Navigation und Service

Inhalt

  • Analysen und Berichte

    Ein grö­ße­rer Haus­halt für das neue Eu­ro­pa?

    • Die Europäische Union steht finanziell vor großen Herausforderungen (Migration, Sicherheit, Brexit, etc.).
    • Eine tiefgreifende Reform des EU-Haushalts kann gelingen, wenn sie sich an den aktuellen europäischen Prioritäten orientiert.
    • Für eine solche zukunftsfähige Ausrichtung der EU-Finanzen ist keine Erhöhung des Finanzvolumens erforderlich.

    Größe und Inhalt des EU-Haushalts

    Der Haushalt der Europäischen Union (EU) hat heute schon eine Ausstattung von jährlich rund 150 Mrd. €. Dieses Geld wird jedoch nicht konsequent für europäische Prioritäten, sondern traditionell bedingt zu rund 80 % zur Finanzierung der Agrar-, Struktur- und Kohäsionspolitik eingesetzt. Ein Großteil der EU-Ausgaben ersetzt oftmals nur nationale Maßnahmen und erzielt daher keinen europäischen Mehrwert. So wird z. B. mit dem Einsatz von Strukturmitteln in reicheren Mitgliedstaaten der Aufholprozess in ärmeren Mitgliedstaaten verlangsamt. Auch die Ziele der EU-Agrarpolitik könnten zu einem großen Teil ohne finanzielle EU-Förderung erreicht werden. Es geht deshalb in erster Linie nicht um die Frage von mehr Geld für den EU-Haushalt, sondern um richtige Prioritätensetzung bei der Finanzierung angesichts aktueller Herausforderungen.

    Kohäsionspolitik

    Gemäß Art. 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union entwickelt und verfolgt die EU eine Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts, um eine harmonische Entwicklung der Union als Ganzes zu fördern. Die Union setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern.

    Kreisdiagramm zeigt den EU-Haushalt nach Rubriken im Jahr 2015. BildVergroessern
    Abbildung 1

    Herausforderungen

    Der EU-Haushalt verliert durch den Brexit einen seiner größten Beitragszahler. Gleichzeitig steht die EU aber vor weiteren enormen Herausforderungen. Die Erklärung von Rom gibt die Agenda für die kommenden Monate und Jahre vor:

    • Umgang mit Migration
    • Sicherheit innerhalb Europas
    • Nachhaltiges Wachstum durch Strukturreformen
    • Europäische Stärke nach außen

    Mögliche Lösungsansätze

    Die EU hat es sich nach ihren Gründungsverträgen u. a. zur Aufgabe gemacht, Ressourcen zum Nutzen Europas zu bündeln. Dabei muss die EU die für ihre Tätigkeit geltenden Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie das Prinzip der Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten beachten.

    Reform des EU-Haushalts

    Das BMF setzt sich für eine Reform des EU-Haushalts und seiner Rahmenbedingungen ein, um die aktuellen politischen Prioritäten stärker berücksichtigen und auch den wirtschaftlichen Aufholprozess einiger Mitgliedstaaten beschleunigen zu können. Gezielt eingesetzte Finanzmittel in den durch die Rom-Agenda vorgegebenen Bereichen können – im Gegensatz zu den im Bereich der Agrar- und Strukturförderung bestehenden ineffektiven Mitnahmeeffekten – einen echten europäischen Mehrwert generieren.

    Rom-Agenda

    Am 25. März 2017 haben die Staats- und Regierungschefs der EU-27 in einer gemeinsamen Erklärung zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge die Ziele der EU für die nächsten zehn Jahre definiert: ein sichereres Europa, ein Europa mit nachhaltigem Wachstum, ein soziales Europa und ein Europa, das seinen Platz in der Welt einnimmt. Mit dieser sogenannten Rom-Agenda reagiert die EU auch unter dem Eindruck des Brexit auf aktuelle Herausforderungen auf globaler und nationaler Ebene: regionale Konflikte, Terrorismus, wachsender Migrationsdruck, Protektionismus sowie soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten.

