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28.04.2023

Christian Lindner vor dem April-Treffen der Eurogruppe und des informellen ECOFIN-Rats

CHRISTIAN LINDNER: Hallo, guten Morgen zusammen!

Der politische Frühling bringt uns viele Themen und auch viele aktuelle Dossiers, über die wir beraten werden. Für uns entscheidend als Finanzministerinnen und Finanzminister ist, dass wir die öffentlichen Finanzen nachhaltig aufstellen. Wir haben gemeinsam große Konsolidierungsaufgaben. Wir müssen von den hohen Ausgaben herunter, die wir während der Pandemie und der Energiekrise des vergangenen Jahres hatten. Wir dürfen jetzt die Inflation nicht weiter anfüttern durch hohe Staatsausgaben, die wir über Schulden finanzieren. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

In dem Zusammenhang werden wir heute und morgen gewiss am Rande auch über die aktuellen Vorschläge der Kommission für einen "Economic Governance Review" sprechen. Sie stehen nicht auf der Tagesordnung. Aber es ist kein Geheimnis, dass viele natürlich den Austausch miteinander suchen werden, um zu einer ersten Bewertung zu kommen. Deutschland hat stets eine sehr konstruktive Rolle gespielt. Ich will unterstreichen, dass wir über ein "Nonpaper" bereits im vergangenen Jahr Umrisse unserer Positionen dargestellt haben und jetzt nach den Ratsschlussfolgerungen im Gespräch mit der Europäischen Kommission noch einmal auch technische Vorschläge unterbreitet haben.

Gemessen an unserer Anforderung, dass wir ein regelbasiertes System für alle Mitgliedsstaaten haben, das zu einem verlässlichen Pfad des Schuldenabbaus beiträgt, sind die Vorschläge der Kommission noch nur ein erster Schritt. Wir erkennen an, dass es Signale in Richtung der deutschen Position gegeben hat. Aber diese haben eher den Charakter von Ankerpunkten im Entwurf, wo wichtige weitere Ergänzungen aus deutscher Sicht notwendig sind. Für uns ist wichtig, dass wir in Zahlen gegossene Anforderungen haben – sogenannte „numerical benchmarks“. Und dass wir auch eine Rückfalllinie, eine Absicherungslinie, eine sogenannte „common safeguard“ in den Regeln verankern, durch die sichergestellt wird, dass es wirklich regelmäßig einen Abbau der Defizite und auch der Verschuldungsquoten gibt.

Wir werden sprechen über die Situation im Finanzsektor. Hier hat es ja auch Rechtssetzungsvorschläge gegeben für das Krisenmanagement im Bankensektor. Vor dem aktuellen Hintergrund der Schieflage einzelner Institute insbesondere außerhalb der Europäischen Union ist das sicherlich ein aktuelles Thema. Zugleich hat sich aber bestätigt, dass der institutionelle Rahmen, den wir in Europa nach der Finanzkrise gefunden haben, dass der stabil ist, weshalb weitere Entwicklungsschritte und Verbesserungen zu begrüßen sind. Aber wir können diese Diskussion ohne Dramatik führen, sondern mit Übersicht und sorgfältiger Abwägung unterschiedlicher Vorschläge, die eingebracht werden. Und insofern kommen wir hier zusammen im politischen Frühling, um dazu beizutragen, dass sich auch die ökonomische Stimmungslage aufhellt.

FRAGE: Herr Minister, ist die von Deutschland geforderte Reduzierung der Schuldenquote um 1 Prozent oder auch um eine andere Zahl eine unerlässliche Voraussetzung für Ihre Zustimmung zur Reform?

CHRISTIAN LINDNER: Mir scheint es ein wichtiger Vorschlag im Sinne einer gemeinsamen Absicherungslinie zu sein, die andere Fiskalregeln ergänzt. Der Schlüssel liegt im Verhältnis zwischen potenziellem Wachstum und dem Ansteigen der Staatsausgaben. Eine Reduzierung der Schuldenquote um 0,5 Prozent bis 1 Prozent dient lediglich als Absicherungslinie. Meistens werden diese numerischen Anforderungen auch ihren Weg in die Haushaltspolitik der Regierung finden.

FRAGE: Bei der Ablehnung der Vorschläge der Kommission zur Governance: Gefallen Sie sich in der Rolle als Hardliner hier?

CHRISTIAN LINDNER: Weder stimmt die Annahme, noch zielt die Frage in die richtige Richtung. Deutschland hat weder abgelehnt, sondern wir haben deutlich gemacht, dass das, was über viele Monate als Anforderung beschrieben worden ist, noch nicht abgebildet ist in den Vorschlägen. Andere, ich denke an den italienischen Kollegen, haben aus anderer Perspektive bedenken. Noch möchte Deutschland ablehnen, sondern Deutschland möchte Beiträge zu guten Lösungen leisten.

FRAGE: Herr Minister Lindner, die Kommission hat heute nochmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass es jetzt schnell zu einer politischen Einigung kommt. Sind sie optimistisch, dass es hier tatsächlich bis Jahresende zu einer Verabschiedung der Vorschläge kommt? Und welche Länder sehen Sie als ihre Alliierten in Richtung deutsche Vorschläge?

CHRISTIAN LINDNER: Deutschland ist konstruktiv und interessiert an einer guten Lösung. Wenn eine gute Lösung schnell zu erreichen ist, wäre das ja noch besser. Allerdings haben wir bereits Regeln. Wir haben einen Stabilitäts- und Wachstumspakt, wir haben Fiskalregeln. Solange wir keine neuen Regeln haben, gelten die bisherigen Regeln. Und insofern befinden wir uns nicht in einem luftleeren Raum.

FRAGE: Herr Minister, ich möchte Sie nicht um zu tiefe Einblicke in Ihre Psyche bitten, aber wie ist Ihre Stimmung? Ihr offener Brief in der Financial Times wurde von manchen als etwas aggressiv wahrgenommen. Heute klingen Sie ein bisschen versöhnlicher, da Sie von Absicherungslinien sprechen und davon, dass es sich nicht um eine Verpflichtung handelt. Wie würden Sie Ihre Stimmung beschreiben?

CHRISTIAN LINDNER: Ich bin immer freundlich, optimistisch und höflich. Was auch heute meiner Stimmung entspricht.

FRAGE: Eine konstruktive Stimmung?

CHRISTIAN LINDNER: Immer.

FRAGE: Herr Lindner, wir haben einen Krieg in der Ukraine und viele dann da haben Waffen doniert. Hier in Schweden spricht die Militärindustrie, dass man die Regeln der europäischen Investmentbank ändern soll, damit Investieren in Waffen erlaubt werden soll. Soll das erlaubt werden?

CHRISTIAN LINDNER: Das ist gegenwärtig hier kein Thema. Für Deutschland erfolgt die Hilfe der Ukraine in militärischer Hinsicht aus unserem Bundeshaushalt. Das sind also politische Entscheidungen, die wir für unseren Haushalt treffen. Und ich glaube, der Ukraine ist mit einem solchen Weg auch sehr geholfen. Andere Finanzierungsformen über den privaten Bankensektor für Waffenlieferungen sind gegenwärtig nicht Diskussionsthema im Rat.

Vielen Dank. Wir sehen uns noch wieder, aber ich muss jetzt leider – was heißt leider -; ich darf jetzt an die Arbeit. Bis später.