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  • Analysen und Berichte

    Be­kämp­fung des Um­satz­steu­er­be­trugs

    • Umsatzsteuerbetrug tritt in vielen Facetten auf. Er reicht von der unterlassenen Erklärung und/oder Zahlung der Umsatzsteuer über den Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts bis hin zu sogenannten Umsatzsteuerkarussellen. Die voranschreitende Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten für betrügerische Aktivitäten.
    • Bund und Länder gehen in gemeinsamer Verantwortung mit verschiedenen Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens gegen den Umsatzsteuerbetrug vor.
    • Auch die europäische Verwaltungszusammenarbeit zur Verhinderung von Umsatzsteuerbetrug wurde verstärkt, indem beispielsweise die Rechtsgrundlagen für den europaweiten Informationsaustausch ausgebaut wurden, damit grenzüberschreitende Prüfungsmaßnahmen intensiviert werden können. Zudem findet die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs auf europäischer Ebene bei der Schaffung neuer EU-Rechtsakte als maßgebliches gemeinsames Ziel Berücksichtigung.

    Einleitung

    Umsatzsteuerbetrug verursacht Steuerausfälle und mindert dadurch das Umsatzsteueraufkommen in den öffentlichen Haushalten. Dieses betrug im Jahr 2017 rund 226 Mrd. €. Umsatzsteuer wird seit nunmehr 100 Jahren erhoben und hat sich seitdem zu einer der wesentlichsten steuerlichen Einnahmequellen entwickelt. Das Umsatzsteueraufkommen dient der Finanzierung der vielfältigen staatlichen Aufgaben (wie der inneren Sicherheit, Infrastruktur, Gesundheit, dem Sozialwesen, der Bildung, etc.). Die ursprüngliche Höhe des Steuersatzes von 0,5 % im Jahr 1918 wurde aufgrund des steigenden staatlichen Finanzierungsbedarfs regelmäßig bis auf aktuell 19 % erhöht. Im Vergleich der Länder der Europäischen Union (EU) liegt der Regelsteuersatz zur Umsatzsteuer in Deutschland damit in der unteren Hälfte.1

    Zur Sicherung der Staatseinnahmen, zur Gewährleistung von Steuergerechtigkeit und zum Schutz steuerehrlicher Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen gehen Bund und Länder in gemeinsamer Verantwortung gegen den Umsatzsteuerbetrug vor. Sie wirken permanent und konsequent darauf hin, dass dieser durch gesetzgeberische und organisatorische Maßnahmen weiter eingedämmt wird. Besondere Herausforderungen ergeben sich aktuell durch die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche, wodurch auch neue Möglichkeiten für Umsatzsteuerbetrug eröffnet werden. Umsatzsteuerbetrug tritt in vielen Facetten auf: Er reicht von der unterlassenen (vollständigen) Erklärung und/oder Zahlung der Umsatzsteuer über den Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts bis hin zu sogenannten Umsatzsteuerkarussellen, bei denen mehrere Akteure in einen betrügerischen (Handels-)Kreislauf eingebunden sind und zusammenwirken. Effiziente Kontrollmechanismen und ein reibungsloser Informationsaustausch im Rahmen einer gut funktionierenden Zusammenarbeit der zuständigen Behörden auf nationaler und internationaler Ebene sowie gesetzgeberische Maßnahmen wirken diesen Gegebenheiten entgegen. Mit der zunehmenden Digitalisierung nimmt auch der Umsatzsteuerbetrug durch Aktivitäten über das Internet (Handel und Dienstleistungen) stark zu. Dabei bilden Landesgrenzen keine Barrieren, sodass sich die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs noch stärker international aufstellen muss.

    Organisation der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung im BMF

    Die Anforderungen an eine wirksame Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs im nationalen und internationalen Bereich sind gestiegen. Um diesen bestmöglich zu entsprechen, sind im BMF die entsprechenden Zuständigkeiten in einem neuen Referat „Umsatzsteuer-Kontrolle und -Betrugsbekämpfung – national und international“ zusammengeführt worden. Die personellen Ressourcen wurden dafür erhöht.

