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  • Analysen und Berichte

    Das Eu­ro­päi­sche Se­mes­ter 2018

    • Ziel des Europäischen Semesters ist es, die wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitische Koordinierung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) zu verbessern und dazu beizutragen, notwendige Reformen durchzusetzen.
    • Das Europäische Semester 2018 ist mit der Annahme der länderspezifischen Empfehlungen an die EU-Mitgliedstaaten durch den Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN) am 13. Juli 2018 zu Ende gegangen. Nun haben die EU-Mitgliedstaaten 12 bis 18 Monate Zeit, die Empfehlungen in ihre nationalen Reformprogramme aufzunehmen.

    Einführung in das Europäische Semester

    Zielsetzung des Europäischen Semesters ist es, die wirtschafts-, finanz- und beschäftigungspolitische Koordinierung zusammenzuführen und zur besseren Durchsetzung notwendiger Reformen in den Mitgliedstaaten beizutragen. Mit der regelmäßigen Beobachtung im Europäischen Semester sollen wirtschaftliche und soziale Herausforderungen für die EU und den Euroraum frühzeitig identifiziert und Fortschritte bewertet werden.

    Das Europäische Semester ist in verschiedene zeitliche Abschnitte unterteilt. Es beginnt jedes Jahr im November mit der Veröffentlichung des Jahreswachstumsberichts, in dem die Europäische Kommission (EU-Kommission) die wichtigsten finanz-, wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Herausforderungen für die EU im kommenden Jahr benennt, und dem Kommissions-Entwurf für Empfehlungen des Rats zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (Eurozonenempfehlungen).

    Nach einer eingehenden Analyse- und Konsultationsphase endet das Europäische Semester im Juli des Folgejahres mit dem Beschluss von länderspezifischen Empfehlungen, die den Mitgliedstaaten Hilfestellungen geben sollen, eine nachhaltige und wachstumsorientierte Politik umzusetzen.

    Die Grafik zeigt einen Zeitstrahl mit den verschiedenen Verpflichtungen der Institutionen des Europäischen Semesters. BildVergroessern
    Abbildung 1

    Umsetzung des Europäischen Semesters 2018

    Das Herbstpaket der Europäischen Kommission

    Am 22. November 2017 begann das Europäische Semester 2018 mit der Veröffentlichung des Herbstpakets der EU-Kommission. Das Herbstpaket enthält den Jahreswachstumsbericht 2018, Vorschläge der EU-Kommission für „Eurozonenempfehlungen“, den Frühwarnmechanismusbericht 2018 im makroökonomischen Ungleichgewichteverfahren sowie eine Stellungnahme der EU-Kommission über die Haushaltsplanung im Euroraum.

    Der Jahreswachstumsbericht 2018 enthält den Rahmen für die finanz- und wirtschaftspolitische Grundausrichtung des Europäischen Semesters. Ihren Bericht stützt die EU-Kommission wiederholt auf die drei wirtschaftspolitischen Prioritäten – Stärkung von Investitionen, Umsetzung von Strukturreformen und verantwortliche Finanzpolitik, die im diesjährigen Jahreswachstumsbericht stärker als in den Vorjahren um die soziale Dimension ergänzt wurden.

    In ihrem Bericht stellt die EU-Kommission fest, dass die Wirtschaft im Euroraum und in der EU stetig gewachsen ist und die Erholung mittlerweile alle Mitgliedstaaten erreicht hat. Die Erwerbslosigkeit ist auf dem niedrigsten Wert seit neun Jahren, die Investitionen legen wieder zu und die öffentlichen Finanzen erholen sich. Gleichzeitig betont die EU-Kommission aber auch, dass weitere Investitionen notwendig seien, um den Aufschwung zu stützen, die Produktivität zu steigern und damit das langfristige Wachstum zu erhöhen. Sie hält weitere Strukturreformen für erforderlich, um die europäische Wirtschaft stabiler, inklusiver, produktiver und widerstandsfähiger aufzustellen. Die EU-Kommission hält es für prioritär, die hohen Schuldenstände abzubauen und Finanzpolster für zukünftige Krisen zu bilden. Dazu sollten Steuerschlupflöcher geschlossen, die Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen qualitativ verbessert und Ausgaben gezielter getätigt werden. Nach Auffassung der EU-Kommission soll die robuste Konjunktur genutzt werden, um der wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz neue Impulse zu verleihen. Generell werden Maßnahmen zur Förderung gut funktionierender Arbeitsmärkte (inklusive Chancengleichheit, Arbeitsbedingungen), moderner Sozialsysteme sowie zur Bekämpfung von Ungleichheit und Armut besonders hervorgehoben. Auch könnten höhere Löhne und Gehälter wichtige Wachstumsimpulse setzen.

