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25.07.2022

Pressekonferenz mit Christian Lindner und Bruno Le Maire

[Christian Lindner:] Ja, meine Damen, meine Herren, ich hatte heute die große Ehre, meinem Kollegen und Freund Bruno Le Maire das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband im Namen des Herrn Bundespräsidenten zu überreichen. Es war eine sehr schöne Veranstaltung. Bruno Le Maire ist seit vielen Jahren ein Gestalter der deutsch-französischen Freundschaft. Und er hat gerade in diesem Jahr als Präsident im Europäischen Rat der Finanzministerinnen und Finanzminister sehr starke Führung gezeigt. Das war ein aktueller Anlass, Bruno Le Maire mit dieser sehr hohen Auszeichnung auszuzeichnen. Und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass, nachdem ich den Vorschlag gemacht habe, ich auch selber das Bundesverdienstkreuz aushändigen durfte.

Wir haben uns danach ausgetauscht über aktuelle politische Fragen, insbesondere natürlich die ökonomischen Entwicklungen in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine; die Auswirkungen, die das hat auf unsere Haushalte. Deutschland ist der unveränderten Auffassung, dass wir stabile öffentliche Finanzen brauchen. In Zeiten der Inflation darf der Staat mit seiner Feuerkraft die Inflation nicht noch weiter antreiben. Deshalb müssen wir zu soliden Finanzen zurückkehren. In Deutschland heißt das, die Schuldenbremse des Grundgesetzes im nächsten Jahr wieder einzuhalten. Die Maßnahmen, die wir unternehmen, um die Menschen in dieser Situation zu unterstützen, müssen deshalb sehr zielgerichtet sein. Es geht darum, die besonders betroffenen Haushalte nicht allein zu lassen. Das ist ja am vergangenen Freitag auch nochmal vom Bundeskanzler mit einer berühmten Liedzeile unterstrichen worden. Und diese Auffassung habe ich auch gegenüber Bruno Le Maire nochmal unterstrichen; wie wir die Situation sehen. Über solche Fragen haben wir uns bilateral ausgetauscht.

[Bruno Le Maire:] Danke, lieber Christian, Zunächst möchte ich mich noch einmal für dieses Verdienstkreuz bedanken. Das war wirklich für mich eine große Ehre und eine große Freude. Dafür danke ich dir ganz herzlich. Dies ist ein klarer Beweis für die Freundschaft zwischen dir und mir und die enge Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern, Frankreich und Deutschland. Wie Christian bereits sagte, erleben wir erneut schwierige Zeiten. Erst mussten wir die Folgen der Corona-Krise bewältigen. Jetzt spüren wir die Folgen der Ukraine-Krise und der Energiekrise. Daher müssen wir unsere Freundschaft und Solidarität erneut unter Beweis stellen. Ich kann Ihnen versichern, dass die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland und den beiden Finanzministern noch nie so stabil war. Ich glaube, wir begegnen dieser neuen Inflationskrise und den Folgen der Situation in der Ukraine mit genau derselben Strategie, nämlich einer Drei-Säulen-Strategie.

Die erste Säule besteht darin, die Menschen zu unterstützen, die von der Inflation und den Preissteigerungen am stärksten betroffen sind. Diese Unterstützung wird zeitlich begrenzt sein, da wir mit einem Rückgang der Inflation bis 2023 rechnen. Aber es wird eine Entlastung für die Menschen geben, die von der Inflationskrise erneut betroffen sind. Diese befristete Unterstützung bildet die erste Säule.

Die zweite Säule besteht darin, an den eingeleiteten Strukturreformen festzuhalten – wie Präsident Macron mehrfach betont hat. Frankreich ist fest davon überzeugt, dass es den Reformkurs beizubehalten gilt. In den letzten fünf Jahren haben wir sehr wichtige Strukturreformen für die französische Wirtschaft auf den Weg gebracht. Die Ergebnisse dieser Reformen waren äußerst positiv: niedrigere Arbeitslosigkeit, bessere Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen und ein attraktiverer Wirtschaftsstandort Frankreich.