    Die zahlreichen bereits laufenden Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs2 werden von dieser Einheit fortgeführt und weiterentwickelt. Zudem wird eine stärker fokussierte Befassung mit der Betrugsbekämpfung im Bereich der Umsatzsteuer ermöglicht.

    Die Zusammenführung der nationalen und internationalen Zuständigkeiten der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung in einem eigenen Referat im BMF ermöglicht die durchgängige Prozessgestaltung, die für eine effektive Betrugsbekämpfung in globaler, europäischer und bundesstaatlicher Hinsicht erforderlich ist.

    Internationale Schwerpunkte

    Die grundlegenden Rahmenregelungen des Umsatzsteuerrechts sind solche des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL, Richtlinie Nr. 2006/112/EG). Diese ist in das nationale Recht umgesetzt worden, weswegen auch vom weitgehend „harmonisierten“ Umsatzsteuerrecht in der EU gesprochen wird.

    Der Begriff „Mehrwertsteuer“

    wird vor allem im europäischen Gemeinschaftsrecht und in vielen Landessprachen anderer EU-Mitgliedstaaten verwendet (z. B. englisch VAT – „Value Added Tax“; französisch TVA – „Taxe sur la Valeur Ajoutée“). In Deutschland ist er die umgangssprachliche Bezeichnung für die Umsatzsteuer.

    Eine Richtlinie

    stellt einen der EU-Rechtsakte im Sinne des Art. 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar, der grundsätzlich der Umsetzung ins nationale Recht bedarf, um in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat Anwendung zu finden.

    Rechtsetzungsvorschläge der EU-Kommission werden im Rat der EU diskutiert, wobei das BMF die Bundesregierung hier – wie in vielen weiteren Gremien auf europäischer Ebene – vertritt. Diese Diskussonen erfolgen stets auch unter dem Gesichtspunkt, ob sie zu einer verbesserten Betrugsbekämpfung beitragen können.

    Im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit und des umsatzsteuerlichen Informationsaustauschs im europäischen Kontext ist die Verordnung des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (VO (EU) Nr. 904/2010) von besonderer Bedeutung.

    Eine Verordnung

    stellt einen EU-Rechtsakt im Sinne des Art. 288 AEUV dar, der in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung findet.

    Beim Vorgehen gegen die zunehmend grenzüberschreitenden betrügerischen Aktivitäten spielt die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs eine entscheidende Rolle. Gerade den grenzüberschreitenden Informationsaustausch, z. B. über das Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystem (MIAS) oder das Ersuchen um Prüfungsmaßnahmen in einem anderen EU-Mitgliedstaat, gegebenenfalls abgestimmt mit eigenen Ermittlungen bis hin zu multilateralen gleichzeitigen Prüfungen, ermöglicht diese Verordnung schon heute.

    Im Rahmen von MIAS

    stellen sich die EU-Mitgliedstaaten Informationen zu den grenzüberschreitenden EU-Umsätzen ihrer Unternehmer zur Verfügung.

    Im Hinblick auf gemeinsame Maßnahmen aller EU-Mitgliedstaaten zur Betrugsbekämpfung ist besonders das als Frühwarnsystem angelegte Netzwerk „Eurofisc“ hervorzuheben. In verschiedenen spezialisierten Arbeitsbereichen tauschen Verbindungsbeamte aus den EU-Mitgliedstaaten sowie seit kurzem auch aus Norwegen3 gezielte Informationen zu grenzüberschreitendem Umsatzsteuerbetrug aus. Dabei handelt es sich sowohl um operative als auch um generelle Informationen, z. B. Erkenntnisse zu neuen Betrugsmodellen. So können erste Prüfungsansätze für innergemeinschaftliche betrügerische Umsätze erlangt werden. Derzeit entwickelt die EU-Kommission zudem ein IT-Programm, das die Aufdeckung von grenzüberschreitendem Umsatzsteuerbetrug durch Eurofisc-Verbindungsbeamte noch weiter verbessern und beschleunigen soll. Die nationale Umsetzung von Eurofisc erfolgt in enger Abstimmung zwischen Bund und Ländern durch den deutschen Verbindungsbeamten beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und den von den Ländern bestimmten Stellen.