    Die Vorschläge der EU-Kommission für die „Eurozonenempfehlungen“ des Rats greifen Bereiche auf, die bereits im Rahmen des vorigen Europäischen Semesters empfohlen wurden. Anders als im vorigen Jahr hat die EU-Kommission dieses Jahr keinen aggregierten fiskalischen Impuls für den Euroraum gefordert, sondern eine neutrale Ausrichtung der Finanzpolitik („neutral fiscal stance“). Im Herbstpaket des Europäischen Semesters 2017 hatte die EU-Kommission zum Thema „fiscal stance“ dem Euroraum eine eigenständige Mitteilung vorgelegt. Sie empfahl darin einen zusätzlichen fiskalischen Impuls von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Euroraums, welcher von den Mitgliedstaaten mit fiskalischem Spielraum geleistet werden sollte.

    Die „Eurozonenempfehlungen“ 2018, die im Januar 2018 vom ECOFIN angenommenen und im März 2018 vom Europäischen Rat gebilligt wurden, beziehen sich auf folgende Themen:

    1. Umsetzung von lang- und kurzfristig wachstumsfördernder Politik zur Erhöhung der Resilienz und Konvergenz; Fortschritte bei der Vollendung des Binnenmarkts, Reformen, u. a. zur Steigerung von Produktivität und Wachstumspotenzial. Unter anderem sollen Länder mit Leistungsbilanzdefiziten oder hoher externer Verschuldung darüber hinaus Zuwächse bei den Lohnstückkosten begrenzen, Länder mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen sollten zusätzlich Bedingungen schaffen, die das Lohnwachstum unterstützen, wobei die Rolle der Sozialpartner zu achten ist, und hierzu vorrangig Maßnahmen umsetzen, die Investitionen fördern, die Inlandsnachfrage beleben und das Wachstumspotenzial steigern und dabei auch den Abbau von Ungleichgewichten erleichtern.
    2. Sich an den geplanten weitgehend neutralen haushaltspolitischen Kurs für das gesamte Euro-Währungsgebiet halten und damit zu einem ausgewogenen Policy-Mix beitragen und eine fiskalische Balance herstellen zwischen Konsolidierung und Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung bei Absenkung der Schuldenstände in Ländern mit hohem Schuldenstand. Investitionsfreundliche Fiskalpolitik unter Einhaltung der Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) und Verbesserung der Ausgabenstruktur (durch „spending reviews“ und geeignetes Steuersystem). Ergreifen von Maßnahmen zur Reduzierung der Steuerverlagerung und der steuerlichen Bevorzugung von Fremdkapital sowie zur fairen Behandlung der Steuerzahler im Euroraum. Fortsetzung der Arbeiten an der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage.
    3. Umsetzung von Reformen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der Geschlechtergerechtigkeit und des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Unter anderem wird eine Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung („tax wedge“) gefordert, insbesondere für Geringverdiener.
    4. Fortsetzung der Arbeiten zur Vervollständigung der Bankenunion im Einklang mit der ECOFIN-Roadmap vom Juni 2016 im Hinblick auf Risikominderung und Risikoteilung sowie Stärkung des Europäischen Aufsichtssystems. Ergreifen von effektiven Maßnahmen zur Reduzierung von notleidenden Krediten auf Basis des ECOFIN-Aktionsplans und Rückführung der Privatsektorverschuldung in einigen Mitgliedstaaten. Förderung der europäischen Kapitalmarktintegration und Unterstützung des Wachstums im Nichtbankensektor bei Erhaltung der Finanzmarktstabilität.
    5. Fortschritte bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion.

