- Mit der Entscheidung des britischen Volkes, die Europäische Union zu verlassen, und dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU im Frühjahr 2019 stellt sich die Frage der Umsiedlung der derzeit in London ansässigen EU-Agenturen: der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und der Europäischen Arzneimittelagentur.
- Deutschland bewirbt sich um den Sitz der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde am Standort Frankfurt am Main und um den Sitz der Europäischen Arzneimittelagentur am Standort Bonn.
- Für Frankfurt als künftigen Sitz der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde sprechen die Lage in der Mitte Europas und die optimale Erreichbarkeit von allen wichtigen Finanzstandorten Europas und der Welt. Der Finanzplatz Frankfurt ist international besonders wettbewerbsfähig und die Kombination aus zahlreichen Banken, Versicherungen sowie nationalen und europäischen Institutionen und Aufsichtsorganen ist ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu allen anderen Finanzplätzen in Europa.
- Die EU-Kommission wird bis zum 30. September 2017 eine Bewertung der zum 31. Juli 2017 eingegangenen Bewerbungen veröffentlichen.
Einleitung
Mit der Entscheidung des britischen Volkes, die Europäische Union zu verlassen, und dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU im Frühjahr 2019 stellt sich die Frage der Umsiedlung der derzeit in London ansässigen EU-Agenturen: der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA)
ist eine 2011 gegründete unabhängige EU-Behörde mit Sitz in London. Sie verfügt über circa 150 Mitarbeiter. Aufgabe der EBA ist es, ein wirksames und kohärentes Maß an Regulierung und Beaufsichtigung im europäischen Bankensektor zu gewährleisten. Ihre übergeordneten Ziele bestehen darin, die Finanzstabilität in der EU zu wahren und die Integrität, die Effizienz und das ordnungsgemäße Funktionieren des Bankensektors zu schützen.
Auswahlverfahren
Die EU-27 haben sich am Rande der Tagung des Europäischen Rates am 22 Juni 2017 darauf geeinigt, dass der Beschluss über die künftigen Sitze der beiden Agenturen auf Grundlage einer fairen und transparenten Entscheidungsfindung gefasst wird. Alle interessierten Mitgliedstaaten hatten die Möglichkeit, bis zum 31. Juli 2017 eine Bewerbung um den Sitz für eine oder beide Agenturen einzureichen.
Das Auswahlverfahren sieht eine Entscheidung auf Basis folgender objektiver Kriterien vor, die in den Bewerbungsunterlagen ausführlich zu adressieren waren:
- Die Gewissheit, dass die Agentur zum Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union an dem in Betracht gezogenen Ort errichtet werden und ihren Betrieb aufnehmen kann.
- Die Erreichbarkeit des Ortes.
- Das Vorhandensein schulischer Einrichtungen für die Kinder des Personals der Agentur.
- Ein angemessener Zugang zu Arbeitsmarkt, sozialer Sicherheit und medizinscher Versorgung für Kinder und Ehegatten.
- Aufrechterhaltung des Betriebs.
- Geografische Ausgewogenheit der Verteilung der Agenturen.
Die EU-Kommission wird bis zum 30. September 2017 eine Bewertung der zum 31. Juli 2017 eingegangenen Bewerbungen veröffentlichen. Es wird erwartet, dass diese sich auf die objektiven Kriterien beschränkt, ohne ein Ranking vorzugeben. Es sollte aber möglich sein, herauszulesen, welche Bewerbungen besser geeignet sind als andere.
Eine Präsentation der Bewerbungen erfolgt auf dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten (RfAA) am 17. Oktober 2017; die politische Diskussion auf Grundlage der Bewertung der EU-Kommission ist für den Europäischen Rat am 19./20. Oktober 2017 vorgesehen. Die Entscheidung wird auf dem RfAA am 20. November 2017 getroffen. Der Beschluss wird in bis zu drei geheimen Wahlgängen nach einem Punktevergabesystem gefasst, mit der EMA-Wahl zeitlich vor der EBA-Wahl. Im ersten Wahlgang stehen jedem Mitgliedstaat 6 Stimmpunkte zu: 3 Punkte für die erste Priorität, 2 Punkte für die zweite Priorität und 1 Punkt für die dritte Priorität. Der Mitgliedstaat, der für den Sitz der EMA ausgewählt wurde, scheidet für die anschließende Beschlussfassung zur EBA aus.
