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08.02.2022

Christian Lindner bei der Scale-Up Europe Conference

Lieber Bruno, liebe Nadia, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine Freude, heute hier zu sein und Sie alle zu sehen. Die European Tech Champion Initiative ist ein großer Schritt nach vorne und wir freuen uns über den heutigen Start dieser Initiative. Wir freuen uns auch, dass wir diese Initiative hier in Paris ins Leben rufen können. Wir sprachen über diese Initiative zum ersten Mal auf Ministerebene, als ich im Dezember in Paris war.

Jetzt können wir sie der Öffentlichkeit vorstellen. Ich denke, das ist ein wahres Start-up-Tempo und zeigt, wie lebendig die deutsch-französische Partnerschaft ist. Es ist unser gemeinsames Anliegen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern. Wir wollen Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Innovationen und technologische Kompetenz fördern. Europa ist in vielen etablierten Industriezweigen und Technologien führend. Aber wir hinken hinterher, wenn es darum geht, die Champions von morgen hervorzubringen. Es gibt in der Europäischen Union viel privates Know-how, private Initiativen und privates Kapital.

Alle Voraussetzungen sind also gegeben, aber unser Ökosystem für Start-ups ist noch ausbaufähig. Start-ups, innovative Technologien und Geschäftsmodelle haben nachweislich positive Übertragungseffekte auf andere Wirtschaftszweige und kurbeln somit die gesamte Wirtschaft an. Mehr Start-up-Aktivitäten führen zu höherer Produktivität, mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Bestehende Start-ups ermöglichen uns bereits heute ein besseres Leben, denken Sie zum Beispiel nur an die Entwicklung von Impfstoffen. Sie sind auch Vorreiter beim Übergang zu einer klimaneutralen Produktion und nachhaltigen Lebensweise.

Sie verändern die Art, wie wir uns treffen, bewegen, interagieren, Handel treiben und manchmal sogar wie wir lieben. Unsere Aufgabe als Politiker*innen besteht darin, die Bedingungen für Unternehmen zu verbessern und für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Gute Finanzierungsmöglichkeiten sind in allen Phasen des Unternehmenswachstums unerlässliche Voraussetzungen. Es ist für die gesamte Europäische Union von entscheidender Bedeutung, dass europäische Unternehmen Zugang zu ausreichend europäischem Kapital haben. Es gibt jedoch – und das ist der zentrale Punkt – eine offene Flanke bei der Finanzierung neu gegründeter Unternehmen. Paradoxerweise stoßen Start-ups gerade dann auf Probleme, wenn sie bereits erfolgreich sind.

Nicht das Anfangsstadium, sondern die Wachstumsphase gestaltet sich für Neuunternehmen schwierig. Es gibt eine Finanzierungslücke auf dem europäischen Kapitalmarkt bei der Unternehmensexpansion, wenn die Start-ups im fortgeschrittenen Stadium expandieren wollen, wenn sie ausländische Märkte erobern und ihr Wachstum finanzieren wollen. Dies gilt insbesondere, wenn sie in späteren Finanzierungsrunden mehr als 100 Mio. Euro aufnehmen möchten. In diesem Stadium wenden sich viele Firmen dann an US-Investoren oder sie bekommen keine Finanzierung.

In diesem Segment fehlt es an europäischen Fonds. Die Finanzierungsquelle in dieser Spätphase schafft Abhängigkeiten mit Blick auf künftige Unternehmensentscheidungen, sei es bei der Ortswahl für die Börsennotierung oder für den Firmensitz. Infolgedessen verliert Europa gerade die Unternehmen mit dem größten Wachstumspotential. Dies ist aus wirtschaftspolitischer Sicht inakzeptabel. Darüber habe ich in den letzten Jahren zahlreiche Gespräche geführt, auch mit der Delegation aus Deutschland, die mich heute begleitet, und habe von erfolgreichen Unternehmer*innen und deutschen Fondsmanager*innen viel gelernt.

Wir brauchen ein Ökosystem für Start-ups, das in allen Finanzierungsphasen Wagniskapital bereitstellt. Daher freue ich mich, dass eines meiner ersten Projekte als Finanzminister die ETCI ist, die European Tech Champion Initiative. Innovative Unternehmen sollten zwischen EU- und Nicht-EU-Investoren wählen können. Sie sollten die Wahl haben zwischen Investoren aus der EU und anderen Ländern. Sie sollten sich nicht auf außereuropäische Investoren begrenzen müssen. Die ETCI wird die Schaffung großer europäischer Wagniskapitalfonds für die Spätphasenfinanzierung erleichtern.

Die ETCI wird öffentliche Gelder bündeln und als Dachfonds operieren. Die ETCI wird in große Wachstumsfonds mit einem Mindestvolumen von 1 Mrd. Euro investieren. Voraussetzung ist, dass diese Fonds in europäische Technologiefirmen investieren, die Europas künftige Tech Champions werden könnten. Die European Tech Champions Initiative wird dabei als Ankerinvestor auf dem europäischen Wagniskapitalmarkt fungieren. Ziel ist es, öffentliche Mittel durch Mobilisierung von Privatinvestitionen auf Zielfondsebene als Hebel zu nutzen.

Frankreich und Deutschland beabsichtigen, jeweils 1 Mrd. Euro zuzusagen. Die Europäische Investitionsbank wird ebenfalls einen Beitrag leisten. Ich führe auch Gespräche mit anderen Mitgliedstaaten über eine mögliche Beteiligung. Die ETCI ist also das Kernstück einer gesamteuropäischen Initiative für Scale-ups. Sie ergänzt bestehende nationale Initiativen, wie zum Beispiel den deutschen Zukunftsfonds, der mit 10 Mrd. Euro ausgestattet ist. Sie wird als strategischer Katalysator für die Spätphasenfinanzierung Wirkung entfalten und den europäischen Kapitalmarkt erheblich stärken.

Durch Schließen der Scale-up-Lücke zwischen der EU und den USA könnten in den nächsten 20 Jahren in Europa bis zu einer Million Arbeitsplätze entstehen und 2 Billionen EUR zusätzliches
BIP erwirtschaftet werden. Die europäischen Wagniskapitalfonds müssen ausreichend groß sein, damit sich die positiven Wechselwirkungen eines gut funktionierenden Wagniskapital-Ökosystems entfalten können. Wir als Politiker*innen sind jedoch auch gefordert: Wir müssen neben der ETCI die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Start-ups verbessern. Wir brauchen weniger Bürokratie, leichtere Börsennotierungen, eine attraktive steuerliche Behandlung von Mitarbeiteraktien und vieles mehr. Unser Wirtschaftssystem muss Erfolg belohnen und daher müssen wir Scale-ups unterstützen und stärken.

Vielen Dank.