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09.12.2021

Amtsübergabe im BMF: Antrittsrede von Christian Lindner


Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, Herr Minister Schmidt, lieber Wolfgang, meine Damen und Herren Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Mitarbeitendenvertretung, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich danke dir, Olaf, nicht nur für die sehr kollegiale Übergabe dieses Hauses und die Gespräche, die wir in dem Zusammenhang haben führen können.

Ich danke dir vor allen Dingen für vertrauensvolle und konstruktive Gespräche zur Bildung dieser neuen Bundesregierung. Ich habe neulich öffentlich gesagt und es stimmt, dass wir, auch ich selbst, dich noch einmal anders kennengelernt haben, mit deinem großen Geschick auch zuvor unvereinbar Scheinendes zusammenzuführen und einen neuen konzeptionellen Ansatz zu finden. Das hat diese neue, auf der Bundesebene erstmals gebildete, Ampelkoalition ja überhaupt erst realisierbar werden lassen.

Es ist kein Geheimnis und dieses Haus hat es ja in den letzten Jahren auch wahrgenommen, dass die Freien Demokraten und an ihrer Spitze ich in Opposition zur scheidenden Bundesregierung mit ihrem Vizekanzler Olaf Scholz gestanden haben. Da gab es auch manche inhaltliche Auseinandersetzung. Auch in den zurückliegenden Monaten des Wahlkampfs haben wir vor der Öffentlichkeit nicht verborgen, dass wir bestimmte Dinge unterschiedlich sehen.

Aber wir haben jetzt eine Regierung gebildet, die gemeinsame Vorhaben vorantreiben will, die einen Aufbruch organisieren möchte. Wir haben Projekte definiert für die nächsten vier Jahre. Und deshalb möchte ich als hier jetzt wirkender Minister dieses Ministerium verstehen, wie ich es in der Bundespressekonferenz vorige Tage gesagt habe, als ein Ermöglichungsministerium. Als das Ministerium, das die Vorhaben der künftigen Bundesregierung ermöglicht und dabei zugleich die Verfassung achtet. Sparsam mit den Mitteln, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler uns zur Verfügung stellen, umgeht und die fiskalische Stabilität nicht nur dieser Volkswirtschaft, sondern auch darüber hinaus Europas achtet.

Leider kommen wir jetzt hier in diesem Erzberger- Saal nur in einer kleinen Runde zusammen und die allermeisten von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen dieser Veranstaltung nur online zu. Möglicherweise aus dem Homeoffice. Das ist bedauerlich, denn wie mir berichtet worden ist, wäre sonst der Saal hier voll und wir hätten die Gelegenheit, uns in einer sehr dichten Atmosphäre auch schon persönlich zu treffen, Hände zu schütteln und anderes mehr. Pandemiebedingt ist das nicht möglich.

Umso mehr freue ich mich dann in den nächsten vier Jahren, viele von Ihnen hier aus dem Haus und aus dem Geschäftsbereich insgesamt persönlich kennenzulernen. Ich bin jetzt 21 Jahre Abgeordneter. Übrigens, Herr Gatzer, habe ich einmal angefangen im Jahr 2000 im Bereich der Kindergartenpolitik. Insofern freue ich mich sehr, die Betriebskita hier zu besichtigen. Es war eines meiner prioritären Projekte seinerzeit in Nordrhein-Westfalen mehr betriebliche Tageseinrichtungen für Kinder zu ermöglichen.

Es war übrigens bemerkenswert, wie manchmal solche Laufbahnen beginnen. Ich war damals noch Studierender und wollte mich eigentlich um die Hochschulpolitik bemühen, aber der damalige
Fraktionsvorsitzende sagte: Herr Lindner, als jüngster Abgeordneter des Parlaments stehen Sie doch eigentlich den Hochschulen nicht nächstens, sondern biografisch den Kindergärten viel näher.