    Die EU-Finanzminister haben durch Beschluss vom 2. Oktober 2018 verschiedenen Änderungen dieser Verordnung zugestimmt, die künftig eine noch weitergehende Zusammenarbeit erlauben. Die wichtigsten Neuerungen umfassen

    • die grundsätzlich verpflichtende Durchführung bestimmter behördlicher Ermittlungen, soweit mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten darum ersuchen. Eine Ablehnung ist nur in engen Grenzen möglich.
    • die Einführung eines neuen Amtshilfeinstruments, der „gemeinsam durchgeführten behördlichen Ermittlungen“. Dadurch besteht für Beamte der EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, an Ermittlungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat teilzunehmen, beispielsweise Durchsuchungen gemeinsam durchzuführen.
    • den Austausch von Daten aus Einfuhrzollanmeldungen.
    • die Gewährung des Zugangs zu Kfz-Zulassungsdaten der EU-Mitgliedstaaten.
    • die Ausweitung der Aufgaben von „Eurofisc“. Unter anderem ist eine Zusammenarbeit mit Europol (Europäische Polizeibehörde) und OLAF („Office Européen de Lutte Anti-Fraude“, Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung) vorgesehen, indem „Eurofisc“ von diesen EU-Einrichtungen Informationen anfordern kann und diese mit den anderen EU-Mitgliedstaaten über das Eurofisc-Netzwerk teilt.

    Nationale Schwerpunkte

    Die in der Vergangenheit geschaffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie des nationalen Informationsaustauschs wurden in den vergangenen Jahren weiter vorangetrieben und verbessert. Die Länder sind national für die Erhebung und Kontrolle der Umsatzsteuer zuständig (Art. 108 Grundgesetz). Nur durch frühzeitige und effektive Kontrollen ist eine erfolgreiche Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs möglich. Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und unangekündigte Umsatzsteuer-Nachschauen (z. B. bereits zu Beginn unternehmerischer Tätigkeiten) stellen bewährte Mittel dar, um prüfungswürdige Sachverhalte schnell aufzuklären. Der Zentralen Koordinierungsstelle beim BZSt kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Über diese erfolgt die länderübergreifende Koordinierung von Prüfungsmaßnahmen (Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und Steuerfahndungsprüfungen). Nachteile aufgrund eines länderüberschreitenden Zuständigkeitswechsels und daraus resultierende Informationsdefizite können so vermieden werden. Unterstützt durch IT-Verfahren werden alle Betrugsfälle im Bereich der Umsatzsteuer bundesweit erfasst, ausgewertet und Risikoprofile erstellt. Dadurch wird ein einheitlicher Informationsstand aller eingesetzten Prüfer und zuständigen Finanzbehörden gewährleistet. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden und der Zollverwaltung wird stetig intensiviert.

    Neben dieser Fokussierung auf eine stärkere verwaltungsinterne Vernetzung erfolgt auch die Steuerfestsetzung zunehmend automatisiert. Bereits vor zehn Jahren wurde mit der Einführung der elektronischen Bilanz ein erster Schritt in diese Richtung getan. Bei der Aufdeckung von steuerrelevanten Sachverhalten im Hinblick auf eine Hinterziehung der Umsatzsteuer werden unterstützend auch elektronische Systeme eingesetzt, z. B. zur Feststellung steuerlich relevanter Aktivitäten von Unternehmern auf Verkaufsplattformen im Internet.