    Im Frühwarnbericht 2018 benannte die EU-Kommission Mitgliedstaaten, die möglicherweise makroökonomische Ungleichgewichte aufweisen, die einem reibungslosen Funktionieren der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten, des Euroraums oder der EU insgesamt im Wege stehen, und deshalb einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden. Insgesamt zwölf Mitgliedstaaten (Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Niederlande, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien und Zypern) sollten demnach vertieft analysiert werden. Dabei handelt es sich um dieselben Mitgliedstaaten, bei denen in der vertieften Analyse des Europäischen Semesters 2017 Ungleichgewichte unterschiedlichen Grades festgestellt wurden. Den Anlass für die erneute Aufnahme Deutschlands in den Kreis der vertieft zu analysierenden Mitgliedstaaten gab erneut der hohe Leistungsbilanzüberschuss (LBÜ). Er lag trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2016 mit einem Durchschnittswert von 8,1 % des BIP im maßgeblichen Dreijahreszeitraum (2014 bis 2016) über der festgelegten Warnschwelle von 6 %.

    Das Herbstpaket enthielt auch Stellungnahmen der EU-Kommission zu den Haushaltsplänen der Mitgliedstaaten des Euroraums. Darin bewertete die EU-Kommission die jeweiligen Haushaltsplanungen für das Jahr 2018 im Hinblick auf die Erfüllung der Vorgaben des SWP. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Deutschland, Finnland, Lettland, Litauen, Luxemburg und die Niederlande, die derzeit der präventiven Komponente des SWP und der Schuldenregel unterliegen, die Vorgaben des SWP für 2018 erfüllen. Estland, Irland, Malta, Slowakei, Zypern und Spanien halten den SWP weitgehend ein. (Spanien unterliegt derzeit noch der korrektiven Komponente des SWP.) Risiken der Nichteinhaltung des SWP sah die EU-Kommission bei Belgien, Italien, Portugal, Slowenien, Österreich und Frankreich (Frankreich unterlag zu der Zeit noch der korrektiven Komponente des SWP). Diese Länder sollten Anpassungen an ihren Haushaltsplänen vornehmen, um eine Pakteinhaltung sicherzustellen.

    Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP)

    ist ein regelbasierter Rahmen für die Koordinierung und Überwachung der nationalen Finanzpolitiken in der EU. Im SWP wurden die Obergrenze des Schuldenstands mit 60 % des BIP sowie ein maximales Defizit von 3 % des BIP dauerhaft festgeschrieben.

    Der SWP verfügt über eine präventive und eine korrektive Komponente:

    Gemäß den Bestimmungen der präventiven Komponente müssen die Mitgliedstaaten jährliche Stabilitäts- beziehungsweise Konvergenzprogramme vorlegen, die zeigen, wie sie mittelfristig beabsichtigen, eine solide Haushaltslage zu erreichen oder zu sichern. Die EU-Kommission und der Rat überprüfen, ob die nationalen Programme umgesetzt und die Mittelfristziele erreicht werden. Diese Mittelfristziele bestehen für alle Mitgliedstaaten in einem strukturell ausgeglichenen oder nahezu ausgeglichenen Haushalt. Im Falle einer erheblichen Abweichung von einer soliden Haushaltspolitik kann der Rat Abhilfemaßnahmen empfehlen. Ergreift der betroffene Mitgliedstaat keine wirksamen Maßnahmen innerhalb der gesetzten Frist, können Sanktionen verhängt werden.

    Die korrektive Komponente des Pakts umfasst das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Dieses Verfahren wird eingeleitet, wenn ein Mitgliedstaat die im Vertrag verankerte Haushaltsdefizitgrenze von 3 % des BIP überschreitet oder seinen über die Marke von 60 % des BIP hinausgehenden Schuldenstand unzureichend abbaut. Kommt der Rat nach einer Gesamtbewertung aller einschlägigen Faktoren zu dem Schluss, dass das Defizit im Sinne des Vertrags übermäßig oder der Rückgang der Schuldenquote unzureichend ist, empfiehlt er den betroffenen Mitgliedstaaten Korrekturmaßnahmen und setzt ihnen eine Frist für die Umsetzung. Bei Nichteinhaltung der Empfehlungen innerhalb der gesetzten Frist werden die nächsten Schritte im Rahmen des Verfahrens eingeleitet. Darin eingeschlossen ist die Möglichkeit weiterer Sanktionen in Form einer Geldbuße.