Bemühen Sie sich doch darum. Insofern, ich kehre jetzt mit diesem Amt zurück, auch an den Beginn meiner politischen Laufbahn. 21 Jahre Abgeordneter, neuneinhalb Jahre Fraktionsvorsitzender. Ich will damit sagen, ich komme in dieses Haus mit eigenen Vorstellungen und Ideen. Aber auch mit großer Demut und Respekt. Denn auch wenn man vielleicht zwischen Minister und Oppositionsabgeordneten unterschiedlicher Meinung war, habe ich größte Hochachtung vor der Professionalität und der Leistungsfähigkeit dieses Hauses und seiner Mitarbeitenden.

Hier ist über viele Jahrzehnte gespeichertes Wissen über die Staatspraxis vorhanden. Hier ist das Wissen um viele Details unserer Volkswirtschaft abrufbar. Deshalb, meine Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, komme ich mit den eigenen Vorstellungen, die man als langjähriger Parlamentarier hat, zugleich aber mit Neugier auf Ihre Perspektive. Und ich hoffe, dass ich von der großen, hier im Haus gespeicherten Kompetenz auch persönlich werde profitieren können. Wir werden damit auch direkt loslegen müssen, das hier versammelte Wissen abzurufen.

Erstens beim Nachtragshaushalt. Als ich die ersten Gespräche geführt habe mit Herrn Gatzer und der Fachabteilung, habe ich mich wieder daran erinnert, wer das Geld erfunden hat. Bekanntlich war das, das Seefahrervolk der Phönizier, die das Geld erfunden haben. Leider nur zu wenig davon. Das werden wir in den nächsten Jahren öfter miteinander besprechen. Dieser Nachtragshaushalt setzt Verabredungen aus den Koalitionsgesprächen um und deshalb bin ich dankbar, dass die bisherige Hausleitung von Olaf Scholz, aber auch Herrn Gatzer und der Fachabteilung die wesentlichen Vorarbeiten bereits geleistet haben, sodass wir nun in den politischen Vermittlungsprozess eintreten werden.

Zum Zweiten haben wir große internationale Aufgaben vor uns, die wir unmittelbar angehen müssen mit dem Vorsitz bei G7 und insbesondere vor dem Hintergrund des angekündigten Reviews der Fiscal Rules in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Ich werde deshalb heute Nachmittag mit Bruno Le Maire bereits telefonieren und meine erste Reise wird mich am kommenden Montag auch nach Paris führen, um Common Ground zu suchen, mit unseren französischen Freundinnen und Freunden.

Zum Dritten hat diese Koalition sich auch vorgenommen, Großes zu leisten im Bereich von Digitalisierung und Klimaschutz. Das ist nicht nur eine Ambition der künftigen Bundesregierung, sondern die sollten wir auch in unserem Haus auswerten. Wo gibt es Möglichkeiten mit IT und Digitalisierung beispielsweise für die Kundinnen und Kunden der Steuerverwaltung das Leben leichter zu machen? Welche Möglichkeiten haben wir über das, was ja im Haus schon genutzt wird und im Geschäftsbereich, auch künstliche Intelligenz einzusetzen? Wie können wir vielleicht auch unser Arbeiten hier im Haus noch stärker digital gestützt organisieren?

Olaf Scholz und mich verbindet viel. Eine Sache trennt uns aber: Olaf Scholz hat seine politische Arbeit am Ende doch immer auch als Teil der holzverarbeitenden Industrie gesehen. Während ich auch digitale Manuskriptträger schätze. Und ich habe die Vision einer klimaneutralen Finanzverwaltung, als ein Baustein des Ziels, Klimaneutralität in Deutschland insgesamt zu erreichen.

Viertens: Es wird Sie nicht wundern. Ich bin kein Freund von Steuererhöhungen. Tatsächlich bin ich sogar der Meinung, dass wir bereits ein Höchststeuer-Land sind. Aber das Eintreten für faire Besteuerung funktioniert nur nach dem Prinzip der Reziprozität. Das heißt, wenn die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch ihren Verpflichtungen nachkommen. Deshalb möchte ich gerne in der wohlverstandenen Kontinuität meines Vorgängers die Frage der Steuerehrlichkeit weiter mit besonderer Vehemenz verfolgen. Dazu haben wir im Koalitionsvertrag ja unter anderem beabsichtigt, dass wir die bereits grenzüberschreitende Anzeigepflicht von Formen der Steuergestaltung auch auf die nationale Ebene übertragen und weiteres mehr.