    Zu den weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen, die den Umsatzsteuerbetrug erschweren, gehören insbesondere

    • die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für den länderübergreifenden Abruf und die Verwendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Steuerverkürzungen. Vollzugsdefizite im Besteuerungsverfahren können dadurch reduziert werden.4
    • ein Beschluss der Bundesregierung vom 1. August 2018 über einen BMF-Gesetzentwurf (Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften), mit dem gegen den Umsatzsteuerbetrug beim Handel mit Waren über elektronische Marktplätze vorgegangen werden soll. Danach sollen ab Anfang des Jahres 2019 Betreiber elektronischer Marktplätze bestimmte Daten der Verkäufer für die Prüfung durch die Steuerbehörden erfassen und unter bestimmten Voraussetzungen selbst haftbar werden, wenn für Lieferungen über ihren Marktplatz keine Umsatzsteuer entrichtet wurde. Der nationale Gesetzgeber schafft damit bereits zwei Jahre vor Inkrafttreten einer verbindlichen europäischen Regelung eine Norm im Umsatzsteuergesetz gegen Steuerhinterziehung im Onlinehandel. In Abstimmung mit den Ländern hat die Bundesregierung zudem ein Informationsblatt zu umsatzsteuerlichen Pflichten für nicht in der EU ansässige Unternehmer entwickelt. Dieses wurde in verschiedenen Sprachfassungen an Marktplatzbetreiber, Verbände und Botschaften mit der Bitte um Veröffentlichung an geeigneter Stelle übermittelt. Ziel dieses Informationsblatts ist es, den betreffenden Personenkreis auf die bestehenden steuerlichen Pflichten hinzuweisen und ein entsprechendes Problembewusstsein zu erzielen.5
    • das vom Rat der EU im Dezember 2017 verabschiedete umsatzsteuerliche „Digitalpaket“ sieht ab dem Jahr 2021 die Möglichkeit vor, Betreiber elektronischer Marktplätze unter bestimmten Voraussetzungen zum Schuldner der Umsatzsteuer bei Lieferungen aus Drittländern zu machen.

    Das „Digitalpaket”

    haben die EU-Finanzminister am 5. Dezember 2017 beschlossen. Es beinhaltet Änderungen der MwStSystRL sowie der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates.6 Damit soll die Umsatzbesteuerung im Bereich des E-Commerce im Bereich B2C (Business to Consumer, d. h. Umsätze von Unternehmern an Verbraucher) weiter vereinfacht werden.

    Fazit

    Umsatzsteuerliche Betrugsmethoden sind vielfältig und passen sich schnell neuen Handelsstrukturen an, die insbesondere die fortschreitende Digitalisierung mit sich bringt. Es bedarf deshalb einer steten Fort- und Weiterentwicklung der gesetzgeberischen und organisatorischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs. Häufig sind Betrugskonstruktionen im Umsatzsteuerrecht grenzüberschreitend angelegt, um die Aufdeckung durch die nationalen Behörden zu erschweren. Deswegen ist es wichtig, entsprechende Maßnahmen gegen Umsatzsteuerbetrug einerseits gemeinschaftlich mit den anderen EU-Mitgliedstaaten anzugehen und andererseits auch national, in Deutschland gemeinsam mit den Ländern, tätig zu werden. Nur so können betrügerische Aktivitäten verhindert werden, die die nationalen Haushaltsmittel mindern und den Wettbewerb verzerren. Die Ausweitung der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten untereinander sowie das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften sind aktuell wichtige Maßnahmen im Kampf gegen den Umsatzsteuerbetrug.

    Fußnoten

    1
    Artikel Monatsbericht April 2009 sowie Artikel Monatsbericht Juli 2014
    2
    Vergleiche Übereinkunft zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Norwegen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die Betrugsbekämpfung und die Beitreibung von Forderungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (ABl. L 195 vom 1. August 2018, S. 3); in Kraft seit 1. September 2018 (vergleiche ABl. L 199/1 vom 7. August 2018).
    3
    Artikel Monatsbericht April 2016
    4
    Umsatzsteuer; Informationsblatt zu umsatzsteuerrechtlichen Pflichten für nicht in der Europäischen Union ansässige Unternehmer
    5
    Siehe hierzu Richtlinie (EU) Nr. 2017/2455, VO (EU) Nr. 2454/2017 sowie VO (EU) Nr. 2459/2017.

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