende Verpflichtung zur Neuordnung seines Haushaltsrechts erfüllt. Diese enthält die grundlegenden Vorschriften über die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans, das Kassenwesen, die Rechnungslegung und die Rechnungsprüfung im Bereich des Bundes. Die Länder haben für ihren Zuständigkeitsbereich jeweils inhaltlich vergleichbare Landeshaushaltsordnungen erlassen.

    Das Haushaltsgrundsätzegesetz und die Bundeshaushaltsordnung sind am 23. August 1969 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 1. Januar 1970 in Kraft getreten.

    Schlussbetrachtung und Ausblick

    Seit der Haushaltsreform des Jahres 1969 hat das Haushaltsrecht verschiedene Änderungen erfahren, von denen einige eher „technischer“ Natur, andere – wie beispielsweise die Einführung doppischer Haushalte in einigen Ländern, die Ergebnisse der oben bereits erwähnten Föderalismuskommission II und die Umsetzung auf Unionsrecht beruhender Vorgaben für Haushaltsdisziplin und -überwachung – von zum Teil weitreichender politischer Bedeutung sind. In ihrem Kern haben sich die Haushaltsreform des Jahres 1969, das Haushaltsgrundsätzegesetz und die Bundeshaushaltsordnung aber im Verlauf der vergangenen 50 Jahre nicht nur als Regelwerk, sondern – mehr noch – als Grundlage einer strukturellen Reform des Haushaltswesens bewährt, die nunmehr seit einem halben Jahrhundert die Grundlage der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern bildet.

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