Die dritte Säule ist die Rückkehr zu soliden öffentlichen Finanzen. Hier möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir fest entschlossen sind, zu soliden öffentlichen Finanzen zurückzukehren. In wenigen Tagen werde ich das französische Stabilitätsprogramm vorstellen. Daraus geht hervor, dass wir am Reformkurs festhalten werden, dass wir zur Einleitung neuer Strukturreformen bereit sind und dass wir fest entschlossen sind, das Haushaltsdefizit bis 2027 auf unter 3 Prozent zurückzuführen.

Das ist also die Drei-Säulen-Strategie, die wir in den kommenden Jahren verfolgen werden: Unterstützung für die von der Inflation betroffenen Menschen über mehrere Monate, Rückkehr zu soliden öffentlichen Finanzen und Festhalten an den eingeleiteten Strukturreformen. Und dies wieder in sehr enger Abstimmung zwischen Frankreich und Deutschland.

[Moderation:] Wir haben noch genug Zeit, zwei, drei Fragen zu stellen.

[Journalistin 1:] Herr Minister Lindner, die AKW-Laufzeit Debatte kommt jetzt in Schwung. Wie schätzen Sie das ein?

[Christian Lindner:] Wir haben heute hier über energiepolitische Fragen nicht gesprochen, sondern wir haben ja gesprochen als Finanzminister. Bezogen auf Deutschland ist die Bundesregierung ja in einer laufenden Beratung. Und es wird ja auch sogenannte Stresstests geben und auf der Grundlage werden dann Entscheidungen getroffen.

[Journalist 2:] Wenn ich in Deutsch fragen darf, nicht auf Englisch. Herr Le Maire, Sie haben gerade angesprochen Maßnahmen zur Entlastung für Bürger bei der Inflation. Wenn ich es richtig verstehe, gehen Deutschland und Frankreich da unterschiedliche Wege. Haben Sie dem deutschen Finanzminister mit auf den Weg gegeben, vielleicht auch im nächsten Jahr mehr Schulden aufzunehmen, um stärkere Entlastungen zu finanzieren für Verbraucher und die Wirtschaft? Wenn Sie erlauben, eine Frage zu einem innerdeutschen Thema an Herrn Lindner. Mitten in der Ferienzeit soll am Mittwoch bei Lufthansa gestreikt werden; das Bodenpersonal. Was hält die Bundesregierung davon? Dankeschön.

[Bruno Le Maire:] Ich würde nicht sagen, das sind verschiedene Wege. Ich würde sagen, das sind gleiche Wege mit verschiedenen Maßnahmen. Das ist der Unterschied. Nun wieder auf Englisch: Ich glaube, wir verfolgen genau dieselbe Strategie, und möchte ganz klar betonen, dass im Rahmen der sehr engen Partnerschaft zwischen Christian und mir eine sehr enge Abstimmung stattfindet. Und das wöchentlich, täglich – zu allen Maßnahmen, die wir treffen, und auch zur langfristigen Strategie. Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir – wenn wir die Folgen der Inflation in allen Ländern erfolgreich bewältigen wollen – die deutsch-französische Freundschaft und die Abstimmung zwischen Frankreich und Deutschland noch einmal vertiefen müssen.Und genau das tun wir heute.

Was die Maßnahmen angeht, verfolgen wir selbstverständlich wieder dieselbe Strategie: befristete Maßnahmen, solange die Folgen der Inflation andauern. Natürlich trifft dabei jedes Land die Entscheidungen, die für die eigene Bevölkerung am wirksamsten sind. So haben wir in Frankreich beschlossen, die Menschen vor dem Anstieg der Strom-, Benzin- und Gaspreise zu schützen. Deutschland hat andere Entscheidungen getroffen, zum Beispiel im Verkehrsbereich mit dem 9-Euro-Ticket. Aber das ist aus meiner Sicht derselbe Ansatz und derselbe Weg, die Bevölkerung vor den schlimmsten Auswirkungen hoher Preise zu schützen.

[Moderation:] Die Frage an Herrn Lindner noch? Die Frage an Herrn Lindner.

