Inhalt
- Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus dem FATF-Bericht?
- Wozu braucht es nun eine neue Behörde?
- Wie dringlich ist das Problem komplexer Finanzkriminalität in Deutschland? Warum ist es so wichtig, dagegen vorzugehen?
- Warum werden die Sanktionsdurchsetzung und die Bekämpfung von Finanzkriminalität unter einem Dach zusammengefasst?
- Warum gibt es nur eine Zentralstelle für die Aufsicht im Nichtfinanzsektor? Warum übernimmt der Bund die Aufsicht nicht ganz – wäre das nicht effektiver?
- Wo soll das qualifizierte Personal für die neue Behörde rekrutiert werden?
Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus dem FATF-Bericht?
Wir schaffen es bislang in Deutschland nicht, große und komplexe Fälle von Finanzkriminalität zu ermitteln und aufzuklären. Zum einen verhindert eine zersplitterte Zuständigkeit für die Bekämpfung von Finanzkriminalität und teilweise auch bei der Sanktionsdurchsetzung ein effektives Durchgreifen. Denn komplexe Fälle von Finanzkriminalität sind aufwendig zu ermitteln und erfordern das Zusammenführen von Hinweisen und Indizien für illegale Geldflüsse, die vordergründig erst einmal ganz unabhängig voneinander erscheinen können. Die Folge: Kleine Fische gehen ins Netz, die großen schwimmen davon. Dadurch dass etwa der Kleinkriminelle (z. B. ein kleiner Drogendealer) ein Strafe bekommt, ist systemisch wenig gewonnen, denn der wesentliche, große finanzielle Anreiz, das kriminelle Netz weiter zu betreiben besteht weiterhin; wir erwischen die kleinen Rädchen im System, aber nicht das System an sich.
Zudem können wir auch in der Durchsetzung der internationalen und europäischen Sanktionen, gerade auch im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, noch besser werden. Die Sanktionsdurchsetzung muss von einer zentralen Stelle des Bundes koordiniert werden, die eigene Ermittlungen durchführen kann, damit wir auch an die Fälle rankommen, in denen das wahre Eigentum an Vermögensgegenständen über komplizierte Unternehmenskonstruktionen verschleiert wird.
Wozu braucht es nun eine neue Behörde?
Wir brauchen nicht in erster Linie eine neue Behörde, sondern einen Paradigmenwechsel: Erstens brauchen wir für die Aufklärung komplexer Fälle von Finanzkriminalität eine andere, umfassendere Art von Ermittlungen, um erfolgreich zu sein. Hier müssen wir besser werden: „Follow the money“ ist hier das Stichwort. Sprich: Diese Ermittlungen verfolgen in der Regel gewissermaßen „rückwärts“ die „Spur des Geldes“: über die Zurückverfolgung krimineller oder verdächtiger Finanzmittel führt die Spur zu kriminellen Strukturen, Netzwerken und weiteren Straftaten. Zu den Hintermännern. Zu den großen Fischen. In Deutschland liegt bislang der Fokus der Ermittlerinnen und Ermittler meist auf den Vortaten, dem Drogenhandel, dem Betrug, dem Menschenhandel. Aber die Anreize für diese Kriminalität liegt in den Profiten, hier müssen wir ansetzen. Es darf nicht mehr gelten: hohe Profite, niedriges Entdeckungsrisiko.
Zweitens: Damit das gelingt, brauchen wir die Bündelung von drei zentralen Kompetenzen unter einem Dach:
- Ein Bundesfinanzkriminalamt (BFKA), das eine schlagkräftige Ermittlungsbehörde mit eigenen Personalressourcen und modernster IT darstellt und sich auf komplexe Finanzkriminalität und die Sanktionsdurchsetzung konzentriert.
- Daneben muss auch die Financial Intelligence Unit (FIU) eine Säule sein – denn hier gehen die Verdachtsmeldungen ein, die Hinweise auf komplexe Finanzkriminalität liefern. Die FIU muss also eng mit dem BFKA zusammenarbeiten und Hinweise in Analysen verdichten.
- Und wir brauchen zudem eine Stelle, die die Aufsicht im Nichtfinanzsektor (also etwa im Immobiliensektor, beim Glücksspiel oder Güterhandel) koordiniert. Derzeit haben wir bundesweit über 320 Landesaufsichtsbehörden bei weniger als 300 Vollzeitkräften. Also haben wir in der Aufsicht mehr Behörden als Personen, die diese Aufgabe in Vollzeit wahrnehmen. Wir müssen die Aufsichtsbehörden gemeinsam mit den Ländern reduzieren, gleichzeitig auf eine adäquate Personalausstattung hinwirken und vor allem effizienter werden: Die Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht hat die Aufgabe, einheitliche Standards und Best Practices zu entwickeln und die Aufsicht unter den Ländern zu koordinieren.
Mit den drei Strängen BFKA, FIU und die Zentralstelle für Geldwäscheaufsicht unter einem Dach profitieren alle Beteiligten wechselseitig von Erkenntnissen und Expertise und geben der Bekämpfung von Finanzkriminalität einen viel höheren Stellenwert als bisher.