    Italien hatte im Februar 2017 einen Bericht nach Art. 126 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wegen mangelnden Schuldenabbaus erhalten. Der Bericht dient als Kriterium für die Eröffnung eines Defizitverfahrens. Gemeinsam mit dem Herbstpaket hat die EU-Kommission einen Brief an Italien gesendet, in dem sie die hohen Schulden Italiens als eine zentrale Schwachstelle bewertet und ankündigt, im Frühjahr 2018 erneut den Schuldenabbau Italiens zu bewerten. Zudem hatte die EU-Kommission für das Vereinigte Königreich empfohlen, das Defizitverfahren zu beenden, da es sein Haushaltsdefizit fristgerecht im Haushaltsjahr 2016/17 unter 3 % des BIP geführt hat.

    Die Eurogruppe hatte am 4. Dezember 2017 ihre Stellungnahme zu den Haushaltsplänen der Mitgliedstaaten abgegeben und dabei festgestellt, dass die langsame Geschwindigkeit des Schuldenabbaus ausgehend von einem hohen Niveau in einigen Mitgliedstaaten ein Anlass zur Sorge sei und in der aktuellen wirtschaftlich günstigen Lage entschieden angegangen werden sollte. Die Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten sollten in voller Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts erfolgen, und dabei Stabilisierungsanforderungen und Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen.

    Nachdem Österreich und Spanien im Jahr 2018 aktualisierte Übersichten über die Haushaltsplanung vorgelegt haben (im Herbst 2017 hatten sie wegen Wahlen beziehungsweise noch nicht erfolgter Haushaltsaufstellung für 2018 „no policy change“ Haushaltspläne eingereicht), sah die EU-Kommission auch bei Österreich kein Risiko der Nichteinhaltung des SWP mehr, sondern eine weitgehende Einhaltung des SWP.

    Das Winterpaket der Europäischen Kommission

    Die im Rahmen des Winterpakets am 22. Februar 2018 vorgelegten Länderberichte enthalten Analysen der Finanz-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten und dienten als Ausgangspunkt für die anschließenden bilateralen Konsultationen zwischen der EU-Kommission und den einzelnen Mitgliedstaaten über die zentralen Herausforderungen. Bei der Länderanalyse stellt die EU-Kommission erstmalig auf zwei zusätzliche Elemente ab. Zum einem wurde die europäische Säule sozialer Rechte stärker betont und darüber hinaus thematisierte die EU-Kommission als einen horizontalen Betrachtungsschwerpunkt auch die aggressive Steuerplanung.

    Die Länderberichte der Mitgliedstaaten, die im Frühwarnbericht 2018 identifiziert wurden, enthielten zudem vertiefte Analysen über die Existenz und Natur von makroökonomischen Ungleichgewichten. Die Mitgliedstaaten, in denen Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden, unterliegen einem spezifischen Monitoring, dessen Umfang vom Ausmaß und der Art der bestehenden Ungleichgewichte abhängt. Im Falle eines bestehenden oder drohenden Ungleichgewichts erhält der betreffende Mitgliedstaat die Empfehlung, der Fehlentwicklung entgegenzuwirken.

    Ergebnisse der vertieften Analysen im makroökonomischen Ungleichgewichteverfahren:

    • Slowenien wurde in diesem Jahr als einziges Land in der Gruppe der vertieft untersuchten Länder in die Kategorie „keine Ungleichgewichte“ eingeordnet. Vergangenes Jahr wies Slowenien noch Ungleichgewichte auf.
    • Die Niederlande, Deutschland, Irland, Spanien, Bulgarien, Frankreich, Portugal und Schweden weisen „Ungleichgewichte“ auf.
    • Kroatien, Zypern und Italien weisen „übermäßige Ungleichgewichte“ auf.
    • Die EU-Kommission schlug auch in diesem Jahr für keines der Länder vor, den korrektiven Arm zu aktivieren.
    • Griechenland wurde als Programmland aus dem Verfahren ausgenommen, weil es ohnehin unter verschärfter Überwachung stand.

    Deutschland befindet sich unverändert in der Kategorie „Ungleichgewichte“. Die Einstufung erfolgte wie in den Vorjahren auf Basis des hohen deutschen LBÜ. Nach Auffassung der EU-Kommission reflektiert der LBÜ nicht nur die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, sondern auch übermäßiges Sparen einerseits und eine schwache Investitionstätigkeit andererseits.