[Christian Lindner:] Also wir haben durchaus sehr ähnliche Philosophien. Der Tankrabatt, den gibt es in Frankreich. Wir haben das in Deutschland ja genauso gemacht. Wir unterstützen die besonders betroffenen Haushalte. Und wie Sie wissen, ist mein Vorschlag ja, dass wir die Geringverdiener und die arbeitende Mitte in Deutschland im nächsten Jahr auch durch eine weitere Steuersenkung entlasten. Also auf der einen Seite Menschen, die auf Transferleistungen und Sozialleistungen angewiesen sind, die lassen wir nicht allein. Aber auch die arbeitende Bevölkerung mit geringem Einkommen, aber auch die Qualifizierteren haben eine Unterstützung verdient in Form von Entlastung.

Und da habe ich entsprechende Vorschläge angekündigt. Es ist im Übrigen unzutreffend, dass heute berichtet worden ist, ich hätte eine Entlastung von Geringverdienern verhindert. Im Gegenteil: Ich schlage sie vor. Und möchte sie nicht verhindern, sondern befördern durch die Dämpfung der sogenannten kalten Progression oder Verhinderung einer kalten Progression beispielsweise. Sie hatten eine Frage gestellt zu den Tarifauseinandersetzungen. Das möchte ich allerdings nicht kommentieren, weil das eine Frage der Tarifpartner ist. Ich hoffe und bin mir sicher, dass sich alle Beteiligten ihrer besonderen Verantwortung auch für die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen bewusst sind. Und mit dieser Hoffnung auf Verantwortungsgefühl ist schon, glaube ich, das meiste gesagt.

[Moderation:] Zweite Frage.

[Journalistin 1:] Frage an Herrn Lindner und Herrn Le Maire. Frankreich und Deutschland lehnen die Idee einer Übergewinnsteuer ab. Warum? Was in Spanien oder Italien oder in England möglich ist, warum kann das in den beiden Ländern nicht möglich werden.

[Christian Lindner:] Vielleicht darf ich beginnen. Im Unterschied zu Großbritannien und Italien verfügt Deutschland nicht über einen Ölkonzern, sondern nur über nationale Vertriebsgesellschaften. Das heißt also, in Italien und Großbritannien sind es andere Unternehmen. Falls es besonders hohe Gewinne in Folge der Krise gibt, handelt es sich in Deutschland um die Hersteller von Impfstoffen, die große Risiken eingegangen sind, ob ein Impfstoff funktioniert oder nicht. Nicht jeder Hersteller hatte dabei Erfolg. Und auf der anderen Seite handelt es sich um die Produzenten von Solar- und Windenergie. Dort ist der hohe Gewinn zugleich ja aber ein Anreiz, Kapazitäten auszubauen. Wir wollen ja mehr Windkraft und mehr Solarenergie haben. Und deshalb sind die hohen Gewinnmargen, die dort möglich sind, zugleich ein marktwirtschaftliches Programm, diese Energien auszubauen. Und als letztes Argument: Der Staat weiß nicht, was ein Übergewinn ist. Das würde also Tür und Tor öffnen für die Beliebigkeit im Steuersystem. Das Steuerrecht kennt nur den Gewinn. Und der wird in Deutschland übrigens international in bemerkenswerter Höhe besteuert.

[Bruno Le Maire:] Ja, ich möchte gern die gleiche Antwort geben, aber wenn ich etwas hinzufügen darf, es gibt eine ganz einfache Antwort auf Ihre Frage: Wir haben in Frankreich die höchsten Steuersätze. Daher wären gerade bei uns Steuererhöhungen im EU-Vergleich nicht die richtige Reaktion. Unsere Strategie ist es, die Steuerlast für die Privathaushalte und die privaten Unternehmen zu senken. Und diesen Kurs wollen wir nicht zurückdrehen.

[Christian Lindner:] Bei meinen Koalitionspartnern würde ich es nicht einmal wagen, die Möglichkeit einer Senkung der Unternehmenssteuern auch nur zu erwähnen.

[Bruno Le Maire:] Danke vielmals.

[Christian Lindner:] Danke.

[Bruno Le Maire:] Danke.