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30.04.2023

Öffentliche Finanzen

Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ)

Bundesfinanzminister Christian Lindner im Interview: „Kinder müssen gute Zukunftschancen erhalten.”

  • Datum 30.04.2023

RNZ: Herr Finanzminister, wie grün ist sich die Ampel noch?

Christian Lindner: Mitunter benötigen die Beratungen innerhalb der Koalition etwas Zeit. Doch die Ergebnisse sprechen für sich. Am Ende von mancher Marathonsitzung der Großen Koalition standen Beschlüsse wie eine Osterruhe in der Corona-Pandemie, die nicht umsetzbar waren. Am Ende unserer Beratungen gibt es ein marktwirtschaftliches Klimaschutzgesetz und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, Infrastrukturmaßnahmen und Autobahnausbauten.

RNZ: Trotz einer Kabinettseinigung rebellierten die Delegierten des FDP-Parteitags gegen Robert Habecks Heizungsplan. Haben Ihre Parteifreunde Ihnen die gelbe Karte gezeigt?

Christian Lindner: Ich fühle mich durch unseren Parteitag bestärkt. Die politische Richtung hin zu einer klimafreundlichen Wärmeversorgung ist richtig. Aber auf dem Weg dorthin muss eine Technologieoffenheit möglich sein. Es darf nicht zu einer wirtschaftlichen Überforderung kommen. Außerdem muss auch den Betreibern der Gasnetze ermöglicht werden, die Umstellung überhaupt leisten zu können. Es gibt noch sehr viele Fragen, die im Detail ungeklärt sind. Dafür haben wir nun das parlamentarische Verfahren.

RNZ: Bringen Sie und die FDP-Fraktion Habeck nun ins Schwitzen?

Christian Lindner: Einige Regelungen führen in der Praxis zu Problemen. Diese Schwachstellen müssen beseitigt werden. Der Heizungsplan muss besser gemacht werden. Daher haben wir als FDP nur gebilligt, den Entwurf an das Parlament weiterzuleiten, haben aber nicht inhaltlich zugestimmt.

RNZ: Wenn Sie Schwachstellen sehen: Warum haben Sie dann nicht, Ihr Veto eingelegt, wie Ihnen CDU-Chef Friedrich Merz vorwirft?

Christian Lindner: Ein Finanzminister kann nur bei ungeklärten Kostenfolgen ein Veto einlegen. Ein solches Problem haben wir aber hier nicht. Ich sehe Friedrich Merz die Kritik nach. Er hatte noch kein Regierungsamt. Weshalb er mitunter etwas überscharf auch normale Vorhaben einer Regierung kritisiert.

RNZ: Themenwechsel: Wie viel sind Ihnen die Kinder Deutschlands wert?

Christian Lindner: Kinder müssen gute Zukunftschancen erhalten. Deshalb haben wir etwa das Kindergeld so stark erhöht wie seit 1996 nicht mehr. Wenn es jetzt aber um weitere Maßnahmen geht, dann muss vor zusätzlichen Transfers an Erwachsene mit Kindern die Qualität bei Kitas und Schulen sowie auch die Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt verbessert werden. 

RNZ: Familienministerin Lisa Paus ist bei der Finanzierung der Kindergrundsicherung kompromissbereit. Wo liegt Ihre Schmerzgrenze?

Christian Lindner: Die Probleme lassen sich eben nicht nur mit hohen Sozialtransfers lösen. Die Kinderarmut ist auch mit den hohen Zuwanderungsraten der vergangenen Jahre gestiegen. In vielen Fällen ist die Armut von Kindern auch begründet in der noch unzureichenden Integration und damit Erwerbstätigkeit der Eltern. Statt immer mehr Geld pauschal umzuverteilen, müssen wir dafür sorgen, dass Familien das ihnen zustehende Geld ohne Antrag automatisch – ohne bürokratische Hürden – erhalten.

RNZ: Ländern und Kommunen werfen dem Bund vor, zu wenig zur Versorgung von Geflüchteten beizusteuern. Lässt die Ampel die Kommunen im Stich?

Christian Lindner: Der Bund übernimmt enorme Summen für die Unterbringung von Geflüchteten. Beispielsweise bekommen die Menschen aus der Ukraine das sogenannte Bürgergeld. Der Bund übernimmt also die Kosten des Lebensunterhaltes. Wir brauchen aber eine andere Migrationspolitik.

RNZ: Wie soll diese aussehen?

Christian Lindner: Wir müssen durch eine andere Migrationspolitik Kontrolle beim Zugang nach Deutschland herstellen. Nach Deutschland muss weniger irreguläre Migration kommen. Diejenigen, die keine Chance auf legalen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland haben, müssen unser Land dann auch wieder verlassen.

RNZ: Sie tragen häufig vor, dass die Bundesrepublik ein Ausgabenproblem hat. Doch sind auch staatliche Notwendigkeiten vorhanden – wie die Sicherheit und Infrastruktur. Wenn Sie die Schuldenbremse einhalten wollen, kommen dann doch höhere Steuern?

Christian Lindner: Nein. Wir werden im nächsten Jahr erstmals über eine Billion Euro Steuereinnahmen im Gesamtstaat haben. Dennoch sind wir nicht in der Lage, ohne Anstrengung unsere gesetzlichen Leistungen, die Subventionen und die in der Vergangenheit geschaffenen Standards zu bezahlen. Die Zeit des niedrigen Zinses seit dem Jahr 2011 wurde nicht genutzt, um den Haushalt stabil, nachhaltig und generationengerecht aufzustellen. Durch den jetzigen normalisierten Zins fallen im Bundeshaushalt prompt 36 Milliarden Euro mehr an als zuvor. In der Vergangenheit hat insbesondere die Große Koalition über ihre Verhältnisse gewirtschaftet und das Geld verteilt. Das müssen wir jetzt korrigieren.

RNZ: Die EU-Kommission will die starren Schuldenregeln lockern. Und Sie?

Christian Lindner: Den Vorschlag der EU-Kommission betrachte ich mit Sorge. Denn wir haben eine hohe Inflation. Diese hängt nicht nur, aber auch mit der Verschuldung der Staaten zusammen. Ich habe die Sorge, dass wir in eine Situation kommen könnten, in der die Europäische Zentralbank nicht in der Weise die Preisstabilität auch durch höhere Zinsen garantieren kann, weil sie Rücksicht nehmen muss auf die Verschuldung der EU-Mitgliedstaaten beziehungsweise der Währungsunion. Auch deshalb ist es notwendig, dass wir die Verschuldung verlässlich reduzieren und auch die jährlichen Defizite stetig abbauen. Die Vorschläge der EU-Kommission sind noch nicht überzeugend. Es ist noch viel harte Arbeit zu leisten.