    Verknüpfung von EU-Förderung mit Strukturreformen

    Die trotz jahrzehntelanger Förderung zunehmenden wirtschaftlichen Divergenzen der Mitgliedstaaten belegen, dass Subventionen aus dem EU-Haushalt kein Allheilmittel sind. Für viele Mitgliedstaaten sind zunächst Strukturreformen für die Stärkung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erforderlich, um ihr Wachstum nachhaltig zu erhöhen. Erst dann können gezielt eingesetzte EU-Fördermittel ihre Wirkung angemessen entfalten. Die Erfahrung Deutschlands (ebenso wie anderer reformorientierter Mitgliedstaaten) hat gezeigt: Strukturreformen und nachhaltige Finanzpolitik sind kein Gegensatz, sondern unterstützen sich gegenseitig. So hat Deutschland in den Jahren 2003 bis 2007 Strukturreformen durchgeführt und gleichzeitig seine Staatsausgabenquote deutlich zurückgeführt. Insofern sollten wir nicht noch mehr Mittel in reformbedürftige Systeme stecken, sondern insbesondere künftige Zahlungen aus den EU-Struktur- und Investitionsfonds zur Unterstützung von Strukturreformen nutzen, d. h. der Umsetzung der jährlichen länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters.

    In der Anwendung des Regelwerks des Stabilitäts- und Wachstumspakts haben Kommission und Rat gerade in den Jahren seit der Wirtschafts- und Finanzkrise der Bedeutung von Strukturreformen Rechnung getragen und dabei die Fristen zur Korrektur übermäßiger Defizite teilweise erheblich gestreckt. Allerdings darf das Regelwerk auch nicht überdehnt werden. Die öffentlichen Schuldenstände im Euroraum sind zum Teil deutlich gestiegen und liegen in wichtigen Volkswirtschaften deutlich über oder nahe bei 100 % des Bruttoinlandsprodukts und damit weit entfernt von den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Hier kann der erforderliche Abbau der Schuldenstände nicht weiter vertagt werden. Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ist eine zentrale Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit aller Mitgliedstaaten und für die Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Währung.

    Keine Notwendigkeit einer Erhöhung des EU-Haushalts

    Mit einem Finanzvolumen von rund 1 % des EU-Bruttonationaleinkommens verfügt der EU-Haushalt über ausreichende Mittel. Für eine Erhöhung besteht keine Notwendigkeit. Es mangelt nicht an Geld, sondern an politischem Willen, die richtigen Prioritäten bei den Ausgaben zu setzen. Die europäischen Mittel müssen so umgeschichtet werden, dass Aufgaben mit europäischem Mehrwert finanziert werden, die auf nationaler Ebene nicht zufriedenstellend gelöst werden können.

    Im Kohäsionsbereich entfaltet der aktuelle EU-Haushalt bereits eine signifikante Umverteilungswirkung. Wenn diese Mittel konsequent für die Unterstützung von nationalen Reformen genutzt würden, könnte ein Beitrag zur Steigerung von Konvergenz und Wohlstand erreicht werden.

    Gleiches gilt für Überlegungen zu einer einseitigen Erhöhung des Finanzierungsanteils einzelner Mitgliedstaaten am EU-Haushalt. Erstens können Vorteile, die Mitgliedstaaten außerhalb des EU-Haushalts – direkt oder indirekt – aus der EU-Mitgliedschaft ziehen, nicht in konkrete Geldbeträge umgerechnet werden. Zweitens würde der Versuch (oder Anschein) einer solchen Quantifizierung die spaltend wirkende – und bei entsprechender Ausgabenpriorisierung überflüssige – Diskussion um Nettozahler beziehungsweise Nettoempfänger unnötig weiter befeuern.

    Fazit

    Die EU-27 legen mit der Rom-Agenda den Fokus auf die Stärkung des vereinten Europas angesichts nie dagewesener Herausforderungen u. a. in Migrations- und Sicherheitsfragen sowie durch die Notwendigkeit dringender Investitionen und Strukturreformen. Das Ziel kann erreicht werden mit einem reformierten und zukunftsfähigen EU-Haushalt, der diese aktuellen Prioritäten adressiert.

Fußzeile