    Frühjahrstagung des Europäischen Rats

    Der Europäische Rat hat auf seiner Frühjahrstagung im März 2018 die im Jahreswachstumsbericht der EU-Kommission genannten politischen Prioritäten indossiert und die Mitgliedstaaten ersucht, diese bei der Ausarbeitung ihrer mittelfristigen Haushaltsstrategien im Rahmen der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme (SKP) als auch bei der Erstellung ihrer Nationalen Reformprogramme (NRP) zu berücksichtigen. Der Europäische Rat billigte ferner den Entwurf der „Euroraumempfehlungen“.

    Vorlage der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme und der Nationalen Reformprogramme

    Bis Ende April 2018 übermittelten die Mitgliedstaaten des Euroraums ihre Stabilitätsprogramme und die übrigen EU-Mitgliedstaaten ihre Konvergenzprogramme an die EU-Kommission. In den SKP legten die Mitgliedstaaten ihre finanzpolitische Strategie dar, um tragfähige öffentliche Finanzen zu erreichen. Aus den SKP ging hervor, dass der Abbau der Staatsdefizite auch im Jahr 2017 fortgesetzt wurde. In der EU insgesamt lag das Staatsdefizit 2017 bei 1 % des BIP; im Euroraum bei 0,9 % des BIP. Die Staatsschuldenquote war 2017 erneut rückläufig, lag aber mit 83,1% des BIP in der EU beziehungsweise 88,8% des BIP im Euroraum weiter deutlich über dem Referenzwert. Diese positiven Entwicklungen sind insbesondere auf die bessere Wirtschaftslage und die gesunkenen Zinsausgaben zurückzuführen, das strukturelle Haushaltsdefizit 2017 hat sich aber nicht spürbar verbessert. Für das Jahr 2018 planen die Mitgliedstaaten eine leicht expansive Haushaltspolitik, was sich in einem leichten Anstieg des strukturellen Defizits niederschlägt. Dennoch sollen die Haushaltsdefizite laut den SKP im Jahr 2018 weiter zurückgehen und in der EU (ohne Griechenland) 0,9 % des BIP und im Euroraum 0,7 % des BIP erreichen. Für das Jahr 2019 wird ein weiterer Rückgang der jeweiligen Haushaltsdefizite erwartet.

    Außerdem übermittelten alle Mitgliedstaaten ihre NRP, in denen sie zu den Herausforderungen Stellung nehmen, die die EU-Kommission in ihren Länderberichten – einschließlich der eingehenden Untersuchungen im Rahmen des makroökonomischen Ungleichgewichteverfahrens – identifiziert hat. Insbesondere legen die Mitgliedstaaten auch ihre Maßnahmen zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Vorjahrs und zur Verwirklichung der Ziele der Wachstumsstrategie Europa 2020 dar.

    Die Wachstumsstrategie Europa 2020

    legt für zehn Jahre die Strategie der EU für Wachstum und Beschäftigung fest. Sie wurde im Jahr 2010 auf den Weg gebracht, um die Bedingungen für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu schaffen. Bis zum Jahr 2020 will die EU fünf Kernziele in den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Klima und Energie, Bildung, soziale Eingliederung und Armutsbekämpfung erreichen.

    Das Frühjahrspaket der Europäischen Kommission

    Am 23. Mai 2018 gab die EU-Kommission ihr Frühjahrspaket heraus. Dies bestand aus den Vorschlägen der EU-Kommission für länderspezifische Empfehlungen sowie Vorschlägen für weitere Verfahrensschritte im Bereich des SWP.

    Bei den länderspezifischen Empfehlungen handelt es sich um spezifische Leitvorgaben, wie die einzelnen Mitgliedstaaten Beschäftigung, Wachstum und Investitionen fördern können, ohne die Solidität ihrer öffentlichen Finanzen zu beeinträchtigen. Die Empfehlungen stützen sich auf die im März veröffentlichten Länderberichte, eine eingehende Bewertung der SKP und NRP sowie die Ergebnisse des Dialogs mit den Mitgliedstaaten und anderen maßgeblichen Akteuren. Inhaltlich orientieren sich die Empfehlungen an den bereits zum Auftakt des Semesters im Jahreswachstumsbericht festgelegten drei Prioritäten – Stärkung von Investitionen, Umsetzung von Strukturreformen und verantwortliche Finanzpolitik. Trotz der stärkeren Betonung der sozialen Herausforderungen/Konvergenz wurde die Fokussierung der Empfehlungen auf die oben genannten wirtschaftspolitischen Prioritäten weitgehend beibehalten.