Bewerbungen
Deutschland bewirbt sich um den Sitz der EBA am Standort Frankfurt am Main und um den Sitz der EMA am Standort Bonn. Zur Bewerbungsfrist am 31. Juli 2017 sind beim Generalsekretariat des Europäischen Rates insgesamt acht Bewerbungen um den Sitz der EBA (Brüssel, Dublin, Frankfurt, Luxemburg, Paris, Prag, Wien und Warschau) eingegangen. Um die EMA haben sich 19 Mitgliedstaaten beworben. Neben Deutschland haben Belgien, Irland, Frankreich, Österreich und Polen Bewerbungen sowohl für die EBA als auch die EMA eingereicht. Nur sechs Mitgliedstaaten kandidieren weder für den Sitz der EMA noch der EBA (Zypern, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland und Slowenien).1

Die Bewerbung um die EBA in Frankfurt besteht aus einem ausführlichen Bewerbungsdossier, in dem die objektiven Auswahlkriterien detailliert beleuchtet werden, einer Broschüre und einem kurzen Imagefilm über Frankfurt.2 Die Bewerbung entstand in enger Kooperation mit der Hessischen Staatskanzlei. Für Frankfurt als künftigen Sitz der EBA sprechen die Lage in der Mitte Europas und ‒ als einer der zentralen Verkehrsknotenpunkte des Kontinents ‒ die optimale Erreichbarkeit von allen wichtigen Finanzstandorten Europas und der Welt. Der Finanzplatz Frankfurt ist international besonders wettbewerbsfähig und die Kombination aus zahlreichen Banken, Versicherungen sowie nationalen und europäischen Institutionen und Aufsichtsorganen ist ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu allen anderen Finanzplätzen in Europa. Die kurzen Wege zwischen den relevanten Akteuren der europäischen Finanzaufsicht erhöhen die Effizienz der Aufsicht im Alltag und erleichtern die schnelle Handlungsfähigkeit im Krisenfall. Zudem sorgen die zahlreichen renommierten Anwaltskanzleien sowie auf Finanzen spezialisierten Gesellschaften in Frankfurt zusammen mit einem Netzwerk von 34 exzellenten Hochschulen in der Region für ein ausgesprochen hohes Niveau an Finanzmarktexpertise.
Auch ein erster Vergleich der eingegangenen EBA-Bewerbungen zeigt, dass Frankfurt hinsichtlich aller objektiven Kriterien gegenüber den anderen Mitgliedstaaten sehr gut positioniert ist. Für die Stabilität der Finanzmärkte in der Europäischen Union ist es von überragender Bedeutung, dass die EBA auch während der Übergangsphase vollumfänglich funktionsfähig bleibt. Dies wäre mit der Wahl von Frankfurt am Main als Standort gewährleistet; denn für eine sofortige Ansiedlung der EBA stehen nicht zuletzt zahlreiche hochwertige Büroflächen in zentraler Lage zur Verfügung und dies zu – im europäischen Vergleich – sehr günstigen Konditionen. Zu den attraktiven Optionen im Stadtzentrum mit sehr kurzen Wegen zu den relevanten Finanzmarktakteuren gehört u. a. die Möglichkeit, die EBA in demselben Gebäude aufzunehmen wie die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), nämlich dem Westhafen Tower. Dies könnte Synergien ermöglichen.
Mit einer lebhaften internationalen Gemeinschaft zählt Frankfurt am Main zu den kosmopolitischsten Städten Deutschlands. Eine Vielzahl von internationalen Unternehmen sorgt für ein breites Angebot an qualifizierten Fachkräften. Darüber hinaus verfügt die Stadt über mehr als 30 öffentliche und private Schulen mit internationaler Prägung. Zudem hält Frankfurt am Main ein sehr vielseitiges Kulturangebot für die internationale Community bereit. Das multinationale Flair überzeugt und macht die Region zu einem Ort, an dem sich internationale Arbeitnehmer und ihre Familien wohl fühlen.
Daneben profitiert die Stadt von einem starken und stabilen gesamtwirtschaftlichen Umfeld in Deutschland. Eine Entscheidung für Frankfurt am Main als künftigen Sitz der EBA würde sicherstellen, dass der Erfolg ihrer Arbeit auch in Zukunft gewährleistet ist. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hat es bei der Handelsblatt-Tagung „Banken im Umbruch“ am 6. September in Frankfurt auf den Punkt gebracht: „Und natürlich gibt es in Kontinentaleuropa keinen besseren Platz als Frankfurt, den Sitz der Europäischen Zentralbank, im Zentrum Europas. Deswegen haben wir ja auch klar gesagt: Weil die Europäische Bankenaufsicht nicht in London bleiben kann nach einem Brexit, ist Frankfurt genau der richtige Platz dafür.“
Wie es weitergeht
Mit Abgabe der Bewerbungen der Mitgliedstaaten ist das Bewerbungsverfahren in eine nächste Etappe eingetreten: Für jeden kandidierenden Mitgliedstaat gilt es jetzt, Unterstützung im Wahlverfahren bei anderen wahlberechtigten Mitgliedstaaten zu suchen. Die deutschen Bewerbungen werden daher – auf politische Festlegung der Bundesregierung gleichberechtigt – im Verlauf des Septembers durch über das Auswärtige Amt organisierte Demarchen bei den anderen 26 wahlberechtigten Mitgliedstaaten flankiert. Weitere Maßnahmen zur Werbung um Unterstützung für die EBA-Bewerbung plant derzeit das BMF in Kooperation mit dem Land Hessen. Der Ausgang der Abstimmung über den künftigen Sitz der Agenturen ist, auch aufgrund des ungewöhnlichen Auswahlverfahrens, derzeit nicht absehbar.