Wie dringlich ist das Problem komplexer Finanzkriminalität in Deutschland? Warum ist es so wichtig, dagegen vorzugehen?
Nach Schätzungen aus der Wissenschaft beträgt das jährliche Geldwäschevolumen in Deutschland rund 100 Milliarden Euro im Jahr. Nur in Relation: Das ist rund 1/5 des gesamten Bundeshaushalts 2022. Oder so viel wie das Sondervermögen, das für die Bundeswehr nun veranschlagt wurde, um die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik sicherzustellen. Von diesen 100 Milliarden des geschätzten Geldwäschevolumens werden aber weit unter 1 Prozent im Wege der Strafverfolgung ermittelt und beschlagnahmt.
Finanzkriminalität untergräbt die gesellschaftliche Fairness. Beispielsweise nimmt illegales Geld auch Einfluss auf die Entwicklung des Immobilienmarkts gerade in Großstädten. Denn auch die Nachfrage krimineller Investorinnen und Investoren treibt natürlich die Preise und verknappt das Angebot für ehrliche Bürgerinnen und Bürger. Es ist also auch eine Frage von Fairness, gegen die vorzugehen, die durch das Brechen unserer Gesetze illegale Profite generieren und sich so bereichern. Das untergräbt die Ideale einer Leistungsgesellschaft und torpediert den Glauben an den Rechtsstaat. Auch deswegen müssen wir hier entschieden eingreifen.
Warum werden die Sanktionsdurchsetzung und die Bekämpfung von Finanzkriminalität unter einem Dach zusammengefasst?
Die Sanktionsdurchsetzung und die Bekämpfung von Finanzkriminalität sind letztlich wie Zwillinge. Es braucht für beides sehr ähnliche Ermittlungskompetenzen. Denn in beiden Fällen geht es darum, Vermögenswerte zunächst einmal aufzuspüren. Kriminelle wie auch gelistete Personen (nach EU-Sanktionsverordnung) unterliegen oftmals einem ähnlichen Anreiz, Vermögenswerte zu verstecken oder das Eigentum an ihnen zu verschleiern – etwa durch verschachtelte Firmenkonstrukte oder über Mittelsmänner. Deswegen ist es sinnvoll, Expertise bei der Ermittlung von Vermögenswerten für beide Themen unter einem Dach zu bündeln.
Warum gibt es nur eine Zentralstelle für die Aufsicht im Nichtfinanzsektor? Warum übernimmt der Bund die Aufsicht nicht ganz – wäre das nicht effektiver?
Es ist ein Vorteil, dass die Landesbehörden in der Fläche vertreten und dadurch auch viel näher an den wirtschaftlichen Strukturen und regionalen Eigenheiten dran sind. Nach unserer grundgesetzlichen Aufgabenverteilung liegt die Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzsektor auch prinzipiell bei den Ländern, was angesichts der hohen Anzahl an Verpflichteten wie Juwelieren, Gebrauchtwagenhändlern und Immobilienmaklern auch Sinn ergibt. Deswegen glauben wir, dass eine Zentralstelle das Beste aus beiden Welten schafft:
Wir haben weiterhin Behörden, die in der Fläche präsent und nah an den zu beaufsichtigenden Unternehmen dran sind, gleichzeitig sorgen wir mit einer institutionalisierten Stelle zur Koordination und Zusammenarbeit für die notwendige Stringenz durch Best Practices, konkrete Leitlinien und einen intensiven Austausch. Derzeit gibt es mehr Länderaufsichtsbehörden (rund 320) als Vollzeitkräfte (weniger als 300) und das für viele verschiede Berufszweige mit mehreren hunderttausenden zu beaufsichtigenden Akteuren. Wir müssen auf eine Personalaufstockung hinwirken und gleichzeitig in Zusammenarbeit mit den Ländern die Anzahl der Behörden reduzieren. Kurzum: Aufsicht weiterhin in der Fläche und nah an den einzelnen Berufsgruppen, dabei aber mit größeren Kapazitäten und auch mehr Expertise, das wird die effektive Koordination durch eine Zentralstelle begleiten und erleichtern.
Wo soll das qualifizierte Personal für die neue Behörde rekrutiert werden?
Wir werden sowohl im staatlichen Bereich wie auch im Privatsektor rekrutieren. Das wird nicht einfach, wir wissen um den Mangel an gut qualifizierten Fachkräften. Aber wir können mit der neuen Struktur und dem stärkeren Fokus auf der Bekämpfung auf Finanzkriminalität den Expertinnen und Experten ein attraktiveres Angebot für ihre Arbeit unterbreiten als in den bisherigen zersplitterten Strukturen. Jemand, der etwas bewegen und aufbauen will, hat hier beste Gelegenheiten und Chancen.
Ebenso wichtig wie die Rekrutierung ist allerdings, dass wir die besten Finanzermittlerinnen und Finanzermittler weltweit aus- und fortbilden wollen. Das ist ein zentrales Instrument, um den Output von Analysen und Ermittlungen zu erhöhen. Wir werden daher auch ein Aus- und Fortbildungskonzept entwickeln, das sich an internationalen Best Practices orientiert.