    Nach Auffassung der EU-Kommission seien die Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr bei der Umsetzung von Reformen insgesamt etwas vorangekommen, die Umsetzung der Empfehlungen bleibe jedoch unbefriedigend. Im Vergleich zum Vorjahr wurden bei den Reformen des Finanzsektors und der aktiven Arbeitsmarktpolitik die größten Fortschritte erzielt. Im Einklang mit den Empfehlungen des Rats zugunsten von jungen Menschen und Langzeitarbeitslosen wurden auch bei den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik Fortschritte erzielt. Allerdings gab es kaum Fortschritte im Bereich der Bildung und der Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

    Die EU-Kommission mahnt zudem die Einhaltung der Vorgaben des präventiven Arms des SWP an. Das übergeordnete Ziel der länderspezifischen Empfehlungen ist es, die Mitgliedstaaten zu ermutigen, das gegenwärtig günstige Wirtschaftsklima zu nutzen, um die Widerstandsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften weiter zu stärken.

    Der Vorschlag der EU-Kommission für Deutschland enthält in diesem Jahr zwei Empfehlungen. Wie bereits in den Vorjahren empfiehlt sie eine Stärkung der Investitionstätigkeit bei gleichzeitiger Beachtung des mittelfristigen Haushaltsziels. Deutschland soll insbesondere Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation verstärken. Außerdem soll die Verfügbarkeit von Breitbandinfrastruktur mit sehr hoher Kapazität deutschlandweit gesichert werden. Zudem soll die Effizienz und Investitionsfreundlichkeit des Steuersystems weiter verbessert und der Wettbewerb bei Unternehmensdienstleistungen und reglementierten Berufen gestärkt werden. Die zweite Empfehlung richtet sich wie im Vorjahr auf die Senkung der Steuer- und Abgabenlast für Geringverdiener sowie darauf, Fehlanreize, die Zweitverdiener von einer Erwerbstätigkeit abhalten können, zu verringern und die Förderung eines höheren Reallohnwachstums unter Achtung der Rolle der Sozialpartner. Hinzugekommen sind die Forderungen, Maßnahmen zu ergreifen, um längere Erwerbsleben zu fördern und die Bildungsergebnisse und das Kompetenzniveau benachteiligter Gruppen zu verbessern.

    Weiterhin legte die EU-Kommission in ihrem Frühjahrspaket Vorschläge im Rahmen der haushaltspolitischen Überwachung vor. Sie schlug vor, Frankreich aus dem Defizitverfahren zu entlassen, da es die 3-%-Defizitgrenze deutlich und nachhaltig unterschreite. Der Rat hat die Entlassung im Juni 2018 beschlossen. Frankreich unterliegt nun der präventiven Komponente des SWP und muss sich in angemessenem Tempo seinem mittelfristigen Haushaltsziel nähern, wobei auch der Ausgabenrichtwert einzuhalten und gleichzeitig das Defizit- und das Schuldenstandskriterium zu erfüllen sind. Damit unterliegt nur noch Spanien der korrektiven Komponente des SWP.

    Des Weiteren stellte die EU-Kommission für Ungarn und Rumänien eine erhebliche Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel fest und schlug dem Rat vor, jeweils eine Empfehlung nach Art. 121 Abs. 4 AEUV an die Länder zu richten, in der sie aufgefordert werden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die erheblichen Abweichungen zu korrigieren. In Bezug auf Rumänien, das bereits Gegenstand eines Verfahrens wegen erheblicher Abweichung ist, empfahl sie dem Rat zudem, einen Beschluss über das Ausbleiben wirksamer Maßnahmen zu erlassen. Der Rat hat die vorgeschlagenen Maßnahmen ebenfalls im Juni 2018 beschlossen.

    Zudem hat die EU-Kommission im Mai 2018 Berichte nach Art. 126 Abs. 3 AEUV zu Belgien und Italien vorgelegt. Darin wird analysiert, inwieweit beide Länder das im Vertrag verankerte Schuldenstandskriterium erfüllen. In beiden Fällen kommt die EU-Kommission trotz prima facie Verletzung nach Einbeziehung relevanter Faktoren zu dem Schluss, dass in beiden Ländern aktuell kein Defizitverfahren wegen mangelndem Schuldenstandsabbau angezeigt ist.

