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29.11.2022

Privatisierungspolitik

Durch Privatisierung gewinnen Staat und Unternehmen Handlungsfreiheiten: Der Bund setzt Reformpotenziale frei und die Unternehmen steigern ihre Effizienz, um sich im internationalen Wettbewerb zu positionieren. Dies zeigt sich in nahezu allen Bereichen, in denen aus staatlichen monopolisierten Industrien wettbewerbsorientierte Märkte und eine Vielfalt des Angebots entstanden, die den Verbrauchern und Unternehmen zu Gute kommen.

Das Haushaltsrecht des Bundes verleiht der ökonomischen und politischen Grundüberzeugung Ausdruck, dass privater Initiative und Eigentümerschaft grundsätzlich Vorrang gegenüber Beteiligungen des Bundes zu geben ist. Dem entsprechend sollen Beteiligungen des Bundes nur bei einem Fortbestehen des „wichtigen Bundesinteresses“ weiterhin gehalten werden und auch nur dann, wenn der vom Bund mit der Beteiligung angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch Private erfüllt werden kann.

Ein wesentlicher Bestandteil der Privatisierungspolitik des Bundes ist die regelmäßige Überprüfung der Bundesbeteiligungen. Diese Prüfung erfolgt auch mit dem Ziel, Freiräume für privates Unternehmertum und für Wettbewerb zu eröffnen, um damit den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter zu stärken.

Das wichtige fachpolitische Interesse des Bundes an unternehmerischen Beteiligungen wird regelmäßig vom Bundesministerium der Finanzen im Zusammenwirken mit den Bundesministerien überprüft. Sofern das wichtige fachpolitische Interesse des Bundes an der Beteiligung entfallen ist, prüft die Bundesregierung Optionen zum weiteren Umgang mit der Beteiligung. Dazu gehören die Veräußerung der Beteiligung oder von Teilbereichen des Unternehmens, die Übertragung anderer Aufgaben auf die Gesellschaft, die Liquidation oder die Verschmelzung mit anderen Bundesunternehmen.

Die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt), die in der Endphase der Regierung Modrow am 1. März 1990 gegründet wurde, hatte durch das noch von der Volkskammer der DDR beschlossene und durch Artikel 25 des Einigungsvertrages bestätigte Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 die Kernaufgabe,

  • die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so schnell wie möglich zurückzuführen,
  • die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.

Von den anfänglich rund 8.500 Unternehmen, für die die Treuhandanstalt die Verantwortung übernahm, wurden nach Entflechtung rund 15.000 Unternehmen und Betriebs-/Unternehmensteile privatisiert (ohne sogenannte „Kleine Privatisierung“ von Ladengeschäften, Hotels, Gaststätten, Apotheken, Buchhandlungen, Kinos – insgesamt rund 25.000 Objekte).

Rund 80 Prozent der privatisierten Objekte gingen auf mittelständische Erwerber über.

Die Privatisierungen waren vielfach an soziale und wirtschaftliche Auflagen gebunden, insbesondere an Arbeitsplatzzusagen über insgesamt rund 1 Mio. Arbeitsplätze (25 Prozent der vorherigen Beschäftigung) und Investitionszusagen über rund 80 Mrd. Euro, deren Einhaltung überprüft und eingefordert wurde.

Die Privatisierungsaufgabe war im Wesentlichen Ende 1994 beendet. Restarbeiten hat danach insbesondere die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) übernommen.

Die Treuhandanstalt: Ein Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin (aus dem Monatsbericht Juni 2020)