Mein Motto ist: Nicht Steuersätze erhöhen, sondern Steuerrecht durchsetzen. Und da bin ich für jeden Vorschlag, auch aus dem Haus und der Praxis, offen, was wir tun können, um diesbezüglich besser zu werden.

Und ich nenne nur einen fünften Punkt. Es ist ja kein keine Vorhabenplanung, sondern nur ein fünftes persönliches Anliegen. Ich glaube, dass der gesamte Finanzsektor, der Kapitalmarktsektor auch ein Wachstumstreiber für unser Land sein kann. Das heißt, die Wettbewerbsfähigkeit des privaten Finanzsektors in Deutschland und Europa im globalen Umfeld zu stärken, könnte ebenfalls ein wichtiges Anliegen werden, dem wir uns in den nächsten Jahren widmen können. Also viel zu tun. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Ihnen hier und ich habe auch schon viele Kolleginnen und Kollegen hier aus dem Haus kennen und schätzen gelernt.

Deshalb danke ich zunächst den scheidenden Mitgliedern der Hausleitung - Wolfgang, Herr Kukies, Herr Bösinger, Frau Hagedorn, Frau Ryglewski - für ihren Dienst hier im Haus.

Wir werden uns in anderen Rollen, Frau Kollegin Hagedorn beispielsweise, ja auch wiedersehen. Auf die Zusammenarbeit freue ich mich. Zugleich gibt es aber auch Personalveränderungen hier im Haus. Sie wissen, ich habe ernannt, Frau Staatssekretärin a.D. Katja Hessel zur Parlamentarischen Staatssekretärin und Herrn Dr. Florian Toncar zum Parlamentarischen Staatssekretär.

Ich habe darüber hinaus Werner Gatzer gebeten, weiter als Staatssekretär hier im Haus für unseren Bundeshaushalt zuständig zu sein. Darüber hinaus kommen neue Kolleginnen und Kollegen in die Hausleitung. Frau Staatssekretärin a.D. Prof. Dr. Luise Hölscher wird für den Bereich Steuern hier im Haus tätig werden und der gerade ausgeschiedene Generaldirektor beim ECOFIN, Dr. Carsten Pillath, wird hier ins Haus für den internationalen Bereich kommen.

Für die Koordination unserer Regierungsbeteiligung und die Organisation dieses Hauses habe ich gewonnen Herrn Staatssekretär a.D. Steffen Saebisch, der auch in der Zeit jetzt des Übergangs für all die zentralen Fragen für mich mitverantwortlich ist. Und auf der Mitarbeiterebene will ich zwei Kolleginnen Ihnen noch einmal vorstellen in neuer und bestätigter Rolle: Frau Marianne Kothé wird die Abteilungsleitung L übernehmen und Frau Dr. Birgit Ebert ist so liebenswürdig, meinen persönlichen Bereich zu organisieren, wie sie das ja auch bei meinem Amtsvorgänger getan hat.

Vielleicht entnehmen Sie den Personalentscheidungen, den ersten Personalentscheidungen, die ich getroffen habe, dass ich beabsichtige, dieses Haus zu führen, als das Bundesministerium der Finanzen, bei dem Loyalität, persönliche Eignung und Hingabe an das Amt zählt - nicht parteipolitischer Hintergrund. Wer ein Verständnis von liberaler Wirtschaft und Gesellschaft hat, der ist mir persönlich sympathisch. Aber hier im Haus zählt all das, was die herkömmlichen und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums beziehungsweise des öffentlichen Dienstes zählt. Und da dürfen Sie immer auf mich zukommen und dürfen mich immer ansprechen. Ich schätze auch das Gegenargument, weil nur durch das Gegenargument wir gemeinsam Fortschritt erreichen können. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen.

Ich freue mich sehr darauf, Dienst zu tun für die Ziele der künftigen Bundesregierung, aber vor allen Dingen für die Interessen unseres Landes. Und jetzt beginnen für uns gemeinsam vier spannende und ereignisreiche Jahre.

Herzlichen Dank! Ich freue mich auf Sie.