    Annahme der länderspezifischen Empfehlungen

    Die Vorschläge der EU-Kommission für die länderspezifischen Empfehlungen wurden am 21. Juni 2018 im Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ (EPSCO) und am 22. Juni 2018 im ECOFIN erörtert und auf dieser Basis am 28. Juni 2018 vom Europäischen Rat bestätigt sowie am 13. Juli 2018 formal vom ECOFIN angenommen. Alle Länder sind nun gefordert, die Empfehlungen aufzugreifen und in ihre nationale Reformagenda aufzunehmen. Entsprechend den Vorgaben des Europäischen Semesters wird die Bundesregierung im Rahmen des nächsten NRP im April 2019 umfassend zu den länderspezifischen Empfehlungen 2018 für Deutschland und deren Umsetzung Stellung nehmen.

    Fortentwicklung und Ausblick

    Dem Europäischen Semester kommt als zentralem Instrument der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung auf europäischer Ebene eine wichtige Bedeutung zu. Daher wird seit dem ersten Europäischen Semester im Jahr 2011 stets an dessen Weiterentwicklung gearbeitet.

    Zuletzt haben das BMF und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in einem gemeinsamen Schreiben vom November 2016 Reformvorschläge an die EU-Kommission übermittelt, mit dem Ziel, den Konsultationsprozess zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission im Vorfeld der länderspezifischen Empfehlungen weiter zu verbessern und einen effizienten, verlässlichen und transparenten Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission zu erreichen. In einem gemeinsamen Brief von Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Österreich, Lettland, Litauen und Finnland auf Staatssekretärsebene wurden die wesentlichen Punkte des deutschen Positionspapiers aufgegriffen und am 22. Dezember 2016 ebenfalls an die EU-Kommission übermittelt. Die beteiligten Mitgliedstaaten forderten die EU-Kommission u. a. dazu auf, ihre Bereitschaft zu einem ergebnisoffenen Austausch zu erhöhen sowie die Diskussion über den Stand der Reformumsetzung auch auf politischer Ebene zu verstärken. Durch die höhere Qualität der bilateralen Konsultationen sollen die länderspezifischen Empfehlungen besser auf die wichtigsten Herausforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten ausgerichtet werden, was zu einer größeren Bereitschaft der Mitgliedstaaten beitragen könnte, die in den Empfehlungen verankerten Reformansätze in die nationale politische Agenda aufzunehmen. Die EU-Kommission hat die Vorschläge im Europäischen Semester 2017 aufgegriffen und die bilateralen Konsultationen gestärkt. Die Vorschläge der EU-Kommission für die länderspezifischen Empfehlungen waren dadurch noch mehr auf zentrale Herausforderungen und umsetzbare Reformschritte fokussiert und bei der Bewertung der Umsetzungsfortschritte betrachtete die EU-Kommission nunmehr auch die Entwicklung über einen längeren Zeitraum.

    Die im vergangenen Semesterprozess verbesserten bilateralen Konsultationen haben sich bereits positiv auf die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen ausgewirkt. Der Stand der Umsetzungen ist dennoch insgesamt unbefriedigend. Dies stellte auch der ECOFIN in seinen Schlussfolgerungen zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2017 vom 25. Mai 2018 fest.

    Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission am 31. Mai 2018 ihren Verordnungsvorschlag zum Reformhilfeprogramm (Reform Support Programme) vorgelegt. Das Programm soll technische und finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung von Reformen geben, die vor allem im Rahmen des Europäischen Semesters identifiziert wurden. Die Grundidee des Programms, die Umsetzung von Strukturreformen durch eine stärkere Verzahnung zwischen dem EU-Haushalt und den länderspezifischen Empfehlungen zu stärken, wird von der Bundesregierung begrüßt. Mit dem gleichen Ziel sollen künftig auch die europäischen Strukturfonds stärker zur Unterstützung nationaler Strukturreformen eingesetzt werden. Die Vorschläge werden derzeit intensiv geprüft und diskutiert. Über die abschließende Ausgestaltung und finanzielle Ausstattung wird im Gesamtkontext einer Einigung zum künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen der EU zu entscheiden sein.

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